A. L. Kennedy

Als lebten wir in einem barmherzigen Land

Roman
Cover: Als lebten wir in einem barmherzigen Land
Carl Hanser Verlag, München 2023
ISBN 9783446276246
Gebunden, 464 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Ingo Herzke und Susanne Höbel. Soll man Unbarmherzigen gegenüber barmherzig sein? Anna unterrichtet an einer Grundschule und möchte immer noch die Welt verbessern. Wie vor fünfundzwanzig Jahren, als sie in Edinburgh mit einer Gruppe von Straßenkünstlern gegen die Kriegs- und Sozialpolitik der englischen Regierung demonstrierte. Was sie damals nicht ahnte: Einer ihrer Kumpane war ein V-Mann, der sie alle verriet. Nun stellt sie dem Peiniger nach. Doch bis wohin reicht das Böse - und kann Anna sich selber davon freihalten? Ein Roman der moralischen Beunruhigung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.04.2023

An Rumpelstilzchen fühlt sich Rezensentin Tina Hartmann bei der Lektüre von A.L. Kennedys neuem Roman erinnert, der von  Anna, Lehrerin an einer Londoner primary school,  erzählt, die anlässlich eines Gerichtsprozesses auf ihre Vergangenheit trifft. Einst war sie Mitglied in einem subversiven Orchester, verrät Hartmann, wo sie in Kontakt mit jenem Rumpelstilzchen kommt, einem scheinbaren Freund, der nun die illegalen Aktionen seiner ehemaligen Freunde vor der Anklagebank aus ausbreitet. Die Kritikerin sieht hier klare Bezüge zu aktuellen Debatten um die Strafbarkeit von Aktivismus, aber auch zur drohenden Spaltung der englischen Gesellschaft durch Politik, Corona und Schulen. Besonders überzeugt sie der Detailreichtum der Erlebnisse Annas, die auch durch ihre Familie sowie eine Vergewaltigung traumatisiert ist. Wenn Kennedy davon immer wieder in Abschweifungen erzählt, ist Hartmann erst irritiert, dann gefesselt. "Ein Buch der Stunde", resümiert sie.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.04.2023

Geniale Autorin, packendes Buch, findet Rezensent Marcus Hladek. A.L. Kennedys im Londoner Lockdown spielender Roman führt ihm noch einmal den ganzen Irrsinn des Brexits vor Augen, formal als zwischen zwei Erzählstimmen wechselnder Bericht, inhaltlich als Geschichte über einen lange zurückliegenden Verrat zwischen einer idealistischen Lehrerin und einem V-Mann der Polizei. Dass die Grenze zwischen Gut und Böse im Text nicht eindeutig gezogen wird, erscheint Hladek als Gewinn.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 05.04.2023

A.L. Kennedys Erzählerin Anna McCormic steckt in einem Dilemma: Zwischen Brexit, Corona-Lockdowns, Klimakrise und Armut soll sie Kindern als Grundschullehrerin Lust aufs Leben vermitteln, resümiert Rezensent Fokke Joel. Aber das ist noch nicht alles: Aus ihrer Vergangenheit taucht plötzlich Buster auf - ein psychopathischer V-Mann der Londoner Polizei, der sich einst in ihre linke Aktivistengruppe schlich, mit ihr eine Beziehung begann und nun eine Lebensbeichte in Briefen ablegt. Angelehnt ist jener Buster an Mark Kennedy, der in ganze Europa linke Gruppierungen unterwanderte, klärt uns Joel auf. Nicht nur wie sich Kennedy in ihre Figuren einfühlt, findet der Rezensent bemerkenswert. Es sind vor allem die "Ironie" und der "Sarkasmus", mit denen die Autorin die großen Lebensfragen in einer wenig hoffnungsvollen Zeit angeht, die den Kritiker nachhaltig beeindrucken.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 01.04.2023

Rezensent Richard Kämmerlings liest mit A.L. Kennedys neuem Roman einen "wütenden und tiefschwarzsehenden Abgesang" auf die britische Politik und Gesellschaft. Die Protagonistin Anna ist traumatisiert von einem Erlebnis aus ihrer Jugend, als sie mit einer aktivistischen Theatergruppe gegen die Übel der Gesellschaft demonstrierte: Der Illusionskünstler Buster, in den sich Anna verliebte, entpuppte sich später als verdeckter Ermittler und bringt die ganze Gruppe vor Gericht, so der Rezensent. Zwanzig Jahre später schreibt sie diese Erlebnisse während der Pandemie in einem Tagebuch nieder. Kennedys Buch ist raffiniert konstruiert und rührt an die elementaren Fragen von der Natur des Bösen (oder Guten), so der Rezensent. Die Autorin gibt sich aber nicht mit einfachen Antworten zufrieden, sondern zeigt auf, wie schnell die Grenzen zwischen beidem verschwimmen. Das kann bisweilen verstören, ist aber realistisch und vor allem gut gemacht, lobt Kämmerlings.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.03.2023

Der neue Roman der schottischen Schriftstellerin A.L. Kennedy ist eine schonungslose Abrechnung mit der britischen Gesellschaft und Politik, notiert Rezensent Paul Jandl. Hauptfigur ist die Grundschullehrerin Anna McCormick, die während der Zeit der Pandemie Tagebuch schreibt, um die Krise zu bewältigen. Eine Geschichte aus ihrer Jugend in den achtziger Jahren, als sie mit einer Theatertruppe gegen die politischen Verhältnisse demonstrierte, lässt sie nicht los, berichtet Jandl: Ihr damaliger Freund Buster war eigentlich V-Mann der Metropolitan Police, der alle aus der Gruppe verraten hat. Der skrupellose Buster personifiziert die verkommene Machtelite, erkennt der Kritiker, die das Volk schamlos hintergeht. Einen finsteren "Endzeit-Heimatroman" hat Kennedy dem Rezensenten zu Folge hier verfasst und befindet sich damit erschreckend nah an der Realität.