Adolf Endler

Nebbich

Eine deutsche Karriere
Cover: Nebbich
Wallstein Verlag, Göttingen 2005
ISBN 9783892448396
Gebunden, 290 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

"Ich lese ganz gern in Autobiographien", bekennt Adolf Endler, "aber glaube ich ihnen? ... Ne, ne ne, daß zumal ein Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts in befriedigender Weise in der Lage sein könnte, seine Biographie zu erzählen", hält Endler für ganz und gar unmöglich. Und wenn er hier mit "Nebbich" ein Buch präsentiert, das er ausdrücklich als Autobiographie versteht, so liegt auf der Hand, daß es sich nicht um die brave Darstellung des eigenen Lebens in chronologischer Folge zu einem der Vollkommenheit nahen Ende hin handeln kann. Endlers »Autobiographie aus Splittern« ist, wie wir es schon für einen begrenzten Zeitabschnitt in "Tarzan am Prenzlauer Berg" kennengelernt haben, montiert aus Tagebuchnotizen und zeitkritischen Glossen, bös-sarkastischen Zitat-Collagen, essayistischen Porträts von Zeitgenossen und Kollegen und erzählerischen Fragmenten nicht selten phantasmagorischen Charakters.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.06.2005

Die DDR war der Resonanzraum von Adolf Endlers Prosa, befindet Sieglinde Geisel. Nicht, dass sie oder der Autor sie wiederhaben wollen, und wirklich von vielen gehört wurde, was Endler so schrieb, ja auch damals nur in den Nischen des Prenzlauer Bergs, wo in Hinterhofwohnungen eine dichterische Parallelgesellschaft zur offiziellen Verbandsschriftstellerei existierte. Doch eben diese Orte sind es, die - wenn schon nicht mehr als reale, so doch als Erinnerungsorte - dem "sprachlichen Furor" von Endler seine Wirkkraft verleihen. Da kann die Rezensentin richtig ins Schwärmen geraten: über die einzigartig "gedrechselten Tiraden", über die "Beschwörung von Abgrund, Delirium und Verfall", über die Sensibilität Endlers für Dialekt und Idiomatik. Doch die autobiografisch verankerten Texte in "Nebbich", Endlers "Familienalbum im Zerrspiegel", gehen über das Ende der DDR hinaus - und im neuen Ostdeutschland, so Geisel, ist ihm irgendwie sein Gegenstand abhanden gekommen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.06.2005

"Nebbich" ist ein Abfallprodukt, verkündet Martin Lüdke keineswegs abfällig. Es stammt aus den Schubladen und Papierkörben des Ostberliner Schriftstellers und Bohemiens Adolf Endler, der wohl auf Bitten seines Verlages - "ohne Ansehen inhallticher oder formaler Bedenken", vermutet Lüdke - alles hervorgekramt haben muss, was mehr als drei Zeilen betrug. Ein seltsames Sammelsurium, mit dem der Leser erstmal nicht viel anfangen kann, gibt der Rezensent zu, dem es ebenso ergangen ist, bis allerdings - Wochen später erst - die Erleuchtung, die Erkenntnis einsetzte. Endlers Aufzeichnungen ergeben nämlich im nachhinein wohl ein schlüssiges und einprägsames Bild jener Literatenszene vom Prenzlauer Berg, meint Lüdke, wo man noch die Einheit von Kunst und Leben erprobte, allen voran Adolf Endler, und vom Staat ungeheuer ernst genommen wurde. So gesehen gewinne "Nebbich" geradezu "Lehrbuchcharakter", weil es diese Szene von innen beleuchte. Die Texte für sich könnten kaum allein bestehen, mutmaßt Lüdke, die Mischung mache es.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2005

Schwer enttäuscht, ja persönlich getroffen sinkt Fritz J. Raddatz angesichts dieses "Zettelkastens zwischen Leinenimitat", den Adolf Endler da zusammengestellt hat, zu Boden. Einzig und allein die wenigen Passagen, in denen Endler ansetzt, seine Biografie zu erzählen, hält Raddatz für "glänzend gelungen", sowohl inhaltlich - hier entsteht nebenbei das "Panorama einer Gesellschaft" - als auch stilistisch - Endler testet hier "durchaus souverän" verschiedene Ausdrucksmittel. Ansonsten aber überzeugt Endler den Kritiker in keiner der beiden Kategorien. Das Buch sei im Großen und Ganzen ein "Sammelsurium von winzigen, fast immer belanglosen Beobachtungen", schimpft Raddatz, die eingestreuten Gedichte allerhöchstens "mäßig", die Namenserwähnungen unmotiviert und "unzusammenhängend". Das alles wird "so lieblos - und stillos - aneinandergepappt", die Grammatik mit dichtgedrängten "Wie"-Vergleichen geschändet oder Sätze gebaut, die "knarzen und grinden". Endler scheint das egal zu sein, notiert der entsetzte Rezensent, der mitansehen muss, wie der Autor mit einem entschuldigenden "...wenn ich es mal so einfach ausdrücken darf" den "Schwebebalken Sprache gleich selber in die Rumpelecke" feuert. Nein, hier spürt Raddatz gar nichts, er kennt einen vormals geschätzten Autoren nicht wieder und kann nur noch fassungslos notieren: Was er nun mit diesen zusammengefegten Krümeln überhaupt will, bleibt sein Geheimnis."