Eva Illouz

Gefühle in Zeiten des Kapitalismus

Adorno-Vorlesungen 2004
Cover: Gefühle in Zeiten des Kapitalismus
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783518584590
Broschiert, 170 Seiten, 14,80 EUR

Klappentext

Wer in diesem Buch die Annahme bestätigt bekommen möchte, dass der Kapitalismus zu einer distanzierten, kühlen und unemotionalen Welt geführt habe, in der sich ökonomisches Handeln und das Reich der authentischen Gefühle unversöhnlich gegenüberstehen, wird sich verwundert die Augen reiben. Die israelische Soziologin Eva Illouz geht vielmehr von der These aus, dass die Kultur des Kapitalismus eine intensive emotionale Kultur ausgebildet hat: am Arbeitsplatz, in der Familie und in jeder Form von sozialen Beziehungen. Und sie geht weiter: Während ökonomische Beziehungen immer mehr und immer weitgehender durch Gefühle bestimmt werden, gilt für das Reich der Gefühle das Umgekehrte: Sie werden ihrerseits durch eine Ökonomisierung geprägt, die von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Trennung das Gefühlsleben reguliert. Dieses wird in immer deutlicherer Weise geprägt durch Verhandlungen, Austausch, Investitionen und Eigenkapital. Wer hat noch nicht davon gesprochen, etwas in eine Beziehung zu investieren? Illouz fasst dieses eigentümliche Verhältnis als emotionalen Kapitalismus und geht ihm in verschiedenen Feldern nach. Sie untersucht die neue Form der Gefühle im Internet-Chat und in Partnerbörsen, in Lifestyle-Magazinen und in Filmen, nimmt aber auch jene Berufsgruppe in den Blick, die aus den Irrungen und Wirrungen der Gefühle ihr Kapital zieht: die klinischen Psychologen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.07.2006

Überschwängliches Lob des Rezensenten für die Adorno-Vorlesungen der Soziologin Eva Illouz. Für einen der interessantesten des Jahres hält Jens Bisky diesen Band, seiner Kontroversität wegen. Etwa, wenn die Autorin an Klischees klopft und ihre These formuliert, die den Kapitalismus zur Schwester des Gefühls macht. Internetpartnersuche über Matching-Punkte, das öffentliche Selbst, die Uniformisierung des Gefühlslebens - darüber hat Bisky so "frisch" und "scharfsinnig" selten jemand erzählen hören. Vom theoretischen Gepäck (Freud, Luhmann) der Autorin weiß Bisky zu berichten und entdeckt in ihrer Argumentation neben den Würdigungen der therapeutischen Kultur mit ihren Standardisierungsleistungen die nicht tot zu kriegende "Sehnsucht nach Unmittelbarkeit".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.03.2006

Für eine sehr "ergiebige Lektüre" hält Rezensentin Angela Gutzeit die Frankfurter Adorno-Vorlesungen der israelischen Soziologin Eva Illouz. Erfrischen findet sie vor allem, dass Illouz sich traut, der "Müdigkeit des Denkens" in Antagonismen wieder einige dialektische Gegensatzpaare entgegenzustellen. Illouz? Überlegungen kreisen dabei um das Stichwort vom emotionalen Kapitalismus, in dem sich "emotionale und ökonomische Diskurse und Praktiken gegenseitig formen", wie Gutzeit erklärt. Die Ökonomie übernimmt dabei auf der einen Seite die weichen Techniken der Psychoanalyse, um Arbeitsdisziplin, Motivation und Produktivität zu fördern, was auf der anderen Seite zu einer Rationalisierung der privaten Sphäre führt. So hätten "Psychoanalyse, Ratgeberliteratur und Feminismus" durchaus autonome und selbstkontrollierte Subjekte gefördert, aber auch der Rationalisierung und Intellektualisierung der Liebe Vorschub geleistet. Dies sei alles nicht ganz neu, räumt Gutzeit ein, hat dies aber lange nicht so erfrischend und klug formuliert gefunden wie bei Illouz, die schließlich davor warnt, aus uns allen "hyperrationale Idioten" werden zu lassen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.03.2006

Der Rezensentin Bettina Engels entgeht nicht, wie das Vertrauen der Autorin Eva Illouz an eine friedliche Koexistenz von Emotion und Kapitalismus in diesem Band Seite für Seite schwindet. Engels kommt nicht umhin, den Bezug der Texte auf die Überfigur Adorno dafür verantwortlich zu machen. In insgesamt drei Vorlesungen nähert sich die Soziologin Illouz ihrem Thema. Vom hoffnungsfrohen Siegeszug der Psychoanalyse über "eine etwas unmoderne Sprachskepsis", mit der die Autorin laut Engels die Talk-Kultur der therapeutischen Kontraproduktivität überführt, bis hin zum endgültigen Bruch mit dem spätkapitalistischen Subjekt im Netz der Online-Partnerschaftsbörsen verläuft der Weg, auf dem die Rezensentin der Soziologin folgt. Das desillusionierende Fazit des Bandes, wonach die Utopie unstrategischer Zweisamkeit der Warenwelt schließlich zum Opfer fällt, möchte Engels aber dann doch nicht unterschreiben. Das Projekt romantischer Liebe, findet sie, wäre "im Reich hyperrealer Zeichen weiterzuverfolgen".
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