Christina Viragh

Pilatus

Roman
Cover: Pilatus
Ammann Verlag, Zürich 2003
ISBN 9783250600565
Gebunden, 237 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Ein Geheimnis verbindet Jolan und K., ein Geheimnis, das die ungleichen Schwestern aneinanderkettet und unerbittlich miteinander ringen läßt. Seit dem rätselhaften Verschwinden ihrer Mutter, die von einem gemeinsamen Bergausflug mit Jolan nicht wiederkehrt, nimmt die Haßliebe zwischen den Schwestern bedenkliche Formen an. K. hat Jolan nie verziehen, um so weniger, als sie aus ihr nicht herausbekommt, was an jenem Oktobertag, der voller unguter Vorzeichen begann, eigentlich geschehen ist. Einem Familienrätsel gilt es auf die Spur zu kommen, das sich über Generationen hinweg zu wiederholen scheint, während den Männern, bei denen sich die Wege der Frauen kreuzen, meist nur die Flucht bleibt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.03.2004

Eine "geballte Ladung Aggression" hinterließ die Lektüre von Christina Viraghs Roman bei Rezensentin Meike Fessmann - und dies nicht, weil er misslungen wäre, sondern weil Fessmann den Eindruck hatte, die Autorin wolle "direkt auf unser Gehirn zugreifen - als wäre es eine Festplatte, auf der sich Daten beliebig manipulieren ließen". Das Buch ist und schildert eine verbalen Gewalttat, berichtet die Rezensentin: das Wortduell der Schwestern Jolan und K., deren Mutter bei einer Wanderung auf den nahe Luzern gelegenen Berg "Pilatus" verschollen ist und die in Briefen und Mails um die "Deutungshoheit" dieser Familiengeschichte kämpfen, wobei "jedes ihrer Worte eine Täuschung ist" und der "Vernichtung" des andren dient; es ist eine Gewalttat, indem es jede gegebene Informationen sofort wieder zurücknimmt, verändert oder in Zweifel zieht, so Fessmann, die indessen der Präzision, mit der Viragh jedes Wort und jeden Satz platziert, ebenso wie der "Konsequenz" der Autorin durchaus "Bewunderung" zollt: "Wer so mit seinen Lesern umgeht, der rechnet damit, keine zu haben. Und das ist das Thema."
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.10.2003

Sabine Brandt kann sich eines gewissen "Deja-vu"-Eindrucks nicht erwehren, denn das Personal und den Handlungsort dieses Romans kennt sie schon aus einem früheren Roman der ungarisch-schweizerischen Autorin. Erzählt wird auch in diesem Buch von einer Mutter und ihren beiden Töchtern, die von Ungarn in die Schweiz ausgewandert sind. Während eines Ausflugs auf den Berg "Pilatus" mit der Tochter Jolan, verschwindet die Mutter spurlos, fasst Brandt die Haupthandlung des Romans zusammen. Die Rezensentin wirkt etwas angestrengt und ermüdet, denn sie moniert, dass in diesem Buch zwar vieles angedeutet, aber nichts erklärt wird. Letztlich bleiben die Zusammenhänge dieser komplizierten und unheilvollen Familiengeschichte "undurchschaubar", so die Rezensentin unzufrieden. Sie scheint sich dabei besonders an den obskuren Sätzen der Tochter Jolan gestört zu haben, denn sie meint, diese hätten "keinerlei Mitteilungswert" und zeichnen sich lediglich durch "unentwegte Schlussreime" aus. Brandt hätte sich von der Autorin mehr "Aufklärung" gewünscht, daran lässt sie keinen Zweifel.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.02.2003

"Pilatus" knüpft an Viraghs vorhergehenden Roman "Mutters Buch" an, erläutert Beatrice von Matt. Auch diesmal stehe die Mutter im Vordergrund, allerdings sei sie von vornherein verschwunden und beschäftige damit um so mehr die Phantasie ihrer beiden Töchter. Während im Vorgängerroman überwiegend Jolan, die Ältere berichtete, tritt nun K., die Jüngere auf den Plan, die wesentlich handfester schreibt. Viragh schiebe die verschiedensten Schreibverfahren und Sichtweisen in- und übereinander, so von Matt; was als Tatsache am Anfang stünde, dass nämlich die Mutter bei einer Bergwanderung verschwunden ist, werde immer nebulöser. Je detaillierter die Berichte werden, um so mehr Rätsel tauchen auf, erklärt von Matt. Das philosophische Anliegen des Roman fasst sie folgendermaßen zusammen: gerade die Erkenntnis unserer nächsten Umwelt, unserer Nächsten werde uns von den eigenen Interessen verstellt. Viragh betrete mit dem Roman durchaus unsicheres Gelände, nimmt von Matt den metaphorischen Faden auf, das sich "trotz Rutschgefahr" zu betreten lohne.
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