Außer Atem: Das Berlinale Blog

Mutig, schön und schon verboten: Jim Chuchus 'Stories of Our Lives' (Panorama)

Von Thekla Dannenberg
08.02.2015. Jim Chuchu und Njoki Ngumi dokumentieren in "Stories of Our Lives" Schwulen- und Lesbenleben in Kenia und die Anfeindungen, denen es ausgesetzt ist.


In den "Stories of Our Lives" erzählen die beiden Filmemacher Jim Chuchu und Njoki Ngumi vom Kunstkollektiv The Nest aus Nairobi von schwuler und lesbischer Liebe in Kenia und sie haben damit gleich doppelt und dreifach klargemacht, was Homophobie in Afrika bedeutet: Kaum war der Film über auf dem Filmfestival von Toronto erstmals gezeigt worden, wurde er vom kenianischen Classification Board wegen angeblicher Propagierung von Homosexualität verboten. Der Produzent George Gachara wurde für mehrere Tage ins Gefängnis gesteckt, Schauspieler wurden attackiert.

In einem Interview mit der SZ sprachen Chuchu und Ngumi davon, wie heikel ihr Projekt ist: "Selbst wenn der Film in Kenia nicht verboten worden wäre, müssten wir uns genau überlegen, wo, wann und in welchem Rahmen wir ihn zeigen können, damit es nicht zu Gewalt kommt. Viele Landsleute halten Homosexualität für krankhaft, für etwas das nicht aus Afrika kommt und um das sich nur westliche Hilfsorganisationen kümmern."

In fünf sehr dichten, sehr bewegenden Episoden erzählen Chuchu und Ngumi von Liebe, Begehren und Freundschaft inmitten von Ressentiments, Gewalt und politischer Agitation. Die Geschichten sind fiktionalisiert, basieren jedoch allesamt auf wahren Erzählungen. Monatelang haben die beiden Filmemacher Freunde und Bekannte interviewt und sich von ihren Erfahrungen und Erlebnissen berichten lassen, in der Familie, an Schulen und Universitäten oder mit Freunden. Dazwischen geschnitten sind Bilder von kenianischen Politikern, die gegen die Verbreitung von "Gayism" wettern, als handele es sich dabei um eine westliche Unterwanderungsbewegung.

"Stories of Our Lives" ist ein mutiger Film über das Recht zu sein, wer man will, und zu lieben, wen man will. Aber es ist auch ein sehr schöner Film. In der poetisch-humorvollen Episode "Each Night I Dream" wird eine junge Frau jede Nacht hin und her gerissen von ihren Fantasien als Prinzessin unter Prinzessinnen und ihren albtraumhaften Ängsten, von einem aufgewiegelten Mob gejagt zu werden. Was mitnehmen, wenn sie das Haus anzünden? Ist sie vielleicht wirklich von bösen Geistern befallen? Und würde es helfen, sieben Mal rückwärts um den Moringa-Baum zu laufen?

Die Episode "Ask me Nicely" erzählt von zwei lesbischen Schülerinnen, die auf recht infame Weise von den Behörden gegeneinander ausgespielt werden. In "Run" versucht ein junger Mann erst, mit der sexuell aufgeladenen Atmosphäre in einer Schwulenbar klarzukommen, um anschließend von seinem besten Freund aus der Stadt gejagt zu werden. "Athiman" spielt unter Teepflückern auf dem Land und zeigt, wie schwierig sich Freundschaft zwischen schwulen und Hetero-Männern selbst unter Wohlmeinenden noch immer gestaltet.

Auch wenn "Stories of Our Lives" in erster Linie auf ein kenianischen Publikum zielt, haben Chuchu und Ngumi auch die westlichen Festival-Besucher bedacht, die ja wahrscheinlich als einzige den Film öffentlich zu sehen bekommen. Ein hübsch irritierendes Moment haben sie für sie eingebaut, das allzu viel Selbstgewissheit entgegenwirken soll: In der Episode "Duet" lässt sich ein Kenianer einen Callboy in sein Londoner Hotelzimmer kommen, um endlich mal Sex mit einem Weißen auszuprobieren. Und er stellt fest: Egal was sie essen, irgendwie riechen Weiße so eigenartig.

Jim Chuchu: "Stories of Our Lives". Buch: Njoki Ngumi. Darsteller: Kelly Gichohi, Paul Ogola, Tim Mutungi, Mugambi Nthiga und Rose Njenga. Kenia 2014, 60 Minuten. (Vorführtermine)