Magazinrundschau

Das verletzliche Geschlecht

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
02.01.2019. Der New Yorker stellt das demokratische Gleichheitskonzept der Philosophin Elizabeth Anderson vor. Outlook India rührt an das Tabu der Menstruation. In New Republic erklärt Tavi Gevinson, warum ihr persönlicher Stil als Journalistin in eine Sackgasse führte. The Atlantic analysiert den Frauenhass der Rechtspopulisten. Legt der Brexit die Fehler im politischen System Britanniens bloß, fragt sich die London Review. Resident Advisor hört Techno aus Teheran.

New Yorker (USA), 07.01.2019

In der ersten Ausgabe des New Yorker im neuen Jahr macht uns Nathan Heller mit den Überlegungen der amerikanischen Philosophin Elizabeth Anderson zum Thema Egalität bekannt. Nicht um materielle Gleichheit geht es Anderson, sondern um demokratische: "Nach Andersons Ansicht geht es um den Übergang von der distributiven Gleichheit zu dem, was sie relationale oder demokratische Gleichheit nennt: eine Begegnung unter Gleichen, unabhängig davon, woher man kommt oder wohin man geht. Dies ist im Grunde die Ausübung von Freiheit... Um wirklich frei zu sein, müssen die Mitglieder einer Gesellschaft nach Andersons Einschätzung in der Lage sein, als Menschen zu funktionieren (Nahrung, Unterkunft, medizinische Versorgung), an der Produktion teilzunehmen (Bildung, angemessene Bezahlung, unternehmerische Möglichkeiten), ihre Rolle als Bürger wahrzunehmen (Rede- und Wahlfreiheit) und sich durch die Zivilgesellschaft zu bewegen (Parks, Restaurants, Arbeitsplätze, Märkte etc.). Verfechter des Egalitarismus sollten die politische Aufmerksamkeit auf Bereiche richten, in denen diese Ordnung zerstört ist. Obdachlosigkeit ist in jeder Hinsicht eine unfreie Situation; daher ist es Aufgabe einer freien Gesellschaft, dieses Problem zu lösen. Ein Gelähmter wird von der Zivilgesellschaft behindert, wenn Gebäude nicht mit Rampen ausgestattet sind. Andersons demokratisches Modell verlagert den Aufgabenbereich des Egalitarismus von der Idee des Wohlstandsausgleichs auf die Idee, dass Menschen unabhängig von ihren Unterschieden gleich frei sein sollen. Eine Gesellschaft, in der alle die gleichen materiellen Vorteile haben, kann in diesem entscheidenden Sinn immer noch ungleich sein; demokratische Gleichheit, die auf gleichem Respekt beruht, ist nichts, was man einfach beschließen kann. 'Der Mensch, nicht die Natur, ist dafür verantwortlich, die natürliche Vielfalt der Menschen in repressive Hierarchien verwandelt zu haben', schreibt Anderson."

Außerdem: Lauren Collins stellt die irische Schriftstellerin Sally Rooney und ihre um Liebe im Spätkapitalismus kreisenden Geschichten vor. David Sedaris denkt darüber nach, was nach der Lebensmitte kommt. Und Anthony Lane sieht im Kino Jon S. Bairds Biopic über Stan und Ollie.
Archiv: New Yorker

