Isabela Figueiredo

Roter Staub

Mosambik am Ende der Kolonialzeit. Erinnerungen
Cover: Roter Staub
Weidle Verlag, Bonn 2019
ISBN 9783938803943
Gebunden, 172 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Aus dem Portugiesischen von Markus Sahr. Mit einem Nachwort von Sophie Sumburane. Diese Erinnerungen an das Mosambik der Kolonialzeit konnten erst 2009 erscheinen, nach dem Tod des Vaters der Autorin. Das Buch war sofort ein Skandal und ein Bestseller dazu, bislang erlebte es neun Auflagen. Und stellte einen Tabubruch dar: Es räumte radikal mit der Legende von der "sanften" portugiesischen Herrschaft in Übersee auf und vermittelte einen ungeschönten Blick auf den blutigen Kolonialkrieg in Mosambik. Im Zentrum steht der Vater der Autorin, ein Elektriker, der seit den 1950er Jahren in Mosambik lebt und arbeitet. Er ist den ärmlichen Verhältnissen der portugiesischen Provinz entflohen und entfaltet nun seine Macht als Weißer, der mit seinen schwarzen Untergebenen scheinbar auf vertrautem Fuß steht, seine Position jedoch wie selbstverständlich missbraucht, besonders Frauen gegenüber. Die Tochter erlebt das hautnah mit.
1974 bricht die Kolonialmacht zusammen, der Vater schickt die Zwölfjährige allein nach Portugal zu seiner Mutter. Sie soll dort berichten, welches Unrecht ihm und den anderen Siedlern geschieht. Das tut sie nicht. Isabela Figueiredo versteht es, die Perspektive des Kindes mit Reflexionen über die Realität des Kolonialismus zu verbinden. Es entsteht das Bild eines alltäglich gelebten Rassismus, einer menschenverachtenden Ausbeutung, die nie hinterfragt wird. Doch der unverstellte Blick des Kindes sieht mehr, weil er nicht an den Fassaden hängenbleibt. Gleichzeitig aber wird damit der geliebte Vater zum Feind - dem sie dann ihr Buch widmen wird.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.01.2020

In diesem Buch geht es um die Überwindung eines "Loyalitätskonflikts", so Rezensent Rudolf von Bitter. Rassismus und vor allem auch Sexismus, wie er dem Projekt der Kolonisierung innewohnt, werden in aller Brutalität von der Autorin dargestellt, die als Kind ihren Vater als eben so einen Rassisten und Sexisten erlebte - gleichzeitig aber auch als ihren rührend besorgten Vater, lesen wir. Neben der Erzählung jener Brutalitäten, die zunächst die Weißen den Schwarzen und nach der Befreiung auch Schwarze den Weißen antaten, steht laut Bitter die starke Sinnlichkeit der Beschreibung Afrikas, vor allem dessen, was die Autorin als Kind gesehen, gehört, gerochen, berührt hat. Dies bringe einem Figueiredo sehr nahe, findet der Kritiker. Und er hebt hervor, dass die Autorin nach ihrer Verfrachtung ins Mutterland Portugal als Teenager auch von dem obszönen Macho-Gehabe der Männer ihr gegenüber erzählt. Alles in allem eine, so der beeindruckte Kritiker, "Geschichte einer Ablösung", die weit über den speziellen Fall Mosambiks und Portugals hinausgehe.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.01.2020

Rezensentin Birgit Koß erfährt aus Isabela Figueiredos Buch Bedrückendes über die Realität der kolonialen Machtausübung. Am Beispiel der portugiesischen Kolonialherrschaft in Mosambik und am Beispiel ihres Vaters, einer kleinen Nummer im kolonialen Gefüge, die allerdings von Macht und Überlegenheit profitierte, zeigt die Autorin laut Koß auch, wie rassistisches Verhalten einen jungen Menschen prägt. Die Gefühle des Kindes zwischen Bewunderung für den Vater und Abscheu angesichts seiner Sprache und seines Tuns werden im Buch für die Rezensentin deutlich. Darüber hinaus erzählt die Autorin laut Koß von den Erfahrungen der Zurückgekehrten nach der Nelkenrevolution von 1974 und der Befreiung Mosambiks.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 09.01.2020

Anders als es das Cover der deutschen Ausgabe suggeriert, geht es in dem autobiografischen Buch der Autorin nicht um die Befreiung Mosambiks, sondern um den Vater der Autorin, einen aus Portugal stammenden Elektriker, und um seine Widersprüchlichkeit. Ihn schildert sie, ihren Kindheitserinnerungen folgend, als lieben Vater - und rassistischen Beherrscher der Schwarzen. Nach der Nelkenrevolution wird die Tochter nach Lissabon geschickt. Der Vater ändert seinen Ton und wird quasi "Feminist", will Bildung und Unabhängigkeit für das Mädchen, das nach dem Reichtum als Angehörige der weißen Herrenkaste dann in der Armut der portugiesischen Herkunftsfamilie aufwachsen muss, lesen wir. Die Autorin, so Tilo Wagner, hat mit ihrem Buch das Selbstbild Portugals zerstört, das sich lange als nicht-gewalttätige Kolonialmacht inszenierte. Ihr Buch war 2009 in Portugal ein Skandal. Ob es das auch in seiner deutschen Übersetzung zehn Jahre später noch sein kann? Immerhin illustriert Tilo Wagner in seinen Zitaten aus Figueiredos Buch mit seiner harten Sprache das immer noch und immer wieder Niedermachend-Sexistische der kolonialen Rede über schwarze Frauen. Die widersprüchlichen Gefühle gegenüber einem rassistischen Vater sollten einer deutschsprachigen Leserschaft nicht vollkommen fremd sein.