Denis Johnson

Schon tot

Roman
Cover: Schon tot
Alexander Fest Verlag, Berlin 2000
ISBN 9783828601215
Gebunden, 631 Seiten, 25,46 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell. Einen Sommer lang liegt die kalifornische Küste nördlich von San Francisco unter Nebel begraben - die Klippen, die Berge, die Wälder mit ihren riesigen Redwodbäumen, die Flüsse und die Strände. Aus diesem Nebel taucht eines Tages ein Mann auf, Carl Van Ness. Dicke randlose Brille, langer Fu-Manchu-Bart. Man sieht ihn häufig in Point Arena, einem windigen Ort nördlich von San Francisco. Er ist ein ehemaliger Matrose, jetzt ohne Arbeit, ein Drifter der Highways, ein Sonderling, den es wie so viele andere nach Westen verschlagen hat. Niemand erwartet oder braucht ihn. Aber Van Ness kommt mit einem Plan, und er scheint bereit, ihn unter allen Umständen auszuführen - koste es, was es wolle. Kurz darauf geschieht ein Mord; danach ist in Point Arena nichts mehr wie zuvor.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.04.2001

Thomas Hermann fragt sich zunächst, wo man dieses Buch am besten einordnen könnte: Komödie, Western, Satire, Tragödie oder gar Schauerroman? Doch keine dieser Gattungen trifft es seiner Ansicht nach wirklich, auch wenn der Roman mit seinem "Haufen hoffnungslos zappelnder Individuen" von allem etwas besitze. Der Handlung selbst kann Hermann offensichtlich nicht viel abgewinnen, doch diese Schwäche wird seiner Ansicht nach durchaus mehr als wett gemacht durch Johnsons "suggestiv bildhafte Sprache", die nach Hermann auch in der Übersetzung erhalten bleibt. Eine weitere Stärke sieht der Rezensent in der Zeichnung des "outlaw"-Milieus, das in so krassem Gegensatz zur kontrollsüchtigen amerikanischen Gesellschaft stehe. Dieses Milieu haben zwar, so Hermann, schon zahlreiche Autoren vor Johnson beschrieben - doch selten "mit einer derartigen Konsequenz".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.03.2001

"Selten" hat die Rezensentin Agnes Hüfner bei diesem "dicken Wälzer" Seiten "überschlagen", und das ist für sie wohl Grund genug, in den allgemeinen Jubelgesang auf Denis Johnsons Roman einzustimmen. Die Tradition des Schauerromans aufgreifend, spiele Johnson "vor großartiger, wortreich ausgemalter Landschaftskulisse" zum "Tanz auf". Wenn er auch manchmal keinen Wert auf logische Auflösung von Handlungsfäden seiner gespenstischen Kriminalgeschichte legt, so fällt das für Hüfner nicht sonderlich ins Gewicht bei einem Erzählstil, der zwar "verständig und mitleidig" mit seinen Figuren umgehe, aber dabei keineswegs die ironische Distanz vermissen lasse. Somit für die Rezensentin kein Grund "zum Heulen", eher volles Vergnügen bei einer Geschichte mit vielen "komischen Typen". Nur anscheinend doch ein wenig zu lang für unsere Rezensentin. Gut, dass sie nicht "Krieg und Frieden" besprechen musste.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.11.2000

Als "dunklen und gewaltigen Roman", dessen Thema die Literatur selbst sei, lobt Kolja Mensing das 1996 in Amerika und nun auch auf deutsch erschienene Buch von Denis Johnson "Schon tot". Dass Johnson seine Autorenschaft am Schluss seines 600 Seiten langen Romans verleugne und dass es in dem Buch selbst um einen ebenfalls autorenlosen rätselhaften Text geht, wirkt nur auf den ersten Blick wie ein postmodernes Verwirrspiel, versichert Mensing. Die Geschichte um einen Marihuanafarmer, der während des Golfkriegs einen Selbstmörder zum Mord an seiner Frau überredet, folge vielmehr den Regeln des klassischen Romans. Der alkoholabhängige Farmer und der nietzscheanisch auf seinen Messias hoffende Selbstmörder seien das typische Doppelgängerpaar des romantischen Schauerromans, schreibt der Rezensent. Doch der Untertitel "A California Gothic" sei in der deutschen Ausgabe unterschlagen worden. Schon durch Namensgebungen wie "Frankenstein" und die eindringliche Beschreibung der trockenen und düsteren Landschaft Nordkaliforniens zeige der Autor sich dieser Tradition verpflichtet. Durch die Einblendungen "medial aufgeladener Einsprengsel" aus Golfkrieg und Politik werde der Roman zu "einem panoramaartigen Bericht aus der Zwischenzeit der frühen 90er-Jahre".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.11.2000

Verhalteneren Jubel als bei den früheren Büchern Johnsons konstatiert Eberhard Falcke bei sich, was seiner Bewunderung für diesen Autor jedoch keinen Abbruch tun soll. Johnsons Roman spiele irgendwo am Rande der Landkarte in Kalifornien, in einer Gemeinde der Ratlosen und geistig Entwurzelten, die ihr Heil in Drogen, Kriminalität und Esoterik suchen. Einsamkeit, Glaubenssehnsucht und Wahnvorstellungen liegen bei Johnson eng zusammen, so Falcke, woraus der Autor einerseits eine Kriminalgeschichte strickt (beinahe biblisches Muster: die Anstiftung zum Mord wendet sich schließlich gegen den Anstifter) und andererseits einen alle Register der Esoterik ziehenden Schauerroman entwirft. Für Falcke wandelt Johnson stilistisch zwischen Pathos, das sich in gewaltigen Bildern entlädt, aber nie missrät, und Groteske, die von der Situationskomik bestimmt ist - eine den Gegensätzen verpflichtete Erzählweise, die in seinen Ohren ganz unverwechselbar klingt. Johnsons Figuren, schreibt Falcke, "spielen die Komödie des lächerlichen Lebens, und dennoch flackern irgendwo hinterm Erzählhorizont die Lichter der Verheißung und die Feuer der Verdammnis". Lobende Worte zum Schluss für die inspirierte Übersetzung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.10.2000

Der Rezensent Peter Körte empfiehlt dieses Buch wärmstens und befindet sich damit in der Gesellschaft von Autoren wie Don DeLillo, Phillip Roth und Raymond Carver, die `Blurbs` - das sind die lobenden kleinen Zitate auf den Buchumschlägen - für Denis Johnsons Roman lieferten, wie Körte gleich im ersten Absatz betont. "Schon tot" trägt im Original den Untertitel "A California Gothic" und dieses "Noir"-Atmosphäre trifft die Stimmung dieses Romans, den Körte wie folgt beschreibt: "halluzinativ wie ein Drogentrip, voller Metaphysik und Mord, ein gefährlicher Strom, der Treibgut der Hippiekultur mit sich reißt". Der Aufbau der Erzählung sei ein ganz eigener, fragmentiert und mit einem "assoziativen Rhythmus". Da merkt man, meint Körte, dass Johnson früher Lyrik geschrieben hat. In seiner enthusiastischen Kritik hebt Körte besonders die Fähigkeit des Erzählers hervor, die Plot-Stränge zufällig wirken zu lassen und zu zerlegen, und doch gleichzeitig "die Kontrolle in diesem zentrifugalen Universum" zu behalten.
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