9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

Kulturpolitik

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9punkt - Die Debattenrundschau vom 30.11.2023 - Kulturpolitik

Sowohl das Konzept als auch der architektonische Entwurf für das Berliner Exilmuseum stehen, eine Stiftung, Fürsprecher und eine Anschubfinanzierung gibt es, aber der Staat möchte sich finanziell an dem Projekt nicht beteiligen, schreibt Thomas E. Schmidt, der in der Zeit die Gründe dafür analysiert: "Es kollidiert mit einem der größten Vorhaben der Bundesbeauftragten für die Kultur in dieser Legislatur. Und dieses Vorhaben wird genau um die Mehrperspektivität des Erinnerns kreisen und sie anders zu fokussieren versuchen. SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP brachten im Oktober in den Bundestag einen Entschließungsantrag zur Realisierung eines Dokumentationszentrums 'Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa' ein. Unter Federführung des Deutschen Historischen Museums soll das Zentrum zeigen, wie sich der Krieg auf die Zivilbevölkerungen der eroberten Nationen ausgewirkt hat, und zwar aus deren Sicht. Davon wissen wir tatsächlich wenig. Seit vielen Jahren äußern zumal osteuropäische Staaten den Wunsch, in der deutschen Erinnerungskultur mit ihren - polnischen oder baltischen - Versionen von Besatzung und Vernichtung präsent zu sein. Das wird nun nachgeholt, und es wird 120 Millionen Euro im Kulturetat des Bundes binden."

Außerdem: Hartmut Welscher analysiert im Van-Magazin, welche fatalen Auswirkungen die Haushaltssperre auf die Kulturbranche hat.

Stichwörter: Exilmuseum Berlin

9punkt - Die Debattenrundschau vom 29.11.2023 - Kulturpolitik

Die Ausschreitungen an der Universität der Künste in Berlin schockierten in ihrer Agressivität sowohl den Präsidenten als auch andere Studierende und Mitarbeiter (unser Resümee). Annabel Wahba und Carlotta Wald sprechen auf Zeit Online mit vier Personen, die die Aktion erlebten. Tania Elstermeyer, UdK-Absolventin und Performancekünstlerin, die ihre jüdische Kommilitonin an diesem Tag zur Uni begleitete, ist fassungslos: "Wir trafen eine andere jüdische Studentin, die vor Angst zitterte. Meine Freundin und sie sahen dort ihre Kommilitoninnen, viele mit schwarzen Masken vor dem Gesicht und mit blutrot bemalten Händen...Wir hatten sofort ein Bild im Kopf, als wir die roten Hände sahen: Sie sind ein Symbol der zweiten Intifada, ein Symbol für einen Lynchmord an zwei israelischen Reservisten in Ramallah im Jahr 2000. Die beiden hatten sich mit dem Auto verfahren, waren von palästinensischen Polizisten festgenommen worden und nach Ramallah gebracht worden. Dort verbreitete sich wie ein Lauffeuer, die beiden seien israelische Spione. Eine aufgebrachte Menge, bewaffnet mit Messern und Eisenstangen, stürmte die Polizeistation und brachte die Israelis um. Schließlich hielt ein Mann seine blutrot verschmierten Hände aus dem Fenster und wurde von der draußen stehenden Menge bejubelt. Das Bild der blutroten Hände ist für Israelis eine Drohung: Nehmt euch in Acht. Ich bin davon überzeugt, dass das den Organisatorinnen und Organisatoren des Protests bewusst war."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 28.11.2023 - Kulturpolitik

