Boualem Sansal

Der Zug nach Erlingen oder Die Verwandlung Gottes

Cover: Der Zug nach Erlingen oder Die Verwandlung Gottes
Merlin Verlag, Gifkendorf 2019
ISBN 9783875363333
Gebunden, 260 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Vincent von Wroblewsky. Was verbindet Ute von Ebert, Nachfahrin einer Industriellenfamilie und Erbin eines reichen, weltumspannenden Industriekonzerns, und Elisabeth Potier, pensionierte Lehrerin eines Gymnasiums im Brennpunkt der Pariser Banlieue? Ute von Ebert lebt in Erlingen, einer zwölftausend Bürger zählenden deutschen Gemeinde, die von einem unbenannten und unbekannten Feind belagert und bedroht wird. Dieser Feind hat kein anderes Ziel, als alle Menschen seinem Gott zu unterwerfen. Die Bevölkerung von Erlingen wartet derweil fieberhaft und gottergeben auf einen Zug, der sie angeblich evakuieren wird. Doch der Zug kommt nicht. Elisabeth Potier lebt seit ihrer Pensionierung und bis zu ihrem folgenschweren Unfall in der Pariser Metro als Privatlehrerin in Bremen, wo sie den verwöhnten Sprössling einer alten hanseatischen Industriellenfamilie unterrichtet. Ute und Elisabeth - beide Frauen beobachten das Fortschreiten eines sektiererischen Glaubens und die Verwandlung und den Zerfall der erschlafften demokratischen Gesellschaft und revoltieren sich ... Offen und sarkastisch  Sansal benennt die virulenten Themen der Zeit: den religiösen Extremismus, den hemmungslosen globalen Kapitalismus, die Umweltzerstörung und den bürgerlichen Phlegmatismus sowie Feigheit und Unvernunft, die längst auch die politischen Eliten erfasst haben. "Der Zug nach Erlingen" ist der letzte Teil einer Trilogie, in der sich Boualem Sansal mit dem Thema Islamismus auseinandersetzt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.11.2019

Rudolf von Bittner schätzt die geistige Unabhängigkeit, die der algerische Schriftsteller Boualem Sansal seit Jahren an den Tag legt. Auch in seinem neuen Buch tritt Sansal mit Verve gegen doktrinäre Verblendung ein, doch der Rezensent hätte sich dieses Engagement besser in einem Essay vorstellen können als in einem Roman. In der Geschichte um zwei Mutter-Tochter-Paare und die großen Fragen von Migration und Islamismus findet Bittner zu viele Erzählstränge und lose Enden, als dass sich daraus ein tragendes Erzählgewebe hätte spinnen lassen.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 12.09.2019

Beeindruckt ist Rezensent Dirk Fuhrig, aber nicht völlig begeistert von diesem neuen Roman des mutigen algerischen Schriftstellers. Aus den Spuren vergangener und gegenwärtiger Migration knüpft der Autor ein für ihn kaum noch erkennbares Netz von Wanderungsbewegungen und Schicksalen. Der fiktive deutsche Ort Erlingen ist dabei in einer unbestimmten Zukunft angesiedelt, Ereignisse der Vergangenheit sind dagegen oft erkennbar - die islamistischen Anschlägen in Paris beispielsweise. Andere Geschichten, wie die einer in den USA reich gewordenen Auswandererfamilie aus Deutschland, reichen in noch fernere Zeiten zurück. Um uns die Schreibhaltung des Autors verständlich zu machen, zitiert der leicht überwältigt wirkende  Rezensent sehr viele erklärende Passagen aus dem Roman - der ihm dann aber doch immer wieder zu entgleiten scheint. Einzig stabil scheint ihm Sansals Schreibmotivation, nämlich die Darstellung der immer gleichen menschlichen Wege und Irrwege zwischen der "Suche nach Glück" und der "Zufälligkeit des Schicksals". Das nötigt Fuhrig Respekt ab, aber ganz gelungen findet er es nicht.