Außer Atem: Das Berlinale Blog

Trägt eine Maske: Mani Haghighis "Schwein" (Wettbewerb)

Von Anja Seeliger
21.02.2018.


Dieser Film will um jeden Preis eine Komödie sein, und das gelingt ihm auch. Mani Haghighi, nahe Teheran lebender Philosoph und Filmemacher, ist ein Spezialist fürs Absurde. 2006 stellte er für "Men at Work" vier Männer vor einen riesigen Felsbrocken und beobachtete ihre absurden Versuche, das Trumm aus dem Weg zu schaffen. 2013 schickte er in "Modest Reception" ein Paar mit Plastiktüten voller Geld durch die Gegend, das sie bereitwillig abgaben, sofern die Empfänger sich ihren sadistischen Spielchen unterwarfen. Und 2016 ließ er in "A Dragon Arrives!" zwei men in black im orangefarbenen Chevy einen fünfzig Jahre alten politischen Mord untersuchen.

Diesmal geht es um einen Filmemacher, Hasan, der seit acht Jahren nicht mehr drehen darf und sich mit Commercials über Wasser hält. Hasan ist beleidigt. In knielange Turnhosen und ein AC/DC T-Shirt bekleidet steht er bockig in der schicken Kunstgalerie. Kurz und stämmig, die wilden Locken von einem Haarband nur halb gebändigt, sieht er aus wie ein schmollender Waldschrat. Geliebte, Ehefrau und Tochter gehen langsam eigene Wege, während ein Mörder den bekanntesten Filmregisseuren des Landes den Kopf abschneidet und ihnen das Wort "Schwein" in die Stirn ritzt. Während er seine Geliebte beobachtet, die mit einem fremden Regisseur verhandelt und seine Tochter ihm erklärt, wie er sich den Reportern der New York Times gegenüber verhalten soll, wird ein weiterer toter Regisseur aufgefunden. Diesmal ist es der bekannte Haghighi.

Nur Hasan lebt weiter. Ist er nicht berühmt genug für den Mörder? "Das kommt schon noch", tröstet ihn Mama. "Das Beste kommt immer zuletzt."



Haghighi führt uns durch ein Teheran, in dem ein Mann seine nackten Waden zeigen kann, im knallroten Kleid auf eine Party gehen kann und Superreiche in einer Villa, auf die der Große Gatsby neidisch gewesen wäre, trinken und tanzen als gäbs im Iran keine Religionspolizei. Die Frauen tragen alle Kopftuch, doch halten sie die Dinge am Laufen - ob als Spezialistinnen für soziale Medien oder für den Umgang mit der Macht. Sie wissen, wie man sich im modernen Alltag behauptet.

Man kann diesen Film wirklich problemlos sehen, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachdenken zu müssen, dass er in einem Land spielt, in dem Menschen verschwinden und alle Kunst zensiert wird. Es gibt Slapstick, Rockmusik, psychedelische Halluzinationen, in denen als orangerote Küchenschaben verkleidete Schönheiten die Band abgeben, zu der Hasan Gitarre auf einem Tennisschläger spielt. Es gibt einen verständnisvollen Untersuchungsbeamten, der aussieht wie ein alt gewordener Hippie im Anzug. Es gibt sogar so etwas wie Splatter. Und Medienkritik, denn Hasan wird in sozialen Medien beschuldigt, der Mörder zu sein.

Kurz: dieser Film ist von allem etwas. Man kann ihn als Kritik am Staat lesen - oder auch als Verbeugung vor dem Staat. Man kann ihn als konservativ kritisieren (die Frauen nehmen nicht mal zu Hause das Kopftuch ab) oder auf seine geradezu westliche Hauptfigur verweisen. Der Killer, der anderen "Schwein" in die Stirn ritzt, trägt selbst eine Schweinemaske.

Der Film ist gewissermaßen ganz selbstverständlich, was viele Filmemacher in ihren Produktionsnotizen für diese Berlinale laut heraustellen: Er ist dies, aber auch das. Oder er ist nicht dies, aber auch nicht das. Grenzen verwischen tut er sowieso. Sehr clever und sehr zeitgenössisch.

Khook - Schwein. Regie: Mani Haghighi. Mit Hasan Majuni, Leila Hatami, Leili Rashidi, Parinaz Izadyar, Mina Jafarzadeh u.a. Iran 2018, 108 Minuten. (Vorführtermine)