Bereits vor einigen Tagen berichtete die Berliner Zeitung über eine im Internet kursierende Liste, die die "Haltung von Kulturinstitutionen und -kollektiven gegenüber der aktuellen palästinensischen Befreiungsbewegung" überwachen will. (Unser Resümee) Institutionen, die sich israelfreundlich verhalten, werden dort an den Pranger gestellt. Im Tagesspiegel berichtet Sebastian Leber: "Dass sich viele Berliner Institutionen darauf finden, dürfte kein Zufall sein. Einer der Initiatoren lebt seit drei Jahren in der Stadt. Es handelt sich um den ägyptischen Künstler Omar Adel. Er selbst beschreibt sich als Kreativdirektor, Grafikdesigner, Webdesigner, Medienmanager, Forscher und Wissensbegeisterter. Zuletzt hatte er eine kurze Residenz im Berliner Brücke-Museum inne. Die Anfrage des Tagesspiegels, weshalb er sich zur Erstellung dieses Datensatzes entschlossen hat und was mit der Drohung 'zur Rechenschaft ziehen' gemeint ist, beantwortet Omar Adel nicht. Stattdessen hat er seine Werbung für die Liste von seinem persönlichen Instagram-Profil entfernt. (…) Ob und wie viele andere Aktivisten außer ihm hinter dem Projekt stecken, ist unbekannt. In der Selbstdarstellung des Projekts heißt es, der Datensatz gehe auf ein 'weltweites Kollektiv' zurück."

Er habe beim Schauen immer wieder Pausen machen müssen, so sehr habe er sich geschämt, schreibt Claudius Seidl, der in der FAZ auf einem Video sah, was bereits vor zwei Wochen an der Berliner UdK vorging: Achtzig bis hundert Studenten hatten sich in der Eingangshalle versammelt, schwarz maskiert, die Hände blutrot bemalt, und Norbert Palz, Präsident der UdK, der sich in einer offiziellen Stellungnahme solidarisch mit Israel erklärt hatte, angeschrien: "Condemn colonialism! It is all German propaganda!". Palz sagt, "er habe in einen Abgrund geschaut - einen Abgrund, dessen Existenz er seit Langem geahnt habe. Viele Studenten lehnten das ganze System als rassistisch und kolonialistisch ab, ohne über Instrumente der Analyse zu verfügen oder eine Vorstellung davon zu haben, was sie an dessen Stelle setzen wollten. Hauptsache, es gehe kaputt; bis dahin könne man aber noch ein Stipendium beantragen. Allen jüdischen Studenten hat er, falls sie Beistand brauchen, seine Mobilnummer gegeben - und am Schluss eines langen Gesprächs, in dem spürbar wird, dass er seine Zuversicht, seinen Glauben ans Wissen, an Argumente und an eine Kunst, die Widersprüche und nicht Gewissheiten artikuliert, nicht verloren hat, am Schluss sagt er, dass die Eskalation ja auch etwas Gutes habe. Die Konflikte seien endlich deutlich sichtbar geworden."

Die in Berlin lebende britische Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo soll den diesjährigen Peter-Weiss-Preis der Stadt Bochum erhalten. Dabei hatte sie den Brief Artists for Palestine UK, den britischen Ableger des BDS unterschrieben, meldet Stefan Laurin bei den Ruhrbaronen: Es brauchte "keine zwei Minuten, um ausfindig zu machen, dass sie sich BDS 'verpflichtet' hat und den jüdischen Staat boykottiert. Keine Zeit für diese zwei Minuten? Die Frage geht an die 8köpfige Jury des Peter-Weiss-Preises: Maryam Aras, Fatma Aydemir, Sieglinde Geisel, Meheddiz Gürle (als kurzfristiger Ersatz für Prof. Dr. Ralph Köhnen) sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen im Rat der Stadt Bochum Sonja Gräf (SPD), Daniel Gorin (Die Grünen), Barbara Jeßel (Die Grünen) und Monika Pieper (CDU). Vorsitz: Kulturdezernent Dietmar Dieckmann. Ebenfalls 2019 hat der Rat der Stadt Bochum einen fraktionsübergreifenden Beschluss gefasst, Titel: 'Nein zu Antismitimus'.Darin sichert der Rat den jüdischen Bürgern Bochum zu, 'dass sie sich in Bochum jederzeit sicher und willkommen fühlen' und 'verurteilt jegliche Form von antisemitischem und antiisraelischem Denken und Handeln, insbesondere auch das Wirken der Boycott-, Divestment- und Sanctions-Bewegung'. "
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9punkt - Die Debattenrundschau vom 22.11.2023 - Kulturpolitik

