Bernard Stiegler

Die Logik der Sorge

Verlust der Aufklärung durch Technik und Medien
Cover: Die Logik der Sorge
Suhrkamp Verlag, Frankfiurt am Main 2008
ISBN 9783518260067
Gebunden, 190 Seiten, 10,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Susanne Baghestani. Seit der Aufklärung gilt das Idealbild vom mündigen Individuum, das Verantwortung für sein Handeln trägt. Durch die Übermacht der neuen Medien und den globalen Kapitalismus wird jedoch die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, systematisch zerstört. Auch Erwachsene sind tatsächlich keine mündigen Individuen, sondern verharren in einem Zustand der Unreife, der es ihnen unmöglich macht, die jüngere Generation zu Verantwortungsbewusstsein zu erziehen. Ein Generationenvertrag wird aufgelöst und das Leben auf das Lustprinzip, die bloße Gegenwart, reduziert, somit wird Vergangenheit ausgelöscht und eine Zukunft nach den Idealen der Aufklärung aussichtslos. Die Folgen sind eine Infantilisierung der Gesellschaft, strukturelle Verantwortungslosigkeit und eine durch manipulative Medien verursachte gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeitsstörung. Bernard Stieglers Hauptinteresse gilt dem Zusammenhang von Kultur und Technik und den Veränderungen der Gesellschaft durch Medien und Digitalisierung. Der Autor klagt die Medien an, die in ihrer Funktion als "Psychotechnologien" ein triebgesteuertes Publikum heranzüchten, das nicht mehr Sorge tragen kann und soll - Sorge um das Selbst, die Familie, die Umwelt und auch die Sorge, wie sie sich in der mündigen Kritikfähigkeit äußert. Marketing wird zum alleinigen Instrument der Sozialkontrolle, die Telekratie ersetzt die Demokratie.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.05.2008

Einen vorsichtig skeptischen Blick wirft Rezensent Eberhard Rathgeb auf Bernhard Stieglers Buch "Die Logik der Sorge", das er eine "Art Manifest für einen demokratischen Kommunismus des Geistes" in der foucaldianischen Tradition nennt. Bevor er näher auf das Werk des französischen Sozial- und Technikphilosophen eingeht, entwirft er eine Typologie von Theorien, die aufs Ganze gehen, und kommt dabei zu dem Schluss, dass häufig schon eine "Handvoll Begriffe" ausreiche, "um sich in eine stabilisierte Position zur Welt zu bringen". Dabei scheinen ihm auch Temperament und Tonfall einer Theorie eine Rolle zu spielen, wenn es darum geht, welcher Theorie man letztlich anhängt. Er referiert sodann die Grundzüge von Stieglers Theorie über die Zerstörung der Aufmerksamkeit durch Medien und Konsum, wobei er einräumt, diese sei tatsächlich "komplexer" als von ihm dargestellt. Seine Intention ist es freilich, die "bipolare Grundstruktur" dieses Buchs vor Augen zu führen. Das gelingt dem Rezensenten auch recht gut, wobei er schon den Eindruck vermittelt, dass an Stieglers Überlegungen auch etwas dran ist. Aber letztendlich, vom Standpunkt der dem "runden Allgemeinen" derartiger Theorien misstrauenden Lebenserfahrung und Lebenspraxis aus, sieht die Welt seines Erachtens doch etwas anders aus.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.04.2008

Sehr eingenommen ist Erich Hörl von Bernard Stieglers Untersuchung "Logik der Sorge". Er bedauert zwar die Kürzungen in der deutschen Ausgabe - vor allem vermisst er die Auseinandersetzung mit Michel Foucault -, aber auch in der gekürzten Version scheint ihm das Werk des französischen Philosophen eine wichtige Lektüre. Besonders geht er auf Stieglers "aufregende" Hauptthese von der Ablösung der Biomacht durch die Psychomacht ein, der es nicht mehr um die Körper der Bevölkerung für die Produktion geht, sondern um die Modellierung der Gehirne für den Konsum. Ausführlich widmet er sich anschließend Stieglers Analyse der "psychotechnologischen Mobilmachung der Kultur- und Programmindustrien", die die verfügbare Zeit der Gehirne besetzten, Aufmerksamkeit und Verantwortung zerstörten, die Gesellschaft in eine neue Unmündigkeit hineinführten, und hebt auch die hinter dieser Diagnose stehende komplexe "psychotechnische Gesellschaftstheorie" hervor.
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