Cemile Sahin

Alle Hunde sterben

Roman
Cover: Alle Hunde sterben
Aufbau Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783351038274
Gebunden, 239 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

In neun Episoden erzählt Cemile Sahin von neun Menschen, die ihr Exil in einem Hochhaus im Westen der Türkei finden. Sie alle haben Folter, Gewalt und Verschleppung durch Einheiten der türkischen Armee und der Polizei erlebt. Darunter: Eine Mutter, die ihren toten Sohn auf einen Pick-up lädt. Ein Mann, der seine schlafende Tochter draußen ins Gebüsch legt, bevor er sein Haus anzündet. Eine Frau, die angekettet in einer Hundehütte gehalten wird. Während sie von ihrer Flucht berichten, holt sie der systematische Terror des türkischen Militärs wieder ein. "Alle Hunde sterben" ist eine Chronik über ein Land, geprägt von Militarismus und Nationalismus.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.11.2020

Rezensentin Juliane Liebert fühlt sich beim Lesen von Cemile Sahins Roman über Gewalterfahrungen in der Türkei wie verwickelt in einen Unfall. Hart gehen sie die Folterszenen, Momente staatlicher Schikane und tausend Tode an, die die Autorin ganz bewusst kontextfrei und so direkt wie möglich erzählt, wie Liebert beschreibt. Weder die Umstände noch das Warum der Gewalt interessiert die Autorin, schreibt Liebert, nur der Effekt, den die Schilderungen auf die Leserin haben. So fühlt sich Liebert wie gefangen in einem Albtraum. Gewaltpornografisch" ist das für die Kritikerin dennoch nicht, denn mit Lustgewinn hat dieser Text nichts zu tun, meint sie.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.11.2020

Rezensentin Wiebke Porombka liest Cemile Sahins Buch als universelle Darstellung von Unmenschlichkeit. Die im Buch vorkommenden Figuren, allesamt Opfer systematischer Regimegewalt, sind für die Rezensentin zwar kaum unterscheidbar, doch genau darin vermutet sie eine "Raffinesse" des Textes, der, so ahnt Porombka, nicht auf Individualität und Einfühlung setzt, sondern die LeserIn auf sich selbst zurückzuwerfen sucht. Ziel des ganzen scheint der Rezensentin zu sein, die Episoden im Buch zweifelhaft zu finden, etwa wie sich medialer Content anzweifeln lässt. Dieser "V-Effekt" gelingt der Autorin laut Porombka gut.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.10.2020

Rezensentin Insa Wilke ist nicht einverstanden mit der Meinung, Cemile Sahin wolle mit ihrem neuen Roman über staatlich legitimierte Folter der Gewalt eine Sprache geben: Sie findet die Aussagen der Autorin zu plakativ und zu schlicht, um Betroffenen eine Stimme zu verleihen. Viel eher kann die Kritikerin sich damit anfreunden, dass es Sahin statt um Dokumentation um die Reflexion geht, welcher Gewalterfahrung Gültigkeit zugesprochen wird. Hier kann das Buch der Kurdin einige blinde Flecken offenbaren, glaubt Wilke.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 06.09.2020

Rezensent Niklas Maak erkennt in Cemile Sahins neuem Roman eins der beeindruckendsten und dunkelsten Bücher des Jahres. In einem Mix aus Drehbuch, Protokoll und Reportage bringt Sahin dem Leser die Schicksale von neun Menschen aus einem Mietshaus nahe, Geschichten von Terror, Gewalt und Flucht allesamt, stellt Maak fest. Der Ton ist lakonisch, nüchtern, das Erzählte der reine Horror, meint Maak. Aber auch Hoffnung, Trost und Solidarität tauchen auf, was nichts ändert an einem beunruhigenden Ganzen, so der Rezensent. Dass Sahin den Ort des Dramas benennt (die Türkei) und damit einen Bezug zur Realität schafft, lässt Maak auch über die Funktionsweisen von Geschichtsschreibung nachdenken.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 05.09.2020

In neun Episoden erzählen hier neun verschiedene Figuren, wie sie vom türkischen Militär drangsaliert, zur Flucht gezwungen, gefoltert, kurz: traumatisiert wurden, erklärt Rezensent Jens Uthoff. Er hält den Roman aber nicht nur für einen gelungenen Beitrag zur Aufarbeitung des kurdisch-türkischen Konflikts, sondern auch für sprachlich und dramaturgisch sehr gut gemacht: Autorin Cemile Sahin bleibt bei den Erfahrungen der Erzähler, gibt keinen Kontext und kontrastiert die verschiedenen Persönlichkeiten und ihre Berichte dennoch so geschickt, dass ein umfassendes Bild entsteht, lobt der Kritiker.