9punkt - Die Debattenrundschau

Wie weit 'Nie wieder' von der Realität entfernt ist

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
09.11.2023. "Mitgefühl mit den Opfern ist offenbar nur möglich, solange die Täter dem Westen zugeordnet werden können", meint Navid Kermani, der die Palästina-Bewegung in der Zeit fragt, wo die Empörung war, als Russland die Zivilbevölkerung bombardierte. In der FAZ sieht der Philosoph Wilfried Hinsch die Verhältnismäßigkeit des israelischen Gewalteinsatzes nicht gegeben. Wie genau soll Israel denn auf das schlimmste Pogrom seit dem Zweiten Weltkrieg reagieren - mit einer Schlüsselübergabe an die Hamas vielleicht, fragt Henryk Broder in der Welt. Der Tagesspiegel fordert, Antisemitismus endlich als Straftatbestand ins deutsche Recht zu integrieren.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 09.11.2023 finden Sie hier

Politik

In der Zeit macht es die Kaltherzigkeit und der Antisemitismus der Palästina-Bewegung Navid Kermani unmöglich, mutmaßliche "ich würde sogar sagen: offensichtliche - israelische Kriegsverbrechen", wie er schreibt, zu verurteilen: "Wenn Aktivisten die Lage in Gaza voller Empörung mit der Belagerung von Mariupol und Aleppo vergleichen, frage ich mich …, wo ihre Empörung war und die Massendemonstrationen überall in der Welt, als Russland eine Zivilbevölkerung gleichzeitig aushungerte und bombardierte. Auch gegenüber den Frauen in Afghanistan war es mit der globalen Anteilnahme schlagartig vorbei, als die Amerikaner die Macht an die Taliban übergeben hatten. Mitgefühl mit den Opfern ist offenbar nur möglich, solange die Täter dem Westen zugeordnet werden können. Wenn linke Aktivisten jetzt den Terror der Hamas als antikolonialen Widerstand verklären, führen sie die Gerechtigkeit vollends ad absurdum, die sie ständig im Mund führen. Den Rechten der Palästinenser und der Zivilbevölkerung dient es bestimmt nicht, sich mit Schlächtern gemeinzumachen, im Gegenteil: Erst die eindeutige und auch mitfühlende Verurteilung des Hamas-Terrors und die Solidarität mit den Juden, die sich nirgends mehr sicher fühlen können, würde die eingeforderte Differenzierung und die Kritik am israelischen Regierungshandeln wieder möglich machen."

Für alle, die auf "Kompromiss" mit der Hamas setzen, hat der Tagesspiegel heute eine schlechte Nachricht. Benjamin Lamoureux zitiert aus New-York-Times-Interviews mit Hamas-Führern, die unmissverständlich ihre andauernde und durch nichs zu besänftigende Vernichtungsabsicht gegenüber Israel betonen. Der Tagesspiegel zitiert wie folgt: "'Das Ziel der Hamas ist es nicht, den Gazastreifen zu regieren und ihn mit Wasser und Strom zu versorgen', sagt Khalil al-Hayya, ein Mitglied des Politbüros der Terrorgruppe in Katar. 'Die Hamas, die Qassam und der Widerstand haben die Welt aus ihrem Tiefschlaf geweckt und gezeigt, dass dieses Thema auf dem Tisch bleiben muss'. Und, in den Worten des Hamas-Beratera Taher El-Nounou: "Ich hoffe, dass der Kriegszustand mit Israel an allen Grenzen dauerhaft wird und dass die arabische Welt an unserer Seite steht." Hier der Link zum New-York-Times-Artikel.