Im Tagesspiegel rauft sich auch Peter von Becker angesichts der Schließung von neun Goethe-Instituten die Haare - vor allem mit Blick auf Neapel: "Das Institut dort residiert (räumlich bescheiden und bereits seiner Bibliothek beraubt) in einer Etage im Palazzo Sessa. Es ist das einzige Institut in einem Haus, das Goethe selbst besucht hat, wo auch Mozart eingekehrt ist und die Jüdische Gemeinde Neapels ihren Sitz und eine enge Verbindung mit dem Institut hat. Jetzt sind in dieser Metropole des italienischen Südens die zehn Mitarbeiterinnen des Instituts gekündigt, nur die Leiterin Maria Carmen Morese nicht. Die promovierte Germanistin, Autorin und Enkelin eines Widerstandskämpfers wird allein gelassen: ohne Programmetat, ohne gesicherte Liegenschaft."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 18.11.2023 - Kulturpolitik

In der FAS beleuchtet Novina Göhlsdorf die Hintergründe um die Absage der von der in Südafrika geborenen Künstlerin Candice Breitz und dem amerikanischen Holocaust-Forscher Michael Rothberg gemeinsam mit der Bundeszentrale für Politische Bildung organisierten Konferenz "We Still Need to Talk" (Unser Resümee). Die schriftliche Absage der BPB scheint Göhlsdorf verquast, von einem Canceln jüdischer Stimmen, wie Breitz behauptet, könne aber keineswegs die Rede sein. Auch der israelische Soziologe Natan Sznaider, der als Sprecher auf der Tagung vorgesehen war, begrüßte die Absage, schreibt sie: "Er wäre in der jetzigen Situation ohnehin nicht gekommen, hält die Entscheidung jedoch schon allein aus Gründen der Pietät für sinnvoll. … Ihm sei klar gewesen, dass die von der Tagung provozierten Debatten über Erinnerungskultur gerade in einem vom Postkolonialismus geprägten Milieu, in dem Israel oft als Projekt weißer Kolonialisten gilt, heftig werden können. Doch vor dem 7. Oktober hätte man vielleicht intellektuell mit den Begriffen spielen können: 'Ist das 'kolonialistisch', 'zionistisch', 'antisemitisch'?' Sznaider aber glaubt, wir seien seitdem 'von der Theorie in die Praxis' geraten. 'Seitdem ist das kein Spiel mehr. Seitdem geht es um unsere Existenz hier.' Und er könne mit Leuten, die das Massaker der Hamas nicht als Zivilisationsbruch anerkennen und es gar als antikolonialistischen Widerstand verstehen, nicht im selben Raum sitzen."

Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich schreibt in seinem Buch "Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie", wie sich Kunst "in ihrer postmodernen Hybris immer mehr ins Außerkünstlerische verlagert", erinnert Jonathan Guggenberger in der taz: "In der Werteskala aktivistischer Kunst und Kultur steht derjenige hoch im Kurs, der am radikalsten behauptet, sein politisches Engagement sei mehr als Performanz und Rhetorik." Dafür scheine inzwischen jedes Mittel recht: "Verschwörungserzählungen scheinen ein probates Mittel zu sein, um Radikalität und Zeitgenossenschaft zu behaupten. Warum dabei das aktivistische Objekt der Begierde nur die Palästinenser und nicht auch Jesiden, Kurden oder Kongolesen sind oder warum nicht Sinti und Roma vom rassistischen Klammergriff deutscher Schuld befreit werden müssen, bleibt eine offene Frage. Wem die Performativität seines Aktivismus und seiner aktivistischen Kunst wichtiger ist als die Sicherheit von Jüdinnen und Juden, der muss zwar kein Antisemit sein, aber das Signal dieses Opportunismus ist so klar wie brutal."

