Für den britischen Journalisten
Paul Mason - aktuelles Buch:
"Faschismus: Und wie man ihn stoppt" -
zeigt sich in der
FR in Worten und Tat des
Attentäters von Buffalo die "Architektur des
modernen Faschismus": "Der faschistische Massenmörder ist in unserem Jahrhundert zu einem erkennbaren
menschlichen Stereotyp geworden. Immer männlich, immer unter sozialem und persönlichem Versagen leidend, immer eloquent und wortreich in seinem
Aufruf zum Völkermord. (...) Es gibt eine übergreifende Logik zwischen dem Schützen, der rechtsextremen Bewegung, rechtspopulistischen Parteien und den aufrührerischen Stimmen in den konservativen Medien. Das Narrativ des '
Großen Austauschs' ist das ideologische Rückgrat, das sie miteinander verbindet. Sie wurde 2010 von dem französischen Autor Renard Camus formuliert und ist im Grunde ein Aufguss der Theorien des arischen Vormachtpolitikers
Houston Stewart Chamberlain aus der Zeit vor 1914."
Sprechen wir es aus:
Putin ist Faschist,
schreibt Timothy Snyder in der
New York Times und dürfte damit auch bei vielen Linken ein
unbehagliches Schlucken auslösen. Aber es gibt einen Kult des
Führers, einen Kult des
Todes und den Mythos von einem
goldenen Zeitalter, wie es sich für einen ordentlichen Faschismus gehört. Das Zögern gegenüber diese Einsicht erklärt sich für Snyder aus der Tatsache, dass
unser Geschichtsbild zur Hälfte unbelichtet ist: Stalin werde immer noch als "
Antifaschist" gesehen: Dabei sei "
Stalins Flexibilität gegenüber dem Faschismus der Schlüssel zum Verständnis des heutigen Russland. Unter Stalin war der Faschismus zunächst
indifferent, dann war er
schlecht, dann war er
gut, bis er - als Hitler Stalin verriet und Deutschland in die Sowjetunion einmarschierte - wieder schlecht war. Aber niemand hat jemals definiert, was er bedeutet. Es war eine Box, in die
alles hineingesteckt werden konnte. Kommunisten wurden in Schauprozessen als Faschisten abgestempelt. Während des Kalten Krieges wurden die Amerikaner und die Briten zu Faschisten. Und sein 'Antifaschismus' hinderte Stalin nicht daran, bei seiner letzten Säuberung die Juden ins Visier zu nehmen, so wie seine Nachfolger, Israel mit Nazideutschland in einen Topf warfen."
SPD-nahe Philosophen wie Münkler (siehe oben) oder
Jürgen Habermas pflegen im Blick auf den Ukraine-Krieg eine
Rhetorik des Dilemmas. Scharf antwortet in der
FAZ der ukrainische Philosoph
Anatoliy Yermolenko, selbst Habermasianer, auf Habermas' in der
SZ dargelegtes (unser
Resümee) "Dilemma", dass die Ukraine "
nicht verlieren" solle, Russland aber auch nicht, damit Putin sein Gesicht behält und kein dritter Weltkrieg ausbricht. Die Logik, dass die Ukraine in diesem "
Kompromiss" zur Hälfte besetzt bleibt, die daraus bei Habermas (wie auch bei Münkler) folgt, will Yermolenko nicht anerkennen, denn "Jede Besetzung von Territorien führt zu einer
weiteren Besatzung von weiteren Territorien": "Die Zerstörung von
Mariupol und der Genozid an der dortigen Zivilbevölkerung wären unmöglich gewesen, wenn Russland nicht 2014 die Krim und den Donbass besetzt hätte - da Mariupol
von diesen besetzten Gebieten aus angegriffen wurde. Der Angriff auf
Kiew wäre unmöglich gewesen, wenn Russland Lukaschenkos Belarus nicht besetzt hätte, denn die Stadt wurde
von Belarus aus angegriffen, und der Genozid in Butscha ereignete sich eben deshalb, weil Belarus russischen Truppen den Zugang auf ukrainisches Territorium erlaubt hatte... Und wenn die Ukraine in diesem Krieg ihre Souveränität verliert, wird Russland zweifellos weiterziehen und
Europa besetzen."