Judith Butler

Die Macht der Geschlechternormen

Und die Grenzen des Menschlichen
Cover: Die Macht der Geschlechternormen
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009
ISBN 9783518585054
Gebunden, 350 Seiten, 24,80 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Karin Wördemann. Judith Butlers neues Buch vertieft und bilanziert eine Reihe von Themen und Thesen aus Butlers früheren Werken: die Materialität des Körpers, die Beziehung zwischen Macht und Psyche, die politischen Dimensionen der Psychoanalyse und die Auswirkungen des juridischen Diskurses auf diejenigen, die nicht autorisiert sind, an ihm teilzunehmen. Die einzelnen Essays untersuchen das Problem der Verwandtschaft vor dem Hintergrund einer immer stärkeren Infragestellung der Lebensform Familie und die Bedeutung und Ziele des Inzesttabus; sie hinterfragen die Pathologisierung von Intersexualität und Transsexualität und unterziehen das Phänomen sexueller und ethnischer Panik in der Kunstzensur einer kritischen Analyse.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.07.2009

Mit ihrem jüngsten Buch nimmt sich Judith Butler der juristischen Debatte um gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Adoptionsverbote an, teilt Carlo Caduff mit. Die feministische Theoretikerin aus den USA setzt sich darin kritisch mit dem "strukturalistischen Kulturbegriff" französischer Intellektueller auseinander, die die festgeschriebene Geschlechterdifferenz als Gewährleistung einer "symbolischen Gesellschaftsordnung" verteidigen, erklärt der Rezensent. Butler betont in ihrem Buch, dem man seinen Ursprung aus verschiedenen Essays anmerkt, wie Caduff leise kritisiert, dass die staatliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften auch eine problematische Seite hat. Nicht nur sei es wichtig, die "Normen" kritisch zu hinterfragen, die bestimmte Lebensformen anerkennen, andere dagegen ablehnen. In diesem Fall sei die gesetzliche Anerkennung zudem auch mit dem Verzicht auf Adoption zu bezahlen, referiert Caduff, der sich freut, mit diesem Buch einen "nüchternen Leitfaden" durch Butlers kritisches Denken in Händen zu halten.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.05.2009

Gemischte Gefühle notiert Rezensent Wilhelm Trapp nach Lektüre dieser Aufsatzsammlung von Judith Butler. Einerseits nimmt er nicht uninteressiert zur Kenntnis, dass Butler die von ihr einst entfachte Genderdebatte samt ihrer eigenen Rolle darin inzwischen wohl einiges Unbehagen bereitet. Andererseits scheint so recht kein neuer Blick auf die Debatte und ihren aus Trapps Sicht "dubiosen" Schlüsselbegriff erkennbar zu werden. Schwierig findet der Rezensent bereits die am Amerikanischen und damit an Butlers "Sprechakt- und Jargonblüten" klebende, strauchelnde Übersetzung. Auch der Titel scheint ihm als Reprise des berühmten Buchs "Gender Trouble" eher unglücklich gewählt. Inhaltlich bleibt das Buch für den Rezensenten eher unübersichtlich, hermetisch und merkwürdig positionslos. Dieses Fremdeln mit jeglicher politischen Pragmatik findet Trapp im Angesicht dieser im Kern "hochpolitischen Theorie" einigermaßen irritierend.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 12.03.2009

Der vorliegende Essayband eignet sich bestens dazu, die Entwicklung der Gender-Theoretikerin zur Menschenrechtsaktivistin zu verfolgen, findet Christine Müller-Lobeck. Die zugänglicher als ihre Standardwerke geschriebenen Beiträge, die von alternativen Familienmodellen, der Homoehe bis zu einer Kritik am lacanistischen Inzestverbot reichen, lässt Butler auch Anekdotisches und Autobiografisches einfließen und verlagert das politisch-philosophische Projekt der Aufweichung von Geschlechternormen allmählich in eines, das sich mit Gewaltverhältnissen auseinandersetzt. Wie Müller-Lobeck betont, erklärt Butler Gewalt psychoanalytisch "aus den Individuen heraus", "wie soziale oder ökonomische Verhältnisse Gewalt hervorbringen, interessiert dabei nicht". An dem Punkt sieht die Rezensentin allerdings auch den Konnex zum allgemeinen Menschenrecht: "Dieser Gewaltbegriff, gepaart mit der ethischen Setzung, jeder, der betrauert werden könne, sei des Schutzes wert" führe Butler gewissermaßen zwingend zu universellen Fragestellungen, so die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.03.2009

Ein neues Hauptwerk hat man bei dieser im Original 2004 erschienenen Aufsatzsammlung der großen Gender-Theoretikerin Judith Butler kaum vor sich, konstatiert Christine Pries in ihrer Rezension. Die darin enthaltenen, gewohnt anspruchsvollen Aufsätze und Vorträge widmen sich, wie die Rezensentin feststellt, weniger allgemeinen Fragestellungen als dass sie anderweitig entwickelte Theorien auf ein breites Spektrum "spezieller Themen" anwenden. Vereint werden diese Aufsätze Christine Pries' Interpretation nach vor allem durch ihr gemeinsames Anliegen, Missverständnisse zu beseitigen, die die von Butler eingeführte Trennung von Sex und Gender vor allem unter Feministinnen der ersten Generation ausgelöst habe. Beeindruckt zeigt sich Christine Pries zudem davon, dass die disparaten Themen ein Licht darauf werfen können, wie "die scheinbar so unterschiedlichen Gebiete", denen Butlers Interesse gelte, zusammenhingen. Dabei werfe Butler immer wieder auch die eigene Vita und "die eigene Verletzlichkeit in die Waagschale", beobachtet Pries.

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