Außer Atem: Das Berlinale Blog

Liebt seine Hänger: Alonso Ruizpalacios' 'Güeros' (Panorama)

Von Thekla Dannenberg
12.02.2014. Alonso Ruizpalacios' faule Studenten, haben keine Lust mehr zur Revolution, die immer mehr zur Pflicht wird. Lieber suchen sie einen alten Sänger.


Das einzige Ziel, das der junge Tomas in seinem Leben vor Augen hat, sind die Passanten, auf die er vom Dach seines Hause Wasserbomben werfen kann. Als er das kleine Kind einer hysterischen Frau trifft, reicht es seiner ebenso gestressten Mutter: Sie schickt Tomas von Santa Cruz nach Mexiko-Stadt zu seinem älteren Bruder, damit er ein männliches Rollenvorbild bekommt. Dort stellt sich sehr schnell heraus, dass Sombra mindestens genauso planlos ist wie sein jüngerer Bruder. Er lebt mit seinem Kumpel Santos illegal in einer Sozialbauwohnung und zapft den Strom von der Leitungen seiner Nachbarn ab.

Zur Uni geht er schon lange nicht mehr, die Studenten haben das Hauptgebäude besetzt. Santos und er befinden sich "im Streik vom Streik", obwohl die Revolte die ganze Stadt vibrieren lässt. Ein Transparent verkündet für die ganze Stadt sichtbar "Huelga!", überall wird getrommelt, debattiert und demonstriert, und es herrscht die Parole: "Jung zu sein und kein Revolutionär, ist ein Widerspruch". Aber Sombra kann dem Leben im studentischen Kollektiv nichts abgewinnen: Wie revolutionär ist denn bitte Klos putzen und Kochen? Gern hängt er aber in der Sonne rum und hört das Piratenradio, bei dem Ana arbeitet.

Ein bisschen Antrieb kommt in die Brüder, als sie in der Zeitung lesen, dass der alter Sänger Epigmenio Cruz im Sterben liegt, den ihr Vater so sehr geliebt und der Bob Dylan zum Weinen gebracht hatte. Sie begeben sich quer durch Mexiko-Stadt auf die Suche nach dem Sänger, nehmen Santos mit und natürlich auch Ana, die sie allerdings erst einmal aus der besetzten Uni herausbekommen müssen.

"Güeros" ist die spöttische Bezeichnung für hellhäutige Mexikaner. Der Titel zeugt von den Skrupeln des Regisseurs, einfach nur eine sympathische Geschichte von privilegierten Mittelschichtskindern zu erzählen, die nicht wissen, wohin mit sich. Dabei erzählt Alonso Ruizpalacios in seinem schwarzweiß gedrehten und erkennbar einfach ausgestatteten Film auf sehr liebevolle und gutgelaunte Weise von der Freundschaft dieser etwas verpeilten, aber sehr sympathischen Hänger. Der Witz und der Übermut des Regisseurs scheint sich mitunter sogar auf die Kamera zu übertragen, wenn sie sich selbstständig macht und ihre ganz eigenen Interessen zu verfolgen scheint: ein krabbelndes Tier oder besonders bizarre Schatten. Kann schon sein, dass der Film ein bisschen so wirkt, als sei Ruizpalacios gerade aus einem Nouvelle-Vague-Seminar gekommen. Aber wenn, dann haben sie ihm da auch Leichtigkeit und Liebe zu seinen Figuren beigebracht.

Thekla Dannenberg

"Güeros". Regie: Alonso Ruizpalacios. Darsteller: Tenoch Huerta, Sebastián Aguirre und Leonardo Ortizgris. Mexiko 2014, 106 Minuten. (Panorama, alle Vorführtermine)