Nach einer "politischen Ethik des Friedens durch Recht" haben alle Staaten die Pflicht, "nach besten Kräften zum Schutz und zur Verteidigung der grundlegenden Rechte von Menschen nicht nur innerhalb der eigenen Grenzen, sondern auch weltweit beizutragen", schreibt der Philosoph Wilfried Hinsch in der FAZ. Voraussetzung ist aber: "Die Forderung der Verhältnismäßigkeit des Gewalteinsatzes und die Aussicht auf einen gerechten Frieden". Mit Blick auf Israels Kampf gegen die Hamas sei die Bedingung der Verhältnismäßigkeit nicht gegeben, meint er: "Wie viele von den nach eigenen Angaben der Hamas rund 40.000 Kämpfern der Terrororganisation müsste man in knapp vier Wochen töten und wie viel ihrer Strukturen und Ressourcen zerstören, um den Tod von mehr als 10.000 Menschen, die nicht zur Hamas gehören und die nahezu vollständige Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen im Gazastreifen in diesem Zeitraum gerechtfertigt erscheinen zu lassen? (Die Zahl ist der Website des UN-Büros für die Koordination humanitärer Angelegenheiten entnommen). Wenn man bedenkt, dass der Kampf um Gaza Stadt gerade erst beginnt, muss man zu dem Schluss gelangen, dass die israelische Führung der Verhältnismäßigkeit des Gewalteinsatzes keine große Bedeutung beimisst."

Wie genau soll Israel denn auf das schlimmste Pogrom seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges reagieren, fragt Henryk Broder indes in der Welt: Mit "einem Falafel-Wettessen in Gemeinde-Zentrum von Sderot? Und retrospektiv gesehen: Haben die Juden angemessen auf den Holocaust reagiert, indem sie Israel gründeten? Oder haben sie damals schon total überzogen? Ich habe da einen furchtbaren Verdacht. Ich fürchte, alles unterhalb einer bedingungslosen Kapitulation verbunden mit einer sofortigen Schlüsselübergabe an die Hamas wäre für die großen Verteidiger der Genfer Konvention und der Haager Landkriegsordnung 'inakzeptabel' gewesen, für Putin, Erdogan, Lula da Silva, den brasilianischen Präsidenten, der sich mit einer einfachen Botschaft an die Welt wandte: Nur 'weil die Hamas einen Terrorakt gegen Israel verübt hat, muss Israel nicht Millionen unschuldiger Menschen töten'."

"Es gilt, wieder menschlich zu werden", schreibt in der taz der Autor und ehemalige Liberation-Nahostkorrespondent Selim Nassib, der die "Gräueltaten" nicht "gegeneinander aufrechnen" will, sondern daran erinnert, dass Frieden in der Vergangenheit wiederholt möglich schien: "Schon David Ben-Gurion, Israels erster Regierungschef, hatte sich 1967 nach dem Sechstagekrieg für die Rückgabe der besetzten Gebiete ausgesprochen als Gegenleistung für die Anerkennung Israels, die die arabischen Staaten damals jedoch ablehnten. 25 Jahre später, im Jahr 1993, unterzeichnete der damalige Premierminister Jitzhak Rabin mit dem früheren PLO-Chef Jassir Arafat die Osloer Prinzipienerklärung, die zu einem Ende der Besatzung und schließlich zu zwei Staaten führen sollte. Rabin wie Ben-Gurion sahen realistisch voraus, dass die fortgesetzte Kontrolle von Millionen Palästinenser*innen die jüdische Bevölkerung zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer früher oder später zur Minderheit werden lassen würde. Rabins Kritiker*innen, allen voran Israels heutiger Regierungschef Benjamin Netanjahu, verfolgen das genaue Gegenteil, nämlich die Zweistaatenlösung unmöglich zu machen. Das heißt: den Frieden zu verhindern. Das ist ein Ziel, das die Hamas weitgehend teilt."

Julia Fermentto-Tzaisler, Gründerin des PEN Israel, zeigt sich in einem Gastbeitrag in der SZ entsetzt über die Gleichgültigkeit der Welt über die Massaker der Hamas an der israelischen Bevölkerung. Zudem kritisiert sie, dass viele Organisationen, zum Beispiel der PEN International, Israel verantwortlich machen, die Linke sei sowieso ein Totalausfall. "Während die Tage vergehen, nehmen die pro-palästinensischen Demonstrationen, bei denen die Hamas nicht verurteilt wird, an Lautstärke zu. Immer mehr offene Briefe werden veröffentlicht, die das Vorgehen Israels verurteilen und in denen kein einziger ermordeter Israeli erwähnt wird. Mir ist klar geworden, dass ich nicht länger in meiner geistigen Heimat bleiben kann. Ich kann nicht länger durch diesen Morast der Linken waten, weder in Israel noch im Ausland. Die Linke ist zu einer Eisdiele geworden, in der man sich aussuchen kann, auf welche Geschmacksrichtung von Menschenrechten man gerade Lust hat."

