Aris Fioretos

Nelly B.s Herz

Roman
Cover: Nelly B.s Herz
Carl Hanser Verlag, München 2020
ISBN 9783446265608
Gebunden, 336 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Schwedischen von Paul Berf.  Aris Fioretos erzählt in seinem neuen Roman die Geschichte einer deutschen Flugpionierin im Berlin der zwanziger Jahre: Als der Arzt Nelly B. eröffnet, dass sie wegen eines Herzleidens nicht mehr fliegen darf, bricht für sie eine Welt zusammen. Als erste Frau in Deutschland hat sie den Pilotenschein gemacht und mit ihrem Mann eine Flugschule geleitet. Sie verlässt Paul, findet eine Stelle bei BMW, wo sie Motorräder verkauft, nimmt Quartier bei einer Berliner Zimmerwirtin und trifft die viel jüngere Irma, in die sie sich rettungslos verliebt. Aris Fioretos erzählt die Geschichte einer modernen, emanzipierten Frau und einer großen, tragischen Liebe.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.07.2020

"Großes Kino", jubelt Rezensentin Rose-Maria Gropp über diesen Roman, den sie schon auf der Leinwand sieht. Die lose auf dem Schicksal der Flugpionierin Melli Beese basierende Geschichte um die herzkranke Nelly, die sich den Traum vom Fliegen ebenso erfüllt wie sie sich viele ihr als Frau in den zwanziger Jahren plötzlich zur Verfügung stehende Freiheiten nimmt, besticht vor allem durch Firoetos' Sprache, meint die Kritikerin, die hier so schöne Worte wie "Sonnenschaum" mitnimmt. Aber auch die Story über den Rausch des Fliegens und Nelly B.s Affäre mit der wesentlich jüngeren Irma reißen Gropp mit: Dass die ein oder andere Passage da mal ein wenig "kitschig" gerät, verzeiht die Rezensentin diesem Roman, der ihr in den besten Momenten "Rock'n'Roll" verspricht und darüber hinaus unter die Oberfläche einer misogynen Gesellschaft blickt, gern.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.03.2020

Rezensentin Claudia Tieschky hätte Aris Fioretos' Roman lieber als reine "literarische Fantasie" gelesen, ohne die Bezüge zur Flugpionierin Melli Beese. Dann hätte sie das Buch ganz unbefangen lesen können, fasziniert vom Leuchten der Erzählung und dem Berlin der Zwanziger, den geschmeidigen Bildern, den vielen Erfindungen und verliebt in Heldin Nelly und ihr glänzend gezeichnetes Innenleben, fährt die Kritikerin fort. So aber spukt die echte Melli der Leserin immer im Hinterkopf herum, vor allem weil Fioretos sich nie ganz von deren Biografie befreien kann: Selbst wenn seine Heldin über Suizid sinniert, lässt der Autor sie im gleichen Atemzug nochmal schnell über technische Entwicklungen nachdenken, seufzt Tieschky. Das nimmt der Erzählung einiges an Schwebekraft, schließt sie.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.02.2020

Martin Oehlen liest Aris Fioretos' an das Leben der Pilotin Melli Beese angelehnte Liebesgeschichte zweier Frauen im Berlin der zwanziger Jahre mit Sinn für die gewählte weibliche Perspektive, Fioretos' "psychologische Sensibilität" und seine ausgesuchte Sprache. Mitunter bedauert es der Rezensent, dass der Autor sich so lange mit dem "Beziehungsstatus" aufhält und den Fortgang der Story sowie das Potenzial des Themas Frau in einer Männerwelt etwas vernachlässigt. Insgesamt jedoch überzeugt ihn der "Roman einer emanzipierten Frau".

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 15.02.2020

Auch wenn Aris Fioretos sich für seinen Roman an der Geschichte der historischen Flugpionierin Melli Beese orientiert hat, die 1911 als erste deutsche Frau eine Fluglizenz erwarb und auch noch in verschiedenen anderen Männerdomänen reüssierte, bevor sie verarmte und Selbstmord beging, hat der Autor kein biografisches Buch geschrieben, erklärt Rezensentin Christel Wester. Fioretis hat gerade die Leerstellen in Beeses Leben kreativ ausgefüllt und sie zu einer Frau gemacht, die dem Rausch in all seinen Formen hinterherjagte: dem Drogenrausch im ausgelassenen Berlin der Zwanziger, dem Geschwindigkeitsrausch beim Fliegen und dem Liebesrausch mit einer vom Autor erfundenen Geliebten, erzählt die Kritikerin. Dabei schildert der Autor die Aventüren seiner Protagonistin alles andere als abgeschmackt, versichert Wester. Im Gegenteil trifft er mit seiner Schilderung einer Frau "zwischen höchster Euphorie und tiefster Depression" perfekt die Stimmung der derzeit so beliebten Epoche, wie sie findet.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 13.02.2020

Rezensentin Dorothea Westphal ist absolut hingerissen von Aris Fioretos Roman über Nelly B. - die erste fiktive Pilotin Deutschlands. Fioreto zeigt ihr damit, wie glaubhaft er sich mit seinen weiblichen Hauptprotagonistinnen identifizieren kann. Nachdem Nelly und ihr Mann die kleine Flugschule in Johannistal aus finanziellen Gründen schließen müssen, zieht sie in die Stadt und nimmt einen Job bei BMW an, wo sie das erste Mal auf die vierzehn Jahre jüngere Irma trifft. Einfühlsam und poetisch, mit Rückblenden und Tempuswechsel  beschreibt Fioreto die Beziehung, die sich zwischen den beiden lebenshungrigen Frauen entwickelt, lobt Westphal. Eine eindeutige Leseempfehlung.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 05.02.2020

Carsten Otte hält Aris Fioretos für einen klugen und eleganten Romancier. Der vorliegende Text um die Berliner Flugpionierin Melli Beese beweist das laut Otte, indem er die 1920er einmal nicht als güldene Ära zeigt, sondern als ganz unmythische Zeit politischer Umbrüche, erzählt in subtiler Weise, unterhaltsam und ausgewogen und in ruhiger Prosa, trotz aller Erschütterungen, so Otte. Sowohl mit den Haupt- als auch mit den Nebensträngen nimmt ihn die Handlung gefangen durch fantastische Rollenprosa, dem drohenden Kitsch gekonnt entrinnende Metaphorik und Motivik sowie glaubhafte Charaktere. Biografische Literatur auf hohem Niveau, jubelt der Rezensent.