E.L. Doctorow

Homer & Langley

Roman
Cover: Homer & Langley
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2010
ISBN 9783462042986
Gebunden, 224 Seiten, 18,95 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Gertraude Krueger. Homer, der Erzähler des Romans, ist blind und hochsensibel, Langley, der ältere der beiden, durch seine Erlebnisse in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs verrückt oder zum Genie geworden. Die beiden ziehen sich in ihr Elternhaus zurück. Dort versammeln sie Bücher, Musikinstrumente, Möbel, sogar ein Ford Model T, und horten in immer größeren Stapeln sämtliche täglich gekauften Zeitungen, die Langley für sein Großprojekt - die Herstellung einer ewig aktuellen Zeitung - benötigt. Während sich die beiden immer mehr abschotten, kommt das Jahrhundert zu ihnen ins Haus: Menschen aus allen Epochen, Prostituierte, Gangster, Jazzmusiker, Polizisten, Hippies; es gibt Liebesgeschichten, politische Kämpfe und technische Errungenschaften. Aber gibt es wirklich einen Fortschritt? Oder wiederholt sich alles nur in anderer Form?

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.01.2011

E. L. Doctorow hat aus der Geschichte der beiden Brüder Homer und Langley Collyer eine "anrührend schöne und schreckliche" Geschichte Amerikas gemacht, schreibt bewundernd Rezensent Frank Schäfer. Es ist auf jeden Fall mehr als nur eine Nacherzählung des Schicksals der beiden Brüder Collyer, die wirklich lebten: Schäfer findet eine existenzphilosophische, eine psychologische, eine mythologische und eine politische Schicht in diesem Roman, den er als schwarze Parabel auf die "Unbehaustheit des Menschen" und den amerikanischen Optimismus liest: Emersons Maxime "Vertraue dir selbst" werde, wenn man sie so rigoros interpretiert wie die Brüder Collyer, zu einem "Misstraue allen anderen". Und das geht eben auch nicht gut.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.01.2011

Als Spezialist für historische Stoffe scheint E.L. Doctorow dem Rezensenten Christoph Schröder  prädestiniert zu sein für die Literarisierung der Geschichte der beiden Brüder Homer und Langley Collyer, die der Welt verloren gegangen waren und1947 in ihrer zugemüllten New Yorker Wohnung verendeten. Und Doctorow macht seinen Job gut. Komprimiert und frei gestaltet, wird die Lebensgeschichte der beiden Antibürger vor Schröders Augen zum Epochenpanorama. Das Pathologische, so erklärt Schröder, tritt zurück und das Historische vor. Wenn Doctorow die systematische Selbstvermüllung zur Geschichtsphilosophie ausbaut, stellt sich für Schröder die Frage nach den Beweggründen für den Rückzug der Brüder anders. Die mittels der besonderen Perspektivwahl (des blinden Homer) von Doctorow erschaffene formale Entsprechung eines anarchischen Lebensentwurfs hält Schröder für so düster wie gelungen und faszinierend.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.01.2011

Zum achtzigsten Geburtstag E.L. Doctorows liegt die deutsche Fassung seines 2009 im amerikanischen Original erschienenen Romans über die berühmt-berüchtigten Collyer-Brüder vor,  und sie hat Thomas Hermann begeistert. Wie schon in seinen früheren Romanen nimmt sich der Autor eines historischen Stoffes an, den er fantasievoll erweitert und nach seinen Vorstellungen umformt, stellt der Rezensent fest. Die Ende des 19. Jahrhunderts geborenen Söhne einer reichen Familie stopften in ihrer Sammelwut von Altpapier bis zu ganzen im Wohnzimmer geparkten Autos ihr ererbtes Herrenhaus voll und gingen schließlich darin zugrunde, der eine von Müll erschlagen, der andere verhungert, erfahren wir. Zum Erzähler wird bei Doctorow der erblindete Bruder, der mit geschärften Sinnen und hohem Reflexionsvermögen ausgestattet, ein eindringliches Epochenporträt malt, so Hermann gefesselt. Die zugleich nüchterne und bewegende Darstellung sieht er auch großartig ins Deutsche übersetzt, und so preist er den Roman als ein "stilles Meisterwerk".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.01.2011

Mit großer Bewunderung schreibt der Schriftsteller Ralf Bönt über diesen neuen Roman seines ohnehin schon sehr geschätzten amerikanischen Kollegen E.L. Doctorow. "Homer und Langley" erzählt von den beiden berühmten Messies der Geschichte, den Collyer-Brüdern, die sich, eigentlich Erben eines stattlichen Vermögens, in ihrem Harlemer Haus vor der Welt in Hunderten Tonnen von Müll vergruben, bis sie 1946 tot, d.h. total verwahrlost und zum Teil verwest, aufgefunden wurden. Doctorow, stellt Bönt klar, erzählt die Geschichte sehr souverän, sehr detailliert, aber niemals verliebt in den Schrecken, sondern mit "großer Freiheit" und Liebe zu seinen beiden Helden. Bönt erkennt hierin die Geschichte zweier Menschen, die sich in ohnmächtiger Wut gegen Telefongesellschaft, Bank und Wasserwerke gegen die gesamte Welt verschanzten (mit einer fehlerhaften Telefonrechnung, die Langley nicht bezahlen wollte, hatte alles angefangen), zweier Menschen, die sich der Geschichte ausgesetzt fühlten und "eine Haltung zu ihr auch beim besten Willen nicht finden" konnten.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.12.2010

E.L. Doctorow erzählt in diesem Roman die Geschichte der Brüder Collyer, die es wirklich gegeben hat. Es waren Söhne reicher Eltern, die abgeschieden lebten und sammelten: Zeitungen, Möbel, Geschirr, Instrumente. Als die Polizei sie tot in ihrem Haus fand, mussten sie aus über 100 Tonnen Müll ausgegraben werden. Schon vorher waren sie - gerade wegen ihrer Unsichtbarkeit - eine Boulevardsensation. Doctorow nun, so Rezensent Daniel Haas, befördert die beiden Brüder mit seinem Roman vom Boulevard in die Sphäre der Kunst und Kultur. Er zeichnet sie nicht als Verrückte, sondern als "Archivare" ihrer Epoche. Für Haas ein "ergreifendes" Buch, das ihm wieder einmal zeigt, dass die Literatur wirklichkeitsgesättigter sein kann als das Leben.
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