The Atlantic (USA), 01.03.2019

Was eint die Rechtspopulisten auf der ganzen Welt? Ihr Rassismus? Kann man zum Beispiel von Rodrigo Duterte nicht sagen. Der Kampf gegen Ungleichheit und Globalisierung? Dann hätten die Polen nie rechts gewählt. Nein, die Rechtspopulisten - von Bolsonaro, über Trump, Duterte bis Victor Orban und Matteo Salvini - haben nur eins gemeinsam, meint Peter Beinart: den Kampf gegen Frauen. Dazu gehört ganz wesentlich die Verschärfung oder Abschaffung des Rechts auf Abtreibung und die öffentliche Verächtlichmachung - bis hin zu offenen Vergewaltigungsdrohungen - von Konkurrentinnen (Duterte forderte seine Soldaten gar auf, weibliche Rebellen "in die Vagina" zu schießen, das würde sie "nutzlos" machen.) "Langfristig erfordert ein Sieg über die neuen Autoritäten mehr als nur die politische Stärkung von Frauen. Er erfordert eine Normalisierung ihrer Ermächtigung, damit Autokraten weibliche Führer und Demonstranten nicht zu Symbolen politischer Perversität machen können. Und er erfordert die Auseinandersetzung mit dem tiefer liegenden Grund, warum viele Männer - und einige Frauen - die politische Macht von Frauen als unnatürlich ansehen: weil sie die Hierarchie, die sie zu Hause sehen, untergräbt. "'Der erste [Geschlechts-]Unterschied, den Individuen bemerken', sagte die Politologin Valerie Hudson mir, 'ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern im eigenen Haus. Das schafft die erste politische Ordnung, wie die Dinge natürlicherweise geregelt sein sollten.' Es ist daher nicht verwunderlich, dass Autoritäten oft erfolgreich sind, wenn Frauen - insbesondere feministische Frauen - die männliche Dominanz des öffentlichen Lebens in Ländern bedrohen, in denen Männer noch immer im privaten Bereich das Sagen haben."

Außerdem: Dahlia Lithwick liest Jane Sherrons Biografie der amerikanischen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg, die zeige, dass man kein Gangster sein muss, um Dinge zu ändern. Und Stephen Metcalf fragt: Warum ist Andy Warhol immer noch so berühmt?
Archiv: The Atlantic

Outlook India (Indien), 14.01.2019

Seit das Oberste Gericht in Indien verfügt hat, dass Frauen jeden Alters in Zukunft den Sabarimala-Tempel betreten dürfen, gab es - teilweise gewalttätige - Proteste dagegen. Ursprünglich hatten Frauen im "menstruationsfähigen Alter" von zehn bis fünfzig Jahren dem Ort fernbleiben müssen, weil Menstruation in Indien als unrein gilt - Grund genug für Outlook India die Menstruation zum Titelthema ihres neuen Heftes zu machen. Über dieses Thema darf nicht mehr geschwiegen werden, fordert Martand Badoni. Nirgendwo mehr, denn Indien ist mit seinem Tabu nicht allein. "Die erste auffällige 'Detonation' kam eher harmlos im März 2015 mit einem Instagram-Upload durch die indischstämmige kanadische Dichterin Rupi Kaur. Ein Foto aus ihrer Serie 'Period', das Flecken von Menstruationsblut auf der Kleidung einer Frau und auf dem Bettlaken darstellte, wurde von Instagram zweimal entfernt, weil es angeblich gegen die Gemeinschaftsstandards verstieß, die sich im Allgemeinen auf Nacktheit, Blut und Gewalt beziehen. Damals erkannten die Menschen, dass das Menstruationstabu sogar auf dieser visuellen Plattform für die Generation Z existierte. Das Unvermeidliche geschah: Das Schweigen selbst erzeugte einen lauten Ton. Nach kritischen Schlagzeilen stellte Instagram das Bild wieder her, mit einer Entschuldigung an Kaur. Das Bild ist seitdem viral geworden, hat sich auf Ted-Gespräche, Zeitschriften und Blogs ausgeweitet und wurde zu einer Internet-Fußnote zu diesem Thema."