Einfach "verheerend" nennt Nils Minkmar in der SZ die Entscheidung des Bundestags, neun Goethe-Institute zu schließen: "Europa, einer der reichsten und wichtigsten Märkte der Welt, ist politisch uneins, gelähmt und ratlos. Vor einer intensiveren außenpolitischen, wirtschaftlichen und militärischen Kooperation müssen dafür die gesellschaftlichen Grundlagen verstärkt werden. Der Weg führt über Spracherwerb, Jugendbegegnungen und den kulturellen Austausch. Es war dies schon 1957 in Lille und 1972 in Bordeaux kein Ausdruck politischer Tagträumereien, als diese Institute gegründet wurden, man zog vielmehr die Lehre aus den Erfahrungen von Hass, Nationalismus und Militarismus."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 17.11.2023 - Kulturpolitik

Im Tagesspiegel skizziert der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich die seiner Meinung nach irreversible Spaltung im Kulturbetrieb. Vor allem fürchtet er eine Instrumentalisierung von Interessen, denn Förderzusagen für Institutionen würden zunehmend davon abhängig gemacht, "wen sie ein- und wen sie ausladen und welchen Themen sie sich widmen. …Je nach Interesse kann man für eine Beurteilung Zusammenhänge ausblenden oder beliebig erweitern, doch vor allem kann man jene guten Gründe für ganz andere, ihrerseits keineswegs gute Ziele instrumentalisieren. … So überrascht schon, wer sich auf einmal alles über palästinensischen Antisemitismus empört und erkennbar daran interessiert ist, möglichst viele Akteure des hiesigen Kulturbetriebs in den Verdacht zu bringen, davon geprägt zu sein oder damit zumindest zu sympathisieren. ... Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass unter denen, die sich hier besonders engagieren, etliche ein Problem mit der gesamten Ausrichtung des Kulturbetriebs haben. Verhohlen oder unverhohlen stören sie sich schon länger daran, dass dieser sich so viel um Schwache und um Minderheiten kümmert, sind genervt von Frauenquoten und mehr Aufmerksamkeit für Schwarze oder Queere, haben etwas gegen die Rückgabe von Benin-Bronzen oder eine kritische Revision des Kanons. Aber während sie bisher nur beleidigt oder rückständig erschienen, wenn sie ihren Unmut äußerten, haben sie nun ein fantastisches Mittel zur Hand, um die Kulturinstitutionen aus einer Position moralischer Hoheit anzugreifen."

Derweil kursiert im Internet eine von einer anonymen, aber offenbar BDS-nahen Gruppe lancierte Liste, die die "Haltung von Kulturinstitutionen und -kollektiven gegenüber der aktuellen palästinensischen Befreiungsbewegung" überwachen will, berichtet Timo Feldhaus in der Berliner Zeitung: Bei dem Dokument handele es sich "um eine Art 'schwarze Liste', auf der Kulturinstitutionen und Clubs auf der ganzen Welt sortiert werden. Bis Donnerstagnachmittag sind es 902, die dort eingeteilt werden in Kategorien wie 'Support', 'Silent' oder 'Pro-Zionist' - also den palästinensischen Kampf unterstützend, zum Konflikt schweigend oder eben gleich 'Pro-Zionist'. Letzteres knallrot hinterlegt bedeutet zum Beispiel, dass man nach dem Terrorangriff der Hamas ein 'Stand With Israel' gepostet hat oder sich schlicht gegen Antisemitismus äußert wie der Berliner Club About Blank. In einem weiteren Fenster werden dann mal mehr mal weniger ausführlich die Vergehen der Institutionen notiert."
Stichwörter: Ullrich, Wolfgang, Hamas, BDS

