Juri Andruchowytsch

Geheimnis

Sieben Tage mit Egon Alt
Cover: Geheimnis
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008
ISBN 9783518420119
Gebunden, 387 Seiten, 24,80 EUR

Klappentext

Interview. Aus dem Ukrainischen von Sabine Stöhr. Wo bist du glücklich gewesen? Warum hast du beim Fußball geweint? Wessen Bücher würdest du auswendig lernen? Fragen eines deutschen Journalisten an einen ukrainischen Schriftsteller, der ein Jahr in Berlin verbringt. Sieben Tage lang sprechen Egon Alt und Juri Andruchowytsch über Habsburg im Sowjetlook, über Bahnhöfe, Grenzpfähle und vergessene Träume, über verbotene Musik, Rekruten in der Roten Armee und die legendären Happenings der Performance-Gruppe "BuBaBu". Sieben Kapitel "über mich und die Zeit, in der ich lebe", wie der 48-jährige Juri Andruchowytsch im Vorwort zu seinem neuen Buch schreibt. Von der Katastrophe im Jahr 1969, als Dynamo Kiew gegen Spartak Moskau verlor, bis zu dem Moment, als Breschnews Sarg mit voller Wucht ins Grab knallte, vor Millionen Fernsehzuschauern in der ganzen Sowjetunion, deren Zusammenbruch sich hiermit ankündigte. Vom Putsch in Moskau bis zur orangen Revolution und der Katerstimmung danach: Der exzessive Dialog, der ihn mit seinem Leben und Schreiben konfrontiert, ist ein spannendes Stück Zeitgeschichte. Selten greifen Privates und Politisches so eng ineinander wie in diesem ironischen Porträt eines Autors, der sich selbst nicht über den Weg traut.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.12.2008

Wir sind alle Ukrainer, mutmaßt der Rezensent. Helmut Böttiger hält die von Juri Andruchowytsch umkreisten Themen und Orte für die "Avantgarde für den Westen". Keine Terra incognita mehr also. Dafür, dass der Band den Rezensenten dennoch bei Laune hält, sorgen Momente der Verwirrung, Augenblicke der Tiefe und Leerstellen, die in dem Dialog des Autors mit seinem Doppelgänger entstehen. Was oberflächlich wie "Kneipengeplauder" über Andruchowytschs Biografie, seine Armee- und Studentenzeit, daherkommt, entpuppt sich für Böttiger als "Arabesken" einer mittelosteuropäischen Realität ohne Gewissheiten und Ordnungen. Wo die Gegenwart ins Bild kommt, wird's für den Rezensenten beinahe beängstigend mehrdeutig.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.10.2008

Angetan zeigt sich Judith Leister von den "schillernden" Memoiren des ukrainischen Schriftstellers Juri Andruchowytsch, der heute als einer der "wichtigsten intellektuellen Botschafter" seines Landes gilt. Wie sie berichtet, kommen diese Erinnerungen in Form von Interviews mit einem Egon Alt daher. Die mal "kritischen", mal "einfühlsamen" Fragen Alts beantworte Andruchowytsch mal "ungeduldig", mal "ausschweifend". Für Leister erweist sich der Autor auch wieder einmal als "Meister des Verwirrspiels", denn den Reporter Egon Alt hat es natürlich nie gegeben. Sie sieht in ihm vielmehr ein Alter Ego von Andruchowytsch. Durch diese Herausgeberfiktion entsteht für sie eine "persönliche Erzählstimmung". Höchst eindringlich scheinen ihr die Passagen, in denen Andruchowytsch von seiner Zeit bei der Sowjetarmee erzählt. Interessant findet sie die Berichte über die neunziger Jahre, die für den Autor ein Jahrzehnt der Reisen zwischen Ost und West waren.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.10.2008

Ilma Rakusa ist hin und weg von Juri Andruchowytschs Lebensgeschichte "Geheimnis?. Das "erzählerische Glanzstück? bringt dem Leser den Autor und einen bewegenden Abschnitt Zeitgeschichte unglaublich nah, schwärmt Rakusa. Der 1960 geborene Ukrainer rollt in einem Gespräch mit einem hartgesottenen Alter Ego, "Egon Alt?, die eigene Biografie auf. Der Rezensentin zufolge erlebt der Leser Andruchowytschs Kindheit im westukrainischen Iwano-Frankiwsk, seine Jugendexzesse in Lemberg, die Schrecken des Armeedienstes und die Arbeit im Literaturinstitut in Moskau. Besonders die Sequenzen zur russischen Besatzung hält die Rezensentin für bemerkenswert. Die Zeit des Aufbruchs vor dem Zerfall der Sowjetunion mache sich Andruchowytsch mit genauso viel "erzählerischem Impetus? zueigen wie die Phase bis zur Orangen Revolution. Das Politische sei in dieser Erzählung ausschlaggebend, meint Rakusa, und der Leser werde anhand politischer Eckpfeiler mit so viel Schwung durch die Jahrzehnte katapultiert, dass es einem die "Sprache verschlägt?. Rakusas hohem Lob zufolge ist dies ist eine mitreißende, emotionale, aber nie ins Kitschige abdriftende Schilderung, welche den Leser zum Teil schockiert, aber immer auch tröstet.