Es ist seltsam, dass auch Frauen gegen das Betreten des Tempels protestieren, meint Nalini Natarajan, aber dann auch wieder nicht. "Es stellt sich nämlich auch die Frage: Ist die Menstruation ein heiliger Zustand (Matriarchat) oder ein beschämender Zustand (Patriarchat)? Beide Male werden Frauen gemieden, aber aus unterschiedlichen Gründen. Und die Frage des Zugangs zu Tempeln nimmt zwischen diesen beiden Ansätzen eine merkwürdige Position ein." Doch letztlich, meint Natarajan, ist das eigentlich Problem sowohl in Matriarchaten als auch in Patriarchaten die Vorstellung, dass Männer das verletzliche Geschlecht sind, das entweder vor den heiligen oder den schändlichen Aspekten der Menstruation geschützt werden muss (egal, was das für die weibliche Psyche bedeutet). Das ist zutiefst ironisch angesichts der Gewalt, die Männer gegen Frauen ausüben. Männer sollten aufhören, Frauen für ihre eigenen Schwächen zu bestrafen. Einen natürlichen, biologischen weiblichen Zustand als verschmutzt zu verdammen, während Männer alle möglichen wirklich transgressiven, tabuisierten Aktivitäten durchführen, unterstreicht die Ironie."
Archiv: Outlook India

New Republic (USA), 05.12.2018

2010 erfuhr die breitere Öffentlichkeit erstmals von einer unfassbar coolen und eigensinnigen 14-jährigen Modebloggerin, die seit zwei Jahren aus einem Vorort von Chicago sehr persönlich über Mode und bald zunehmend auch über feministische und popkulturelle Themen schrieb: Tavi Gevinson (hier ist sie 2010 an der Seite von Karl Lagerfeld). Ein Jahr später gründete Gevinson das online-Jugendmagazin Rookie, das vor allem Mädchen gewidmet war: eine Mischung aus high and low und dabei absolut 21. Jahrhundert. Im November 2018 verkündete Gevinson, jetzt 22 Jahre alt, das Ende des Magazins - zuviel hat sich in den sechs Jahren seiner Existenz verändert, erklärt sie Josephine Livingstone. Aus einer genuinen Person war eine genuine Marke geworden, die sie hätte ausbeuten müssen, um finanziell über die Runden zu kommen: "Bei Rookie zeigte sich die Verbindung von Künstler und Marke nicht nur in der ausgeprägten visuellen Attraktivität des Magazins - oft collageartig, wie die Schlafzimmerwand eines Teenagers - sondern auch in der Sprache. Die Kolumnistinnen nahmen die existenziellen Fragen ihrer Leserinnen sehr ernst, konnten aber auch lustig über Hüte schreiben. Diese Mischung aus Aufrichtigkeit und Off-Kilter-Humor war ein Beispiel für das Beste der Internet-Mundart Mitte der zehner Jahre, und die Sensibilität der Website wurde Gevinson selbst zugeschrieben. Aber eine authentische Stimme ist sehr gefragt im heutigen Verlagswesen, wo native advertising und Lifestyle-Branding sehr eng und manchmal unmerklich mit herzlichen Essays von Frauen jeden Alters verbunden sein können. Das kann missionsgesteuerten Journalismus in Marketing verwandeln. 'Es gab die Möglichkeit, [Rookie] ganz neu zu denken, wie eine Mentoring-App oder so', sagt Gevinson. 'Oder es zu erweitern, wie es war, und das hätte Events, Merchandise, viel mehr Inhalt und mehr Bücher mit sich gebracht.' Es gibt Publikationen da draußen mit Geschäftsmodellen, die für Rookie hätten funktionieren können, sagt Gevinson. Aber sie hatte kein Interesse daran, Rookie zu einer 'riesigen, facettenreichen Marke' zu machen. Einer Lifestyle-Marke."
Archiv: New Republic

168 ora (Ungarn), 17.12.2018

Der Lyriker und Dramatiker Balázs Szálinger spricht mit Sándor Szénási unter anderem über die Rolle der Intellektuellen im gegenwärtigen Ungarn. "Die Situation ist so, dass ich meine Meinung heute eher in Gedichten als in Erklärungen oder Online-Posts ausdrücke. Freilich gibt es Ausnahmen: etwa die Aktion von Virág Erdős vor dem Inkrafttreten des Obdachlosengesetzes, als fünfzig Schriftsteller und Dichter jeweils einen ihrer Sätze als Protest vor dem Parlament auf einem Transparent hoch hielten. Ich schrieb auch einen Satz. Aber es ist besser, wenn meine Positionierung innerhalb des literarischen Texts bleibt. Neben den in den Werken formulierten Dingen habe ich für den Leser eigentlich keine weiteren Botschaften, als Privatperson versuche ich mich zu benehmen und in Würde zu existieren."
Archiv: 168 ora

