Richard Cobb

Tod in Paris

Die Leichen der Seine 1795-1801
Cover: Tod in Paris
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2011
ISBN 9783608946949
Gebunden, 224 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Aus dem Englisch von Gabriele Gockel und Thomas Wollermann. Mit kriminalistischer Akribie vertieft sich Richard Cobb in die Akten eines Pariser Leichenschauhauses. Zutage kommen faszinierende Bruchstücke einer Alltagsgeschichte armer Schlucker aus dem Paris der Revolutionszeit. Selbstmörder in Paris um 1800: Was mag einen Menschen bewogen haben, seinem Leben in der Seine ein Ende zu setzen? Und was kann ein Historiker über diese Menschen und ihre Beweggründe herausfinden, der heutzutage die Obduktionsprotokolle von Wasserleichen aus der Seine studiert? Angaben über Alter, Beruf, Familienstand, Wohnviertel, Herkunft führen mitten hinein in den Alltag der Armen und Marginalisierten in der revolutionserschütterten Großstadt. Das liest sich teilweise wie ein Krimi, und der Autor agiert wie ein Detektiv. Ein Lehrstück darüber, wie Historiker über verstaubte Akten die Vergangenheit zum Sprechen bringen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.01.2012

Motivation: Lust zur Exzentrik. Das zumindest vermutet Caspar Hirschi stark am Ende der Lektüre von Richards Cobbs merkwürdigem Werk über Selbstmorde in der Pariser Bevölkerung zwischen 1795 und 1801. Von historischer Einbettung oder Erläuterungen der Administration jedenfalls keine Spur. Dafür spekuliert der Autor gern ein bisschen über die armen Teufel in der Seine, die mitunter auch recht wohlhabend waren und extra Manschetten anlegten, bevor sie sich die Kugel gaben. So viel immerhin ist für Hirschi zu lernen. Oder auch über die Kleiderordnung um 1800, um steigende Selbstmordraten an Wochenenden. Am stärksten findet er Cobb, wenn er die Statistik links liegen lässt und sich über das Einzelschicksal beugt. Schade bloß, dass dies so leidenschaftslos geschieht, meint Hirschi.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.07.2011

Berührt und gefesselt ist Joseph Hanimann von Richard Cobbs Studie zu Leichen, die man zwischen 1795 und 1801 aus der Seine gezogen hat. Was ein trockener statistischer Befund sein könnte, entwickelt sich unter der Feder des englischen Historikers zu einer fesselnden Betrachtung des französischen Alltaglebens jener Zeit, wobei es hauptsächlich die kleinen Leute waren, die in der Revolutions- und Nachrevolutionszeit ihren Tod in der Seine fanden, erklärt der Rezensent. Cobb hat für seine Studie die Akten der Basse-Geäle, der Leichenhalle für unnatürliche Todesfälle in Paris, ausgewertet, statt daraus aber vorschnell allgemeine Schlüsse zu ziehen, hat er sich zunächst mit geradezu "liebevoller Aufmerksamkeit" auf die Einzelschicksale der Toten eingelassen, wie Hanimann eingenommen bemerkt. Und so formt sich aus den einfühlsam recherchierten Schicksalen der Toten aus der Seine dann doch so etwas wie eine Geschichte von unten, so der Rezensent angetan, der es ausdrücklich begrüßt, dass dieser 1978 erschienene Band nun in einer ansprechenden Übersetzung vorliegt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.04.2011

Aus zwei Gründen mag Rezensent Claude Haas dieses Buch nicht: Erstens heroisiert Richard Cobb die Selbstmörder, deren Schicksal er untersucht, indem er ihnen als Armen und Versagern eine besondere Würde zugesteht. Und er individualisiert sie, indem er versucht, aus den Akten tatsächlich so etwas wie einzelne Biografien zu schreiben. Das alles findet Haas vollkommen unerheblich. Denn diese Selbstmörder sind "Allerweltsfiguren", behauptet er. Sie haben alle "die gleiche Geschichte". Der Versuch, sie zu indivualisieren, ist nichts als "Fetischisierung des Mittelmaßes", höhnt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.03.2011

Mehr von diesem Autor würde Jochen Schimmang gerne auf Deutsch lesen. Nicht nur, dass ihn Richard Cobb mit seinem Interesse fürs Detail, für verborgene Strukturen, Namenloses und für Archive an Foucault erinnert. Cobb scheint ihm auch noch der bessere Erzähler zu sein, weniger kalt, empathischer. Wenn sich der Autor so gerüstet seinem Thema zuwendet, den Pariser Selbstmördern zwischen 1795 und 1801, erfährt Schimmang, wie sich kleideten, wie sie lebten und in welcher Gesellschaft, aber eher wenig über die großen Umwälzungen, die Politik, die Revolution. Cobb vermag es, den Rezensenten ganz nahe ans Geschehen und die Menschen heranzuführen, ohne gefühlig zu werden.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.03.2011

Hocherfreut zeigt sich Rezensentin Tania Martini darüber, dass Richard Cobbs 1978 verfasstes Buch "Tod in Paris - Die Leichen der Seine 1795-1801" endlich in einer deutschen Übersetzung vorliegt. Sie liest das Werk als eine Art Sozialgeschichte des Suizids und als "Alltagsgeschichte der Revolutionszeit". Wie Cobb aus den Protokollen der 404 Leichenkellernotizen der Jahre 1795 bis 1801 und aus anderen Quellen wie den Aufzeichnungen Restif de la Bretonnes das alltägliche Leben der Armen in Paris, die verwahrlosten Wohnung entlang der Seine hausten, erschließt, findet sie höchst faszinierend. Ihr Fazit: ein "ganz wunderbares Buch".