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Zwischen Porno und Religion: Teddy Soeriaatmadjas 'Something in the Way' (Panorama)

Von Karen Werner
09.02.2013. Ahmad fährt Taxi in Jakarta, und wenn er dies nicht gerade tut, frönt er einem recht repetitiven Alltag. Entweder masturbiert er manisch zu raubkopierten Porno-DVDs, oder er lässt sich in der Koranschule vom rechten Glauben und dem Jihad vorschwadronieren. Heimlich ist Ahmad in seine Nachbarin, die schöne Prostituierte Santi, verliebt, doch bekommt der einigermaßen soziophobe junge Mann in ihrer Gegenwart kein Wort heraus. Dies ändert sich erst sehr allmählich, und zunächst vor allem durch Taten: ein wortlos gereichtes Taschentuch für das Blut im Mundwinkel der jungen Frau. Dann ein Einschreiten, als diese von zwei Kunden bedrängt wird. Und obgleich sie Ahmad, der sich wie zufällig stets in ihrer Nähe aufhält und sie wiederholt zu Treffen mit Freiern fährt – oder auch schon einmal die Rückbank seines Taxis als Ort der sexualgeschäftlichen Transaktion freigibt – schnell als potenziellen Stalker identifiziert, lässt sie sich schließlich doch auf den schüchternen, wortkargen Verehrer ein. Irgendwann schlafen sie miteinander – oder eher: sie mit ihm – und alles könnte gut werden. Wenn da nicht immer, der Titel spricht es aus, etwas im Weg stünde: Ahmad begreift sich selbst als (ungewollten) Ritter und Retter seiner neuen Geliebten und verlangt von…


Ahmad fährt Taxi in Jakarta, und wenn er dies nicht gerade tut, frönt er einem recht repetitiven Alltag. Entweder masturbiert er manisch zu raubkopierten Porno-DVDs, oder er lässt sich in der Koranschule vom rechten Glauben und dem Jihad vorschwadronieren. Heimlich ist Ahmad in seine Nachbarin, die schöne Prostituierte Santi, verliebt, doch bekommt der einigermaßen soziophobe junge Mann in ihrer Gegenwart kein Wort heraus. Dies ändert sich erst sehr allmählich, und zunächst vor allem durch Taten: ein wortlos gereichtes Taschentuch für das Blut im Mundwinkel der jungen Frau. Dann ein Einschreiten, als diese von zwei Kunden bedrängt wird. Und obgleich sie Ahmad, der sich wie zufällig stets in ihrer Nähe aufhält und sie wiederholt zu Treffen mit Freiern fährt – oder auch schon einmal die Rückbank seines Taxis als Ort der sexualgeschäftlichen Transaktion freigibt – schnell als potenziellen Stalker identifiziert, lässt sie sich schließlich doch auf den schüchternen, wortkargen Verehrer ein. Irgendwann schlafen sie miteinander – oder eher: sie mit ihm – und alles könnte gut werden. Wenn da nicht immer, der Titel spricht es aus, etwas im Weg stünde: Ahmad begreift sich selbst als (ungewollten) Ritter und Retter seiner neuen Geliebten und verlangt von dieser, ihren in den Augen der Gesellschaft unmoralischen Beruf aufzugeben.

Über weite Strecken ist "Something in the Way", der erste außerhalb der kommerziellen indonesischen Filmindustrie realisierte Spielfilm des ansonsten im Mainstreamkino seines Landes beschäftigten jungen Regisseurs Teddy Soeriaatmadja, die wunderbar zärtliche Geschichte einer allmählichen Annäherung – und auf sehr erfrischende Weise eben gerade nicht jener bleischwere Problemfilm, den wohl neun von zehn Regisseuren aus dem Stoff gemacht hätten. Die meist agile, aber nie aktionistische Kamera folgt mit sacht tastendem Gestus den Protagonisten, die sich vorsichtig und sehr langsam so etwas wie eine Nähe erkämpfen, und vielleicht hätte man diesen schönen Film am liebsten einfach irgendwann im gleichen Rhythmus zu Ende gehen sehen. Hätte daran geglaubt, dass diese Liebesgeschichte eine mit Hoffnung sein könnte. Dieser Glaube wird freilich von einer harschen und durchaus nicht ganz unproblematischen Eskalation im letzten Abschnitt des in drei Kapitel unterteilten Films brutal zerschlagen.

In einer Parallelmontage ereignen sich da zwei Gewaltakte: während Ahmad, ganz im Travis-Bickle-Modus, Santis Zuhälter mit einem Hammer erschlägt, wird diese auf einem Autorücksitz vergewaltigt und schließlich auf die Straße geworfen. Problematisch erscheint diese Sequenz deshalb, weil sie als einzige in diesem ansonsten recht entschieden nichtverurteilenden Film den selbsternannten Rettergestus Ahmads zu rechtfertigen scheint: Eben um sie vor solchen Erlebnissen zu bewahren, macht sich der Liebende zum Rächer und vermeintlichen Befreier – und wird so doch nur einer unter den vielen Männern in "Something in the Way", die der so gar nicht rettungsbedürftigen, als stark und selbstbestimmt porträtierten Santi ihre Souveränität abzusprechen versuchen.

Aber vielleicht muss man diese Widersprüchlichkeit einfach aushalten, auch wenn sie den Film für Augenblicke ins Kippen bringt. Natürlich ist hier an Georg Seeßlens Diktum zu denken, dass Filme ihre Geschichten schließlich nicht nur erzählen, um ihren Helden recht zu geben, und für Heroismus bleibt am bitteren Ende ohnehin kein Platz in diesem Film, der letztlich dann wohl doch nur ein Verpassen, ein Missverstehen erzählt hat. Am Schluss steht Santi vor Ahmads Tür und klopft. Dieser jedoch verblutet, schwer verletzt und still, auf seiner Couch, es bleibt ihm nur ein letzter Griff zur Fernbedienung und ein letzter japanischer Pornofilm. Santi geht, jeder Demütigung und jeder Misshandlung in Wort und Tat zum Trotz ungebrochen; ihr Weg geht weiter. Ahmad war, so brachte es Regisseur Soeriaatmadja im Gespräch nach der Premiere treffend zum Ausdruck, nur ein weiterer Mann, der im Grunde alles – die Liebe, den Sex, die Religion – falsch versteht, und die eigentliche Heldin von "Something in the Way" war stets die junge Frau, die weder vor den Männern mit den schlechten noch vor jenen mit den besten Absichten ihre Würde verlor. Und schon gar nicht vor denen mit den eindeutigen Absichten.

Jochen Werner

"Something in the Way". Regie: Teddy Soeriaatmadja. Mit Reza Rahadian, Ratu Felisha, Verdi Solaiman u.a., Indonesien 2013, 89 Minuten (alle Vorführtermine)