Gentlemen's Quarterly (USA), 19.12.2018

In Zeiten des Internets leiden Zeitungen nicht nur unter großen Einnahmeverlusten, sie werden auch anfälliger für Angriffe beleidigter Politiker. Einen solchen Fall beschreibt Zach Baron am Beispiel der kalifornischen Lokalzeitung Fresno Bee, die es wiederholt gewagt hatte, den lokalen republikanischen Kongressabgeordneten Devin Nunes zu kritisieren. Im Frühjahr 2018 machte Nunes klar, dass er unter gar keinen Umständen mehr mit Reportern des Bee sprechen würde, im Sommer dann schaltete er im Rundfunk Attacken auf den Bee als bezahlte Anzeigen. "Bald begann Nunes auch im Fernsehen Anzeigen zu schalten, in denen er behauptete, der Bee arbeite mit 'radikalen linken Gruppen zusammen, um Fake News über ihn zu verbreiten' und er beschuldigte Reporter des Bee, 'um seine Nachbarn und die Häuser seiner Verwandten herumzuschleichen'. Im Juni antwortete der Bee mit einem Leitartikel unter der Überschrift: 'Die echte Fake News ist Devin Nunes' Anzeige über den Bee.' Dann, eines Tages im September, landete ein Hochglanz-Magazin in vielen Briefkästen der Wähler von Nunes: 38 Seiten im Stil eines Boulevardblatts, das vorgab, 'die schmutzigen kleinen Geheimnisse der Propagandamaschine des Tals' zu kennen'. Auf der Rückseite war die Fresno-Biene als rostiges, sinkendes Schiff abgebildet, umgeben von ertrinkenden Cartoon-Bienen, die Plakate hochhielten, auf denen SOZIALISMUS stand und WIDERSTAND." Man könnte das abtun, so Baron, wäre das ganze Klima derzeit nicht so vergiftet: Im Juni 2018 wurden fünf Journalisten im Newsroom der Capital Gazette ermordet, und CNN hat für seine Berichterstattung mehrfach Bombendrohungen erhalten, während Donald Trump öffentlich Journalisten als "Feinde des Volks" beschimpft.

La vie des idees (Frankreich), 28.12.2018

Nicht, dass das Thema nicht ein bisschen abgenudelt wäre: das Paris der Existenzialisten. Aber vielleicht mag es auch anregend sein, einen neuen Blick auf das letzte Jahrzehnt zu werfen, in dem Pop noch nicht existierte und die Impulse noch von Paris ausgingen. Ohne die Existenzialisten wäre das Folgende schließlich auch nicht möglich gewesen. Adèle Cassigneul ist begeistert von Agnès Poiriers Buch "Left Bank - Art, Passion, and the Rebirth of Paris 1940-50", das die Stadt in bester angelsächsischer Erzähltradition lebendig mache: "Sie leben in engen Hotelzimmern und weisen sämtlich die Institution der Familie  und Ehe (Anhäufung von Besitz und Kindern) zurück. Man ist erstaunt, mit welcher Entschiedenheit sie Abtreibung befürworten, vor allem Sartre, der in den Temps modernes offen darüber spricht und viele damals noch illegale Abtreibungen finanziert. Agnès Poirier zeigt die Verbindungen zwischen den Protagonisten und die sexuelle Offenheit, die ihre Beziehungen prägte. Das ging nicht ohne Schmerz und Heuchelei ab (die Männer waren oft verheiratete, hatten Kinder und sammelten gleichzeitig Mätressen). Und auch nicht ohne Kritik. Die Kommunisten liebten es, die 'bourgeoise Dekadenz' der Existenzialisten anzuprangern."