9punkt - Die Debattenrundschau vom 09.11.2023 - Kulturpolitik

Unter dem Titel "We Still Need to Talk" sollte im Berliner Futurium eine von der in Südafrika geborenen Künstlerin Candice Breitz und dem amerikanischen Holocaust-Forscher Michael Rothberg organisierte Konferenz zu den Themen deutsche Erinnerungskultur, Antisemitismus, Islamophobie und Rassismus stattfinden, die Bundeszentrale für politische Bildung hätte das Budget bereitgestellt - und sagte nun mit der Begründung, die Debatte könne aktuell nicht konstruktiv geführt werden, ab, berichten Peter Neumann und Uwe Timm in der Zeit: "Michael Rothberg glaubt nicht, dass die Absage mit dem Zeitpunkt der Tagung zusammenhängt. Er sieht die tieferen Gründe in der Art, wie die Deutschen mit ihrer Geschichte umgehen: 'Aus einer selbstkritischen Erinnerungskultur ist inzwischen eine selbstgerechte geworden, in der eine parteiische Definition von Antisemitismus dafür missbraucht wird, eine kritische Diskussion über Israel zu unterbinden und sogenannte muslimische Einwanderer als an sich antisemitisch zu bezeichnen.' Das gute Deutschland, so sieht es Rothberg, versuche sich von seiner eigenen Schuld zu entlasten, indem es mit dem Finger auf den Antisemitismus von Muslimen zeige."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 03.11.2023 - Kulturpolitik

Von allzu vielen Israel-Fahnen vor deutschen Kulturinstitutionen oder zumindest Veranstaltungen, in denen sich der Schock über die Hamas-Pogrome artikuliert, berichtet eine Autorengruppe im Spiegel nicht. Stattdessen beobachtet sie "eine eigentümliche Kopflosigkeit in den Kulturinstitutionen" und gar "Unsicherheit, Angst, etwas falsch zu machen". Bisher, so die Reportage, folgten die Intendanten eher den Parolen aus dem "Weltoffen"-Aufruf, angeblich nicht weil man BDS war, aber auch nicht aus der im Aufruf behaupteten "Weltoffenheit", so der Spiegel: "'Globaler Süden', 'Postkolonialismus' und 'Intersektionalität' waren die Modewörter, mit denen die Institutionen hofften, konkurrenzfähig zu bleiben. Dass sie an amerikanischen und britischen Universitäten und in der dortigen Kunstwelt häufig mit Israelfeindlichkeit verbunden waren, schienen sie in Kauf zu nehmen." So kam man also auch an Geld und Posten. Ändert sich das jetzt? Wer sich "in Berlin unter Kulturpolitikern umhört, kann jetzt ganz andere Töne vernehmen als noch in den vergangenen Jahren. Die Selbstverständlichkeit dürfte vorbei sein, mit der Projekte bewilligt wurden, die sich unkritisch mit dem Globalen Süden beschäftigen."

Pompidou verewigte sich mit einem Kulturzentrum, Mitterrand mit einer Bibliothek und der Glaspyramide im Louvre, Emmanuel Macron tritt bescheidener auf, berichtet Martina Meister, die für die Welt die in einem alten Jagdschloss entstandene "Cité internationale de la langue francaise" im kleinen Villers-Cotterêts besucht hat: "Man darf sich darunter eine moderne Begegnungsstätte in alter Kulisse vorstellen, in der etwas so Immaterielles wie eine Sprache mit den Möglichkeiten jüngster Techniken durchleuchtet wird. (…) Das Projekt sei wichtig, so Macron, 'weil die französische Sprache für den Zusammenhalt der Nation sorgt, weil die französische Sprache eine der Freiheit und des Universalismus ist." Und: "Noch am selben Abend hat der Senat in Paris einen Gesetzesantrag mehrheitlich verabschiedet, mit dem das oberste Haus die französische Sprache vor den 'Auswüchsen einer inklusiven Schreibweise' schützen und Gendern in Gesetzestexten, aber auch Gebrauchsanweisungen, Verträgen oder Alltagsdokumenten verbieten will."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 01.11.2023 - Kulturpolitik

