Andreas Wirsching

Abschied vom Provisiorium

Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1982-1990 (Band 6)
Cover: Abschied vom Provisiorium
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2006
ISBN 9783421067371
Gebunden, 848 Seiten, 49,90 EUR

Klappentext

Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 5 Bände in 6 Teilbänden, herausgegeben von Karl D. Bracher, Theodor Eschenburg, Joachim C. Fest und anderen.
Als 1982 Helmut Kohl unter dem Schlagwort der "geistig-moralischen Wende" Kanzler wurde, hofften seine Anhänger auf Stabilität nach den unruhigen siebziger Jahren, seine Gegner fürchteten eine Zeit der Restauration. 1990 lag die erste Hälfte seiner Kanzlerschaft hinter ihm: Sie war geprägt von Auseinandersetzungen um Nachrüstung und Umweltpolitik; Massenarbeitslosigkeit und Rentendiskussion verunsicherten die Bevölkerung, die Medienlandschaft wurde revolutioniert.
Andreas Wirsching entwirft ein breites Panorama der achtziger Jahre. Er spürt den Tiefenkräften der bundesdeutschen Gesellschaft nach und beschreibt einen Epochenwechsel, der sich in drei Erscheinungen ausdrückt: einer Individualisierungsspirale, der Expansion des Sozialstaats und der Unterspülung seiner Fundamente infolge des demographischen, ökonomischen und soziokulturellen Wandels. Am Ende stand jedoch das alles überstrahlende Ereignis: die Wiedervereinigung.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.09.2006

Hubert Leber würdigt diesen Band über die achtziger Jahre der Bundesrepublik als beträchtliche Leistung des Historikers Andreas Wirsching, weil er tiefe Einblicke in die politische, soziale und kulturpolitische Entwicklung bietet. Der Rezensent zeigt sich von der großen Sachkenntnis des Autors beeindruckt und bemerkt auch angetan, dass sich der Band abgesehen von seltenen Ausflügen in den Fachjargon als sehr gut lesbar zeigt. Zum ersten Mal wird hier eine "Gesamtdarstellung" dieser Zeit geboten, die sich auch einer Deutung nicht enthält, so die Rezensentin erfreut. Bei Wirsching erscheint diese Spanne trotz des allgemein herrschenden Optimismus als eine Zeit der "gescheiterten Krisenbewältigung", konstatiert Leber einverstanden, dem lediglich die grundsätzlich pessimistische Grundhaltung, die aus dem Buch spricht, gar zu "fatalistisch" erscheint.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.08.2006

Äußerst mühsam findet Rolf Steininger die Lektüre dieser Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in den achtziger Jahren, die Andreas Wirsching verfasst hat. Den Autor würdigt er zwar als ausgezeichneten Kenner der Materie. Dessen anstrengender Schreibstil aber stößt ihm sauer auf. Kein Wunder: 700 Seiten "ohne Lesevergnügen" schaffen selbst den stärksten Rezensenten. Aber auch inhaltlich hält Steiniger das Werk für nicht rundum gelungen. So moniert er eine "merkwürdige Gewichtung", etwa wenn von den Leistungen der Friedensbewegung im Blick auf die nukleare Abrüstung Ende der achtziger Jahre die Rede ist, nicht aber von ihrer Finanzierung durch die SED. Wichtige Ereignisse wie der Kanzlersturz 1982 oder Erich Honeckers Besuch 1987 werden für seinen Geschmack seltsam unlebendig geschildert. Generell durchwachsen scheinen Steininger die Kapitel über die Deutschland- und Außenpolitik. Pluspunkte vergibt er dagegen für die Kapitel über die Wirtschafts-, Finanz- und Gesellschaftspolitik. Zu einer Eins mit Stern reicht es wegen des Stils aber auch hier nicht.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.05.2006

Hier spricht ein Fan der Reihe "Geschichte der Bundesrepublik Deutschland", deren sechster Band (1982-1990) nun vorliegt. Als solcher weiß Edgar Wolfrum sogar die buchgestalterischen Unterschiede zwischen dem Band und seinen Vorgängern festzustellen ("die repräsentative Ausstattung fehlt"). Wichtiger ist natürlich der Inhalt. Und da gibt es selbst für Wolfrum wenig zu meckern. Wie der Historiker Andreas Wirsching sich das "System Kohl" eingehend vornimmt, ohne die anderen Parteien zu vergessen und ohne die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse auszusparen, hält er für gelungen. Für den Rezensenten entwirrt sich da so einiges, wenn er die Stärken des Buches auch eindeutig im wirtschaftlichen Bereich sieht, während er die Kapitel über die Kultur und den Zeitgeist der 80er für weniger gelungen hält. Immerhin werde dem Leser der Trend zur uniformierten Massenkultur eingängig vor Augen geführt. Bei allem Wohlwollen des Rezensenten angesichts der inhaltlichen Fülle bleibt doch ein großer Wermutstropfen: Leserfreundlich ist das alles nicht. Steckt zumindest Wolfrum die "nüchterne Wissenschaftssprache" offenbar locker weg, so muss er doch eine besonders feingliedrige Abschnittsunterteilung kritisieren, die den Erzählfluss "vollkommen zerreißt".