Die humanitäre Lage im Gaza-Streifen schildert Philippe Lazzarini vom UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge im SZ-Interview mit Peter Münch als "katastrophal". Auch spricht er über die Arbeitsbedingungen für die UN vor Ort. "Zunächst einmal: 92 unserer Angestellten sind schon getötet worden. Die Vereinten Nationen haben weltweit noch in keinem Konflikt in nur einem Monat so viele Todesfälle zu verzeichnen gehabt. Und was können die andern noch tun? Unsere Schulen sind keine Schulen mehr, unsere Lehrer unterrichten nicht mehr. Sie versuchen jetzt, das Leben zu organisieren in den Schulen, die zu Schutzzentren geworden sind. Mehr als 700 000 Menschen haben sich inzwischen in unsere Einrichtungen geflüchtet, um unter der blauen UN-Flagge sicher zu sein. Unglücklicherweise sind auch schon mehr als 50 unserer Einrichtungen getroffen worden. Dutzende Menschen wurden dabei getötet, Hunderte verletzt."
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Geschichte

Die Erinnerung an die Novemberpogrome jährt sich zum 85. Mal, aber angesichts des Massakers der Hamas und der antisemitischen Ausschreitungen in Deutschland soll das Gedenken dieses Jahr anders aussehen, schreibt Hauke Friedrichs, der für ZeitOnline unter anderem mit Daniel Sheffer gesprochen hat: "'Wir können diesen 9. November nicht begehen wie in den vergangenen Jahren, der grausame Angriff auf Israel und die Reaktionen darauf in Deutschland machen deutlich, dass die Mehrheit stärker die jüdische Minderheit schützen muss', sagt Daniel Sheffer, Vorsitzender des Stiftungsrats Bornplatzsynagoge, der den Wiederaufbau des 1938 stark beschädigten Gotteshauses plant. 'Die Untaten von palästinensischen Terroristen am 7. Oktober in Israel, die Morde an Babys, die Vergewaltigungen, das Anzünden von Familien und die Verschleppungen von Menschen, all das hat gezeigt, wie weit 'Nie wieder' von der Realität entfernt ist, dass es ein 'Schon wieder' gibt.'"

"Das Bild von den kulturvollen Deutschen zersprang" heute vor 85 Jahren und wieder müssen Jüdinnen und Juden um ihr Leben fürchten, meint auch Stephan-Andreas Casdorff im Tagesspiegel. Deshalb sei es Zeit, Antisemitismus als Straftatbestand ins deutsche Recht zu integrieren und uns "klarmachen, dass jeder Antisemit ein Feind der Demokratie ist". "Bis heute kommt Antisemitismus im Strafgesetzbuch nicht vor. Antisemitische Handlungen sind nicht zwangsläufig verboten oder strafbar. Es gibt keine Definition des Antisemitismus. Rechtlich gesprochen: Er ist kein Straftatbestand, nur ein Strafverschärfungsgrund. Das reicht nicht mehr aus, die Wirklichkeit ist eine andere, das Recht muss ihr folgen."

In der Geschichtsschreibung wurde erstaunlich wenig beachtet, dass am 08. November 1938 die gesamte jüdische Presse in Deutschland verboten worden war, erinnert Reiner Burger in der FAZ: "Auf einen Schlag hörten an jenem Tag vor 85 Jahren 65 Zeitungen und Zeitschriften mit einer Gesamtauflage von zuletzt rund einer Million Exemplare auf, zu existieren. Das Presseverbot war ein Menetekel für das, was die Kreis- und Ortsgruppenleiter der NSDAP und die SA-Stäbe im ganzen Deutschen Reich auf Goebbels Wink hin dann in der Nacht vom 9. auf den 10. November organisierten." An die Stelle der jüdischen Presse trat das von Goebbels total kontrollierte Jüdische Nachrichtenblatt: Ein "Spiegel der immer verzweifelteren Lage der Juden. Die nationalsozialistischen Machthaber nutzten die Zeitung als Werkzeug für ihre sich nun immer rascher radikalisierende Judenpolitik. Zunächst war Auswanderung das verordnete Hauptthema. Das blieb auch so, als nach dem deutschen Überfall auf Polen und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs kaum noch Fluchtwege blieben. Gleichwohl ordnete das Propagandaministerium an, es hätten mehr Artikel zum Thema zu erscheinen."