Stefan Laurin von den Ruhrbaronen hat Unterzeichner des "Weltoffen"-Aufrufs von 2020 gefragt, wie sie heute zu BDS stehen und ob sie den Aufruf heute noch so unterzeichnen würden. Der Aufruf machte sich bekanntlich dafür stark, dass Künstler in ihren Institutionen BDS-Positionen verfechten können. BDS hat sich in einer Erklärung nicht nur nicht von den Hamas-Pogromen distanziert, sondern sie als "machtvolle bewaffnete Reaktion der unterdrückten Palästinenser im Gaza-Streifen" gefeiert. Die meisten Intendanten antworten in fast gleichlautenden Statements, dass sie zu dem Papier stehen. Das Papier sei gar nicht als Unterstützung von BDS gemeint gewesen: "Vielmehr ging und geht es darum, nicht jede oder jeden, die sich mit einzelnen Zielen und Statements aus dem BDS-Umfeld identifizieren, prinzipiell aus dem öffentlichen Diskurs heraus zu drängen. Es gilt also zu differenzieren. Diese Haltung ist auch und gerade nach den grauenhaften und durch nichts zu rechtfertigenden Terrortaten der Hamas ab 7. Oktober 2023 richtig und nötig. Sprechräume für friedlichen Austausch und Debatte sind wichtiger denn je."

Zwei Intendanten sehen es freilich anders. Barbara Mundel von den Münchner Kammerspielen schreibt: "Aus heutiger Sicht verstehe ich das Plädoyer GG 5.3 als Teil einer Entwicklung, die israelbezogenen Antisemitismus normalisiert hat. Das teilweise vorhandene Zögern, den grauenvollen Anschlag der Hamas auf Israel zu verurteilen, hat auch mit der Virulenz dieser Form des Antisemitismus zu tun." Und Michael Grosse, der Generalintendant und Geschäftsführer des Theaters Krefeld und Mönchengladbach, konstatiert: "Insbesondere durch das Fehlen einer aktuell tatsächlich angemessen solidarischen Positionierung - ohne jedwede Relativierung - für die existentiellen Belange Israels durch die Initiative Weltoffenheit, ist die Unterzeichnung aus dem Jahre 2020 so nicht mehr haltbar und muss zurückgezogen werden. Jedweder - noch so kleine - Interpretationsverdacht, der in der jetzigen Situation die Solidarität mit Israel in Frage stellen könnte, muss ausgeschlossen werden."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 23.10.2023 - Kulturpolitik

Warum wird das Pergamonmuseum nach einem Entwurf von Oswald Mathias Ungers aus dem Jahr 1999 umgebaut, fragt Nikolaus Bernau verzweifelt im Tagesspiegel. Ungers habe sich "nie wirklich für den neuklassizistischen Monumentalbau seiner Vorgänger Alfred Messel und Ludwig Hoffmann interessiert". Was mit der Umsetzung seiner Pläne droht, kann man doch jetzt schon sehen, meint Bernau: "Bereits weitgehend fertig ist der neue Eingangsbau zum Ostflügel. Er zeigt uns, was mit diesem Vierten Flügel droht: Eine doktrinäre Architektur, die unbedingt mit den zweifellos gewaltigen Fassaden Messels und Hoffmanns konkurrieren will, statt sich ihnen einzufügen, gar unterzuordnen. Um 1999 mag das als ehrende Abrundung des Lebenswerks von Ungers noch akzeptabel gewesen sein, sogar noch um 2010 - aber 2040 wird sie schlichtweg unverständlich und vertrocknet erscheinen."