≡
Stichwort
Haiti
7 Artikel
Wo wir nicht sind 21.11.2022 […] Es gehört zu den besonders bitteren Ironien Haitis, dass in der ersten schwarzen Republik der Weltgeschichte nicht die Söhne und Töchter Dessalines die Macht übernahmen, sondern die Angehörigen jener hellhäutigen Bourgeoisie, die in Haiti immer noch als Mulatten bezeichnet werden. Die Nachkommen französischer und deutscher Grundbesitzer hielten ein System aufrecht, in dem Wohlstand und Ansehen mit […] bleibt, erzählt Marie Vieux-Chauvet in ihrem ersten Roman "Töchter Haitis" von 1954. Die 1906 geborene Schriftstellerin ist eine Ikone der haitianischen Literatur, als Frau hatte sie sich in einer patriarchalen Gesellschaft Rang verschafft, als Tochter aus gehobenem Hause gegen die Privilegien der Mulatten gestritten. "Töchter Haitis" ist die Geschichte einer Befreiung, die Emanzipation einer Frau, […] hier eng miteinander einher. Der Manesse Verlag bringt "Töchter Haitis" jetzt als Klassiker heraus, in sehr schöner Übersetzung von Nathalie Lemmens, mit hervorragenden Anmerkungen und einem kenntnisreichen Nachwort von Kaiama L. Glover.
Die Geschichte spielt in der Mitte der vierziger Jahre, fernab vom Kriegsgeschehen in Europa. Auf Haiti herrschte zu jener Zeit Élie Lescot, der sich im Verbund mit […] Von
Thekla Dannenberg
Wo wir nicht sind 28.04.2021 […] berichtet auch die BBC.
Und auch die vielen neuen Arbeiten zu Haitis Geschichte etwa von Johnhenry Gonzalez ("Maroon Nation: A History of Revolutionary Haiti") finden hierzulande wenig Niederschlag, obwohl sie tatsächlich die Revolution von Haiti in ein neues Licht stellen. Es ist erschütternd, wie ambivalent und wie tragisch Haitis Geschichte von Beginn an war: Natürlich war der 1743 als Sklave […] 1953 geborene haitianische Schriftstellerin Yannick Lahens einen französischen Reporter das Land bemitleiden: "Haiti, nur eine halbe Insel, die aber so viel von sich reden macht wie ein ganzer Kontinent. Unglück. Nichts als Unglück. Haiti, das verfluchte, elende, wilde, widerspenstige Land, Haiti, das 'für immer kaputte Land', das aber einfach nicht totzukriegen ist." Der Reporter Francis ist ein freundlicher […] n Alltag des Landes, seine Schönheiten und kulturellen Reichtümer. Nuber erkennt im Bild des beklagenswerten Haiti jedoch nicht nur ein unbedarftes Klischee, sondern das Ergebnis einer jahrhundertelangen kolonialistischen Geschichtsschreibung, wie sie ohne Scheu vor Jargon schreibt: "Haiti musste mundtot gemacht werden, nachdem dort Ende des 18. Jahrhunderts der erste Gegenangriff auf das Sklavereisystem […] Von
Thekla Dannenberg
Außer Atem: Das Berlinale Blog 24.02.2020 […] Sklaven von Haiti war der große Testfall für die Französische Revolution. Hier hätte sich ihr Universalismus bewähren müssen. Leider versagte die Republik. Sie unterwarf die Schwarzen, die sich unter der Führung von Toussaint Louverture ihre Freiheit erkämpft hatten, und Napoleon ließ mit dem Code Noir auch die Sklaverei wieder einführen. Am 7. April 1803, wenige Monate, bevor sich Haiti doch noch seine […] Klänge von Purcell und Monteverdi, die Erhabenheit revolutionärer Schriften fügen sich zu einer Komposition, deren Exquisitheit zum Glück schnell gebrochen wird von einem radikalen Schnitt ins das Haiti von Heute.