Außerdem: In der NZZ erinnert Martin Steinacher vom Comité Maurice Bavaud an das gescheiterte Hitler-Attentat des Schweizer Theologiestudenten Maurice Bavaud vom 9. November 1938 in München.  

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Gesellschaft

"Ich bin inzwischen schon viele Jahrzehnte dabei und habe ein sehr gutes Gedächtnis. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich je einen solchen Angst-Komplex unter Jüdinnen und Juden in Deutschland erleben musste wie heute", sagt Charlotte Knobloch im Tagesspiegel-Gespräch, in dem sie auch auf den muslimischen Antisemitismus zu sprechen kommt: "Ich halte dieses Phänomen für hochgefährlich. Schon die Schulbücher in vielen dieser Länder verbreiten Hass gegen Israel und gegen Juden, die Kinder lernen nichts anderes. Auch viele Imame in Deutschland hetzen gegen Juden. Ich habe deutsche Politiker immer wieder aufgefordert, gegen diesen Antisemitismus vorzugehen, die Antwort war meist: Wir wissen um diese Gefahr, aber wir haben nicht die Möglichkeit, dagegen etwas zu tun." Deswegen stimmt sie dem Vorschlag von Markus Söder, deutsche Pässe bei Antisemitismus-Vorfällen einzuziehen, gut. "Der Bundesjustizminister sollte die Idee aufgreifen."

Es ist nicht sinnvoll über "importierten Hass" zu sprechen, meint die Philosophin Hilge Landweer im FAZ-Gespräch: "Gefühle können nicht importiert werden, sondern entstehen aus bestimmten Situationen heraus, die nicht unbedingt an geographische Räume gebunden sind. Diejenigen, die hier nicht integriert sind, fühlen sich sehr stark mit ihrer Herkunftskultur verbunden. Allein durch Migration ändert sich der geschichtliche Kontext und die kulturelle Sozialisation nicht schlagartig. Für diese Menschen ist die Reaktion auf den schrecklichen und mit nichts zu entschuldigenden Terrorangriff der Hamas eine Frage der Loyalität und Zugehörigkeit. Das ist furchtbar, aber wenn man Gefühle verstehen möchte, dann ist es wenig sinnvoll, von vornherein mit Normen zu arbeiten. Man muss sich zuerst fragen: Aus welcher Situation heraus entsteht welches Gefühl? Und Hass ist ein Gefühl, das tendenziell aus Ohnmacht entsteht; gehasst wird zumeist von 'unten' nach 'oben'. Wenn nacheinander mehrere Generationen einer Gruppe in Lagern aufwachsen, dann wird der Hass gewissermaßen mit der Muttermilch aufgesogen."

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Gerade erst ist Heinrich August Winklers Buch über die Geschichte der Revolutionen in Deutschland von 1848 bis 1989 erschienen. Im FR-Interview spricht er unter anderem über das Scheitern der Revolution von 1848, über dies Zäsur des Jahres 1989 und macht Hoffnung, was den gegenwärtigen Rechtsruck nicht nur in Europa betrifft: "Unumkehrbar ist der Trend in Richtung halbautoritärer Regime, die die Unabhängigkeit der Justiz und damit den Rechtsstaat infrage stellen, nicht. Das zeigt die Niederlage der PiS, der Partei Kaczynskis, bei der jüngsten Parlamentswahl in Polen. Unter einer von Donald Tusk geführten Regierung wird sich Polen reliberalisieren und wieder eine europafreundliche Politik verfolgen. Illiberale, nationalpopulistische Kräfte haben inzwischen aber auch in Nord- und Südeuropa an politischem Einfluss gewonnen. (...) Der Aufstieg der AfD zeigt, dass auch Deutschland nicht immun ist gegen nationalpopulistische Bewegungen. Sie profitieren davon, dass Teile der Gesellschaft die 'politische Klasse' als 'abgehoben' empfinden. Es liegt an den demokratischen Parteien, diesen verbreiteten Eindruck zu überwinden. Vor allem von ihren Antworten auf die Migrationskrise hängt es ab, ob der Zulauf zur Rechten eingedämmt werden kann."
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Ideen

