Vom Nachttisch geräumt

Preisstabilität

Von Arno Widmann
14.05.2019. 14 Lämmer für Walter Kriegs "Materialien zu einer Entwicklungs- geschichte der Bücher-Preise und des Autoren-Honorars".
In einem buchgeschichtlichen Klassiker, im längst vergriffenen Buch von Walter Krieg "Materialien zu einer Entwicklungsgeschichte des Autorenhonorars und der Bücherpreise" aus dem Jahre 1953 stieß ich auf einen hochinteressanten Hinweis. Zunächst führt der Autor eine Reihe von überlieferten Preisen für frühe Drucke an. Woher er die kennt? Auf der letzten Seite zum Beispiel  eines Exemplars des Sentenzenkommentars von Duns Scotus in der Pariser Bibliothèque Nationale findet sich folgender Vermerk : "Ich, Peter Schoeffer, Buchdrucker in Mainz, bekenne, von dem ehrwürdigen Herrn Johann Henrici, Cantor in Paris drei Taler als Preis dieses Buches erhalten zu haben, was ich eigenhändig bekräftige." Das hilft schon mal. Aber hilft es weiter? Wie gut, dass auch überliefert ist, dass für eine Ausgabe von Reuchlins Vocabularius 2 Gulden 80 gezahlt wurden. Auf Klosterneuburg haben sich nämlich Rechnungsbücher erhalten, so dass man leicht feststellen kann, was man für 2 Gulden 80 sonst noch kaufen konnte. Naja, so leicht ist denn doch nicht, denn, so klärt uns Krieg auf, ist "die Geschichte der niederösterreichischen Getreidemaße bis hinein ins 16. Jahrhundert in vollständiges Dunkel gehüllt." Ein Kilo ist nicht immer ein Kilo und ein Pfund ist beileibe nicht immer ein halbes Kilo. Sieht man über diese Unwägbarkeiten hinweg, kommt man zu dem Ergebnis, dass der Reuchlin-Band 40 Hühner oder 20 Gänse wert war. 392 Kilo Salz oder 300 Heringe. Aber die Buchhändler wollten nur Bares. Das war rar.

Dennoch: der Buchdruck senkte die Preise gewaltig. Für einen großen Pergamentband waren oft 200 bis 400 Lamm- oder Kalbfelle nötig gewesen. Während man für den freilich auch deutlich schmaleren Reuchlin-Band nicht mehr als den Gegenwert von 14 Lämmern hinlegen musste.

Am Ende dieser Überlegungen schreibt Walter Krieg - und das ist doch einigermaßen verblüffend: "1912 wurde eine schöne Inkunable, die 1482 gewiss nicht teurer war als unser Vocabularius, in den Katalogen der Antiquare mit 160 bis 200 Mark angeboten. Vor dem ersten Weltkriege bekam man für diesen Betrag aber ebenfalls 175 Liter Wein, 2250 Eier haben auch nicht mehr gekostet und Gewürze waren inzwischen viel billiger geworden, während zum Beispiel ein einfacher Tagelöhner in 11 Wochen auch kaum eine größere Summe auf die Hand bekam als etwa 180 Mark, denn die Spanne, um die sein Lohn tatsächlich höher gelautet hat, ist als Steuer und für Versicherungsbeiträge draufgegangen. Dinge, die 1482 wenigstens für ihn noch nicht erfunden waren."

Walter Krieg, Materialien zu einer Entwicklungsgeschichte der Bücher-Preise und des Autoren-Honorars vom 15. bis zum 20. Jahrhundert. Nebst einem Anhange Kleine Notizen zur Auflagengeschichte der Bücher im 15. und 16. Jahrhundert, Herbert Stubenrauch Verlagsbuchhandlung, Wien, Bad Bocklet/Mainfranken, Zürich 1953.