London Review of Books (UK), 02.01.2019

Sind die Briten so zerstritten, weil die Brexit-Verhandlungen so verfahren sind, oder ist es genau umgekehrt?, fragt David Runciman und blickt auf die politische Kräfte, die sich gegenseitig in London lahmlegen: "Zeigt der Brexit die Grenzen dessen, was politisch möglich ist? Vielleicht. Aber es kommt trotzdem darauf an, ob die Grenzen durch das Ziel bestimmt wurden - den Austritt aus der EU - oder durch die Mittel, die wir zu seinem Erreichen anwenden können. Wenn es einer Nation einfach nicht möglich sein sollte, eine internationale Organisation zu verlassen, mit der ihr Recht und ihre Wirtschaft seit vierzig Jahren so eng verwoben sind, dann besteht hierin die Lektion für alle größeren Demokratien im 21. Jahrhundert: Ihr seid nicht so souverän, wie Ihr glaubt. Das ist sicher auch die Lehre, die viele europäische Politiker ihre Wähler am liebsten aus dem Brexit-Fiasko ziehen lassen würden. Aber wenn es eher eine Geschichte unglücklicher Geschicke sein sollte als eine der unvermeidlichen Enttäuschungen, dann sollte ihre Moral aus etwas anderem bestehen: Nicht dass man einen Brexit lassen sollte, sondern dass man Politik nicht auf britische Art betreiben sollte. Dieses System - parlamentarische Souveränität, eine starke Exekutive, Mehrheitswahlrecht, keine kodifizierte Verfassung und deshalb ein Referendum aus einer Laune heraus - ist dafür geschaffen, Entscheidungen zu vereinfachen. Wenn wir zu keiner kommen können, dann ist vielleicht etwas falsch mit dem ganzen Setup. Politische Realisten sagen, wer einen Zweck will, muss die Mittel dafür wollen. Uns fehlen die Mittel, die Mittel zu wollen."

Außerdem lässt die London Review Autoren aus ganz Europa zu Wort kommen, die kurz resümieren, wie ihre jeweiligen Ländern auf den Brexit blicken. Etwa einen recht sarkastischen Kommentar von Dubravka Ugresic: "Kroatien hat wahrscheinlich mehr Erfahrung als andere Länder beim Betreten und Verlassen von Allianzen."

Resident Advisor (USA), 08.12.2018

Tom Faber ist nach Teheran gereist, um einen ausführlichen und sehr informativen Einblick in die sehr lebendige Szene elektronischer und Technomusik im Iran zu geben. Diese Szene ist international bestens vernetzt. Unter anderem schreibt Faber über das Teheraner SET-Festival, das unter anderem auch mit dem Berliner CTM-Festival kooperiert. Eine der Hauptfiguren in Fabers Artikel ist Ata Ebtekar, der in Hamburg geboren ist und lange Zeit in Amerika lebte. Nach seiner Rückkehr nach Teheran wurde der Musiker und Produzent zum Mentor der entstehenden Szene in Teheran. Das SET-Festival, so Faber, arrangiert sich mit den politischen Gegebenheiten, um überhaupt stattfinden zu können. Das heißt nicht, dass man nicht sehr starken Einschränkungen ausgesetzt ist: "Ebtekar gründete vor kurzem das Label Zabte Sote, das iranischen Sound-Künstlern gewidmet ist und eine Kompilation mit 42 Stücken herausbrachte, die große Vielfalt und Talent beweisen. Hätte er sie im Iran herausbringen wollen, hätte er sie zwei getrennten Regierungskomitees vorlegen müssen, um nachzuweisen, dass Musik und Text 'moralisch' sind (elektronische Musik ohne Text passiert die Netze der Zensoren einfacher). Dieser Prozess kann zwei Monate in Anspruch nehmen, und danach ist es kaum möglich für einen Vertrieb im Ausland zu sorgen. Aus diesem Grund tat sich Ebtekar mit Stephen Bishop vom Label Opal Tapes zusammen, um physische Kopien zu erstellen, die er aber im Iran nicht verkaufen kann."