Auf die im Zeit-Gespräch von Elisabeth von Thadden gestellte Frage, was afrikanische Philosophie sei, stellt der senegalesische Philosoph Souleymane Bachir Diagne klar: "Die Frage, was afrikanische Philosophie ist, hängt davon ab, ob wir vom gesamten Kontinent reden oder ob wir, wie es Hegel vor 200 Jahren so folgenreich getan hat, nur den Teil südlich der Sahara meinen. Der Norden gehört aber nicht nur zu Afrika, sondern er ist auch Teil der arabischen Welt und der islamischen Schriftkultur, und so ist der große muslimische Gelehrte Averroes, der vor fast 900 Jahren im spanischen Córdoba geboren wurde und der Aristoteles in der westlichen Welt bekannt machte, ein Afrikaner. Aber die Südhälfte gehört ebenso seit den historischen Anfängen zur afrikanischen Philosophiegeschichte, und das ist wichtig, weil man ja lange meinte, dass Afrika ausschließlich durch Mündlichkeit geprägt ist. Auch der Süden hat eine Schriftkultur."
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Kulturpolitik

Unter dem Titel "We Still Need to Talk" sollte im Berliner Futurium eine von der in Südafrika geborenen Künstlerin Candice Breitz und dem amerikanischen Holocaust-Forscher Michael Rothberg organisierte Konferenz zu den Themen deutsche Erinnerungskultur, Antisemitismus, Islamophobie und Rassismus stattfinden, die Bundeszentrale für politische Bildung hätte das Budget bereitgestellt - und sagte nun mit der Begründung, die Debatte könne aktuell nicht konstruktiv geführt werden, ab, berichten Peter Neumann und Uwe Timm in der Zeit: "Michael Rothberg glaubt nicht, dass die Absage mit dem Zeitpunkt der Tagung zusammenhängt. Er sieht die tieferen Gründe in der Art, wie die Deutschen mit ihrer Geschichte umgehen: 'Aus einer selbstkritischen Erinnerungskultur ist inzwischen eine selbstgerechte geworden, in der eine parteiische Definition von Antisemitismus dafür missbraucht wird, eine kritische Diskussion über Israel zu unterbinden und sogenannte muslimische Einwanderer als an sich antisemitisch zu bezeichnen.' Das gute Deutschland, so sieht es Rothberg, versuche sich von seiner eigenen Schuld zu entlasten, indem es mit dem Finger auf den Antisemitismus von Muslimen zeige."
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Europa

Die Schriftstellerin Irina Rastorgujewa begrüßt uns in der NZZ zu ihrer monatlichen "Presseschau des Wahnsinns" mit Nachrichten aus Russland. Sie berichtet etwa von einer Hauptpropagandistin des Putin-Regimes, Margarita Simonjan, die forderte, eine "thermonukleare Bombe über Sibirien zu sprengen". "Aus irgendeinem Grund teilten die Einwohner Sibiriens ihre Freude nicht und fluteten Simonjans Telegram-Kanal mit empörten Kommentaren. Und der Bürgermeister von Nowosibirsk, Herr Lokot von der Kommunistischen Partei, sagte, dass er als Physiker nichts Gutes in thermonuklearen Explosionen sehe, weil die desaströsen Folgen Tausende von Jahren anhalten könnten. Daraufhin erklärte Simonjan, sie habe nie gesagt, was sie gesagt habe, woraufhin einige regierungsnahe Medien ebenfalls Dementis des Gesagten, Ausgestrahlten, Aufgezeichneten unters Volk brachten. Die Bewohner Sibiriens sollten übrigens doppelt beunruhigt sein, denn die Duma der Russischen Föderation hat einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des Verbots von Atomtests verabschiedet."
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Stichwörter: Rastorgujewa, Irina