In Port-au-Prince will das Theaterensemble Edouard Glissants Stück "Monsieur Toussaint" ins Kreolische übersetzen, bisher war das große Drama des haitianischen Freiheitskampfes nur auf […] "Poetik der Beziehungen", auf den Austausch und die schöpferische Wechselwirkung von Kulturen.
In einem sehr schönen Bilder- und Gedankenfluss verknüpft der Film Motive von Louverture und Glissant mit Haitis kulturellem Erbe und den aktuellen Diskursen des Postkolonialismus. Unablässig arbeitet das Ensemble an der Übersetzung der Sprache, der Ideen, der Bilder: Sie rappen, streifen über die Strände und […] Von
Thekla Dannenberg
Mord und Ratschlag 06.01.2020 […] christlichen Gott noch an die Geister des Voodoo glaubt, der Spiritualität für Charakterschwäche hält und sich immer gegen die kolonialistische Erzählung sperrte, Haiti hätte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, als hätten sich Haitis Sklaven nicht aus eigener Kraft befreit: "Der Teufel wäre nicht ausreichend gewesen. Es mussten die Umstände sein."
Die Vernunft ist in diesem Roman maskulin und schnell […] Kettly Mars gehört zu den beliebtesten Schriftstellerinnen Haitis, die in ihren Romanen manchmal etwas unsubtil, aber einnehmend von Diktatur, Ausbeutung oder den Folgen des Erdbebens erzählt. Während allerdings ihr Landsmann Gary Victor in seinen Krimis den Voodoo in Maßen einsetzt, lässt Mars alle Leinen los. Ihre Geschichte verbindet Haitis Geschichte, den Glaube an Dämonen und Voodoo, sie strotzt […] einträgliche Stellung gesichert. Ein sorgenfreies Leben ist ihr dennoch nicht beschieden, wie ihre ältere Cousine Paula, genannt Couz, ihr eines Tages eröffnen muss: Ein Engel hadert mit der Familie. In Haiti weiß man, was ein solcher Fluch bedeutet, und auch Emmanuela kann die Zeichen deuten: Der Geruch von angesengten Haaren liegt in der Luft, Schatten ziehen über die Dächer, Silhouetten huschen über die […] Von
Thekla Dannenberg
Außer Atem: Das Berlinale Blog 09.02.2013 […] politischer Ökonomie erteilt Raoul Peck mit seinem Film "Assistance Mortelle" über die internationale Hilfe für Haiti nach dem Erdbeben vom 12. Januar 2010, die keine Katastrophenhilfe war, sondern eine katastrophale Hilfe. Pecks Biografie ist sein filmisches Programm geworden: In Haiti geboren, in Zaire/Kongo aufgewachsen, hat er im Ost-Berlin der achtziger Jahre Wirtschaftswissenschaft studiert und […] geholfen werden müsste. Bill Clinton wurde Leiter der Wiederaufbauorganisation IHRC. Dies sei "die größte Chance, die Haiti je hatte", sagt Clinton und der Satz klingt einem den ganzen Film über wie Hohn in den Ohren.
Denn elf Milliarden Dollar Hilfszusagen bedeuten nicht, dass Haiti elf Milliarden bekommt, ganz zu schweigen davon, dass die Haitianer das Geld bekommen, wie uns all die von Peck befragten […] internationale Gemeinschaft entspringt oder seiner eigenen Unfähigkeit. Denn darüber lässt Peck keinen Zweifel aufkommen, auch angesichts der verkorksten Wahlen ein Jahr nach dem Erdbeben: Am Unglück Haitis sind nicht nur die anderen Schuld.
Doch sein Thema bleibt der NGO-Zirkus, den er mit dem Beispiel des Camps Corail deutlich macht, in dem nach anfänglichen Plänen 7.000 Menschen untergebracht werden […] Von
Thekla Dannenberg