Die Musik klingt oft erstaunlich experimentell und melancholisch, wohl auch, weil ein gemischtes Publikum nicht zu ihr tanzen darf, so dass sie eher für ein zuhörendes Publikum gemacht wird. Eines der Teams, das Faber vorstellt ist 9t Antiope um Nima Aghiani und Sara Bigdeli Shamloo (die heute allerdings in Paris leben).


Elet es Irodalom (Ungarn), 02.01.2019

Das Budapester Ethnografische Museum wird nach Plänen der Regierung 2019 in einen architektonisch ambitionierten Neubau umziehen. Der Medienwissenschaftler Péter György denkt über die Auswirkungen des Umzugs auf die Konzeptionen des neuen Museums sowie des Nationalmuseums nach: "Die heutige ständige Ausstellung des Nationalmuseums ist mittlerweile kaum mehr interpretierbar: die Geschichte der Nation und die des Volkes, also die Geschichte der Gesellschaft können nicht zweigeteilt und in zwei voneinander unabhängigen Gebäuden gezeigt werden. (...) Die Konzeption des neuen Ethnografischen Museums wird Auswirkungen auf die Konzeption des Nationalmuseums haben. (...) Wenn die Erzählung des Nationalmuseums irgendetwas mit der ungarischen Geschichte zu tun haben soll und nicht lediglich als Diener der aktuellen politischen Identitätsstiftung fungieren will, wird der Begriff  des Nationalstaates zu ernsthaften Problemen führen."

New York Times (USA), 27.12.2018

Für einen aktuellen Beitrag der New York Times ackert sich Max Fisher durch rund 1400 geleakte Seiten aus einer Gebrauchsanleitung für Facebook-Moderatoren, die das Unternehmen als Reaktion auf Vorwürfe aufsetzte, Misstrauen, Hass und Gewalt in der Welt zu schüren: "FB-Mitarbeiter, meist junge Ingenieure und Juristen, versuchen, hochkomplexe Sachverhalte in ein schlichtes Ja-oder-Nein-Schema zu fassen. Einen Großteil der eigentlichen Post-by-post-Moderation übergibt Facebook an Unternehmen, die überwiegend ungelernte Arbeitskräfte beschäftigen, viele davon aus Call-Centern. Diese Moderatoren, die sich oft auf Google Translate verlassen, haben nur wenige Sekunden Zeit, um sich an unzählige Regeln zu erinnern und sie auf Hunderte von Beiträgen anzuwenden, die jeden Tag auf ihren Bildschirmen landen. Wann ist ein Hinweis auf 'Dschihad' verboten? Wann ist ein weinendes Emoji eine Warnung? Die Moderatoren sind frustriert von Regeln, die nicht immer Sinn machen, und die sie mitunter dazu zwingen, Beiträge unangetastet zu lassen, die zu Gewalt führen könnten. 'Du fühlst dich, als hättest du jemanden getötet, weil du nicht gehandelt hast', erklärt ein anonymer Mitarbeiter. Facebook erklärt, es arbeite daran, die Plattform von gefährlichen Beiträgen zu säubern … Die neuen Richtlinien wirken nicht wie ein Handbuch zur Regulierung der Weltpolitik. Sie bestehen aus Dutzenden unorganisierter PowerPoint-Präsentationen und Excel-Tabellen mit bürokratischen Titeln wie 'Western Balkans Hate Orgs and Figures' … Die Richtlinien zur Identifizierung von Hassreden, ein berüchtigtes Problem bei Facebook, sind nichts weiter als ein Haufen von vor Fachjargon strotzender Gedankenblitze. Moderatoren müssen einen Beitrag in eine von drei Schweregraden einteilen und nach Kategorien Ausschau halten, wie 'entmenschlichende Vergleiche', darunter der Vergleich von Juden mit Ratten."

Und in einem Dossier des Magazins der Times über Menschen des Jahres 2018 porträtiert Matthew Desmond die im Kampf gegen Rassendiskriminierung engagierte Soziologin Devah Pager. Und Carlo Rotella erinnert an den Blues-Musiker Otis Rush.
Archiv: New York Times