Spätaffäre

So wurde Rebellion zur neuen Mitte

Vorschläge zum Hören, Sehen, Lesen. Wochentags um 17 Uhr
20.05.2014. In "Broken Arrow" vermittelt James Stewart zwischen Siedlern und Apachen. Louis Theroux hat in der West Bank weniger Erfolg. Dradio Kultur bringt George Taboris Hörspiel "Die 25. Stunde" über Nordamerikas Nekropole Hollywood. Und Salon.com erklärt mit Hilfe von Hegel den Nonkonformismus für erledigt.

Für die Augen

Die Reportagen von Louis Theroux gehören zum besten, was im Fernsehen (leider viel zu selten dem deutschen) zu sehen ist. In seinen immersiven Dokumentationen widmete er sich ab 1998 zunächst eher ulkigen Randgruppen und wandte sich seitdem immer ernsteren Themen zu. Eine Auswahl seiner Filme ist etwa hier und hier zu sehen. Zu Therouxs heutigen 44. Geburtstag empfehlen wir seine ernüchternde Reise zu den israelischen Besiedlern der West Bank aus dem Jahr 2011 (59 Minuten).



Und noch ein Geburtstagskind: Heute vor 108 Jahren wurde James Stewart geboren, der vor allem für seine Rollen als liebenswerter Jedermann in sentimentalen Komödien und in späteren Jahren als gepeinigter Protagonist von Hitchcocks "Fenster zum Hof" und "Vertigo" bekannt ist (hier eine schöne biografische Doku). Weniger bekannt ist hierzulande, das er zwischendrin dem Western seinen Stempel aufdrückte. Hier ist er in "Broken Arrow" aus dem Jahr 1950 zu sehen, der einen Wechsel in der Darstellung von Indianern markiert (Regie: Delmer Daves, 93 Minuten).

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Für die Ohren

Anlässlich des hundersten Geburtags von George Tabori am 24. Mai strahlt Dradio Kultur sein Hörspiel "Die 25. Stunde" in einer Produktion von RIAS Berlin 1978 aus. Spielort des Hörspiels ist Hollywood - in Taboris Augen die große "Nekropole" Nordamerikas. In den Erlebnissen der Hauptfigur Arthur Prince spiegeln sich nach Art eines Stationenstücks alle Symptome einer untergehenden Zivilisation. Regie führte Tabori selbst, es sprechen unter anderem Rüdiger Hacker, Uta Hallant, Ben Becker und Otto Sander. Hier kann das Hörspiel angehört und heruntergeladen werden. (85 Minuten)

Der br setzt seine tolle Zündfunk-Reihe "The History of Rock" mit dem fünften Teil über die Krautrock-Jahre der frühen Siebziger fort (hier die ersten vier Folgen). Zu Wort kommen dabei zahlreiche Protagonisten der damaligen Bands, darunter Jaki Liebezeit von Can, Hans-Joachim Roedelius von Cluster und Michael Rother von Neu. Für die passenden Bilder dazu: Eine tolle, knapp einstündige Doku der BBC über die Aufbruchstimmung der Krautrocker. Hier kann man die Radiosendung nachhören (45 Minuten).
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Für Sinn und Verstand

Bereits im März haben wir in unserer Magazinrundschau auf den Modetrend Normcore hingewiesen, bei dem es darum geht, durch das Tragen von möglichst nichtssagender Kleidung aufzufallen. In einem interessanten Beitrag auf salon.com beruft sich R. Jay Magill Jr. auf Hegel und erklärt Normcore zur Synthese des dialektischen Prinzips von Ernsthaftigkeit und Ironie: "Was als eine Hippie-Kultur des Widerstands gegen die bürgerliche Kultur des Kapitalismus begann, ist zu einem nur noch mächtigeren bürgerlichen Kapitalismus gereift (Steve Jobs, Ben & Jerry, Richard Branson). Sie haben daran geglaubt, dass rebellischer Individualismus immer gegen den Strom schwimmt, auch wenn sie längst der Strom geworden sind, gegen den sie einmal anschwammen, mit dem unglückseligen Ergebnis, dass die Widerstand zu einem Stil degradierten. So wurde Rebellion zur neuen Mitte, und Normcore kommt die Aufgabe zu, den Nonkonformismus für erledigt zu erklären."

Wladimir Putin hat das russische Internet kaputtgemacht, schreibt Anton Nossik in der New Republic, und er weiß wovon er spricht: "Man kann es sich angesichts seiner heutigen Attacken kaum noch vorstellen, aber im Dezember 1999, drei Tage vor seiner ersten Präsidentschaftswahl, gab Wladimir Putin ein feierliches Versprechen, die Rede- und Handelsfreiheit im Internet zu schützen und zu ehren. Er erkannte die Bedeutung dieser neuen Industrie für die Modernisierung Russlands. Er bat alle Köpfe der entstehenden russischen Internetindustrie zu einem Treffen, auch mich. Damals war ich bekannt als Gründer und Chef führender russischer Websites wie Gazeta.Ru, Lenta.Ru, Vesti.Ru, NTV.Ru. Ich war auch der erste russische Blogger des Planeten." Was danach kommt, bis zur jetzigen Betonierung der Internets, liest sich weniger erbaulich.