Außer Atem: Das Berlinale Blog

Absolut nicht reinrassig: Wes Andersons "Isle of Dogs" (Wettbewerb)

Von Thekla Dannenberg
15.02.2018.


Als Wes Anderson vor vier Jahren mit seinem "Grand Hotel Budapest" die Berlinale eröffnete, bestäubte er das Festival mit Sternenstaub wie ein Zuckerbäcker die Geburtstagstorte. Selten herrschte so heitere Stimmung am Potsdamer Platz. Das dürfte ihm diesmal nicht so leicht gelingen. Die Zeiten sind andere. Und auch Andersons neuer Film "Isle of Dogs" ist politischer, düsterer, sein Humor grimmiger, die Welt dystopischer.

"Isle of Dog" ist wie schon der "Fantastische Mr. Fox" ein Animationsfilm in Stop-Motion, für den Hundertschaften von Puppen- und Modellbauer ein futuristisches Japan geschaffen haben, wie man es sich auch in den dreißiger Jahren nicht fremder und finsterer vorstellen konnte. Der ruchlose Kobayashi hat die Herrschaft in Megasaki an sich gerissen. Er entstammt einer Dynastie, deren Hundehass bis ins 10. Jahrhundert zurückreicht. Nun da sich Hundegrippe und Schnauzenfieber in der Stadt ausbreiten, verbannt er alle Hunde nach Trash Island, der großen Mülldeponie der Stadt.



Auf dieser Müllinsel fristen die verstoßenen Tiere ein klägliches Dasein. Krank und ausgehungert, geschwächt und deprimiert, traurig und wütend. Einige haben sich schon an ihrer Hundeleine erhängt. Andere schaffen es immerhin, mit einem anderen Rudel um eine Kiste Abfälle zu raufen, nur um gleich wieder in Mutlosigkeit zu verfallen. "Ich kenne Katzen, die haben mehr Eier als ihr", spottet Chief, der Streuner, über die verweichlichten Haushunde Boss und King, Rex und Duke. Man mag sie aber alle sofort.

Doch eines Tages landet der kleine Atari mit einem gekaperten Flugzeug auf der Insel. Er ist das zwölfjährige Mündel des allmächtigen Kobayashi, als Figur keineswegs einnehmend, und er sucht seinen Hund Spots, einen 1a-trainierten Wachhund, der ebenfalls ohne Gnade auf die Müllinsel verbannt wurde. Atari und das struppige Rudel der Ausgestoßenen schließen sich für eine große Such- und Rettungsmission zusammen, während in Megasaki die Schergen Kobayashis am Plan zur Abschaffung aller Hunde arbeiten.

Wie immer bei Anderson schnurren auch hier die Räderwerke: Auf der Insel setzten sich die Hunde in die Seilbahn und juckeln an Kanälen, Pipelines und Viadukten entlang und durch die große Anlage hindurch, die den Müll zerhäckselt, kompaktiert und verbrennt. In Megasaki werden Gehirne gewaschen, Räder geschmiert und Hundefänger auf die Spur gesetzt. Doch fallen die beiden Teile des Films ein wenig auseinander, und das nicht nur weil die Hunde - anders als die Japaner - Englisch sprechen. In der Geschichte der Hunde erzählt der Film, wie Anderson das so oft tut, von Mut, Loyalität und Freundschaft. Aber er erzählt auch von der Auflehnung gegen Zuschreibungen und Festlegungen: "Ich bin nicht wild", jault Chief, der Streuner, "ich weiß nicht, warum ich beiße". Und selbst wenn, könnte er sich nicht ändern? Er verliebt sich in die hübsche Nutmeg, die tolle Kunststücke kann, aber auch klug und selbstbewusst ist: "Ich wurde auf Schauhündin getrimmt, aber ich betrachte das nicht als meine Identität."



In den Szenen, die in Megasaki spielen, lässt Anderson dagegen seinem Faible für japanische Kunst freien Lauf - er eignet sie sich sogar fröhlich an. In das faschistoide Setting baut er in schön struppiger Mischung zarte Hunde-Kalligrafien, Holzschnitte à la Hokusai, Manga-Ästhetik, Referenzen an Akira Kurosawa und Hayao Miyazaki. Er variiert Ton und Stil, spielt mit Rhythmus und Stille, fährt japanische Trommler und Ringer auf und lässt Kabuki spielen. Atari bringt mit einem Haiku die Stadt zum Weinen: "Was ist passiert / Mit des Menschen bestem Freund? / Fallende Blüten." Zu Hilfe kommt ihm die Austausch-Schülerin Tracy, die man sich mit ihrem blondem Afro als neunmalkluge Zeichentrick-Mischung aus All American Girl, Black Panther und Wickie vorstellen muss.

Zur Berlinale bringt Anderson aber auch, das macht den Film natürlich besonders attraktiv für die Eröffnungsgala, eine Fußballmannschaft an Stars mit: Auf der Pressekonferenz witzelte Bill Murray, sie könnten "We are the World" singen und er wäre glücklich, wenn er eine Zeile abbekäme. Murray spricht Boss, Bryan Cranston Chief. Dabei sind auch die hinreißende Greta Gerwig (sie spricht Tracy) und die famose Tilda Swinton (die Oracle genannt wird, weil sie Fernsehen versteht). Auf die Frage, was das Schwierigste bei einem Animationsfilm sei, sagte Anderson: Die meisten Probleme sind eigentlich eher spaßig, die Puppe lächelt nicht genug, oder so. Man muss nur die Geschichte gefunden haben.

Isle of Dogs - Ataris Reise. Regie: Wes Anderson. Großbritannien / Deutschland 2018, 101 Minuten (Vorführtermine)