Jerome Charyn

Die dunkle Schöne aus Weißrussland

Roman
Cover: Die dunkle Schöne aus Weißrussland
Alexander Fest Verlag, Berlin 2000
ISBN 9783828601246
Gebunden, 142 Seiten, 15,24 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Eike Schönfeld. "Sie war ein Held, so raubgierig wie die Männer um sie herum, und ihre Schönheit war wie eine Infektion, gegen die sich niemand schützen konnte. Was ich an Gaben habe, an großen oder nicht so großen, habe ich von ihr. Sie teilte meine Geheimnisse, ich war ihr dunkler kleiner Mann, und zwischen uns gab es Liebe und Hass." Mit diesen Worten beschreibt Jerome Charyn die Liebe zu seiner Mutter, der "dunklen Schönen", einer weißrussischen Jüdin, die als Mädchen von Russland nach New York kam und sich nun mit ihrer jungen Familie in der korrupten Bronx der 40er Jahre durchschlägt. In den Kindheitserinnerungen des damals fünfjährigen Charyn läßt er Faigele, wie sie liebevoll genannt wird, mit all ihrem rätselhaften Charme, ihrer Melancholie und doch Lebenstüchtigkeit wiederauferstehen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.03.2001

Ralph Dutli bespricht ein autobiografisches und ein fiktives Buch von Charyn und findet sie beide aus dem gleichen Stoff gemacht.
1. Jerome Charyn: Die dunkle Schöne aus Weißrußland.
Dieses Buch über die Kindheit des Autors, in dem er als Fünfjähriger vor allem seine Mutter anhimmelt, geht dem Rezensenten ziemlich auf die Nerven. Es ist ihm zu sentimental und "blumig" und außerdem kann er den Mythos von der "Superlativ-Mutter" irgendwann einfach nichts mehr hören.
2. Jerome Charyn: Der Tod des Tango-Königs.
Auch diesen Kriminalroman geißelt der Rezensent als "sentimentales Bronx-Märchen". Ihn stören die vielen lateinamerikanischen Ausdrücke, mit denen der Autor "kokettiert", und er tut das ganze Buch als "Romänchen" ab. Die geschilderte Welt sei ein "sonderbar geschöntes Märchenreich", kritisiert Dutli, der diesem "modischen Mix" nichts abgewinnen kann.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.03.2001

In einer Doppelrezension bespricht Jörg Häntzschel zwei Bücher von Jerome Charyn. Zwar sei das eine autobiografisch, das andere ein Roman, verbindend bleibe allerdings die Struktur, nach welcher die Geschichten aus "Gerüchten und Anekdoten, Melodramen und Komödien" zusammengesetzt sind.
1.) Jerome Charyn: "Die dunkle Schöne aus Weißrussland" (Alexander Fest)
Die Kindheitserinnerungen an die New Yorker Bronx zeichnet laut Häntzschel eine "Sensibilität" aus, die mit "europäischer Melancholie und sehr viel Tragikomik" vermischt ist. Es sei der Blick eines Kindes, das sich in einer Welt bewegt, die aus verschiedensten Mosaiken zusammengesetzt ist. Dem Autor gelinge es einerseits ein idealisiertes "wunderbar rundes Porträt" seiner Mutter zu zeichnen, und trotzdem die naheliegenden "Mafia-Klischees" der Bronx zuverlässig zu vermeiden, rühmt Häntzschel und verspricht, dass Charyns Protagonisten "witziger und tragischer" sind, als alle "De Niros" die wir Leser kennen. 2.) ders: " Der Tod des Tangokönigs" (Unionsverlag)
Weitaus weniger gelungen findet Häntzschel diesen Roman, in dem eine "Gangsterbraut" von New York nach Kolumbien geschickt wird, wo sie im Auftrag der Regierung spionieren muss. Dort verliert sie sich - wie nicht anders zu erwarten, Häntzschel meint - selbst in den üblichen Netzen von "Verschwörungen, Machtkämpfen und Romanzen". Die Figuren haben zwar alle "mehrere Gesichter", und die Grenzen zwischen "Wahrem und Erfundenem" verschwimmen, so richtig in Gang kommt der Roman aber nicht, klagt der Rezensent. Er Rezensent meint, dass Charyn wohl so etwas wie Thomas Pynchons "paranoides Weltgemälde" vorgeschwebt hat, doch sei sein "Atem" dafür zu kurz.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.11.2000

Martin Krumbholz hat am Ende den Eindruck: "Hier ist die Welt noch satt und prall und voll in Ordnung". Obwohl die Welt eindeutig nicht in Ordnung ist, sondern Krieg führt und das Leben im jüdischen Emigrantenmilieu, in der New Yorker Bronx der 40er Jahre nicht gerade behütet ausfällt. Krumbholz bespricht ein Erinnerungsbuch, ein Kindheitsbuch, wie es seit Frank McCourts "Die Asche meiner Mutter" populär ist. Im Mittelpunkt steht die Person der Mutter, die in diesem Fall, aus Weißrussland kommend, bereits in Amerika eingetroffen ist. Eine höchst selbständige Frau, der die Männer aufgrund ihrer Schönheit und ihres entzückenden fehlerhaften Englisch reihenweise zu Füßen liegen. Krumbholz liefert Beispiele, die aus dem Zusammenhang gerissen nicht sehr überzeugend wirken: "Ist Leute vom Finanzamt in andere Zimmer?" Sich selbst bleibe die Dame jedenfalls treu, berichtet Krumbholz und verweist noch auf einen fotografischen Teil, in dem man sich den Autor und seine Protagonistin vor Augen führen kann. Bemerkenswert: "Baby Charyn" trug schon mit 5 Jahren außer einem Topfschnitt eine Krawatte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.09.2000

Margit Irgang sieht sich in den Erinnerungen des Autors an amerikanische Gangsterfilme der vierziger Jahre erinnert und hat auch schon die perfekte Besetzung dafür im Kopf. Sie ist beeindruckt von dem Gedächtnis des Erzählers, der sich nach mehr als fünfzig Jahren nicht nur an die Farbe des Kleides erinnert, das seine Mutter an einem bestimmten Abend getragen hat, sondern in allen Einzelheiten die politischen Diskussionen wiedergeben kann, die an diesem Abend geführt wurden. Da vermutet die Rezensentin doch eher dichterische Phantasie am Werk, was sie dem Autor aber mitnichten zum Vorwurf macht. Im Gegenteil preist sie ihn als "wahren Dichter" und "Magier", der die "Wirklichkeit in eine wunderschönen Geschichte" verzaubert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.09.2000

Ganz begeistert ist der Rezensent Peter Körte von den Kindheitserinnerungen des Schriftstellers und Hollywoodenthusiasten Jerome Charyn - mit der "dunklen Schönen" ist seine Mutter gemeint. Charyn hat zwar schon über 20 Romane geschrieben, ist aber zum Bedauern des Rezensenten in Deutschland bislang durch das "Rezeptionsraster für US-Literatur" gefallen. An dieser autobiografischen Erzählung, die eine Kindheit in der Bronx in den 40er Jahren schildert, gefällt Körte, dass die "sentimentale Behäbigkeit so vieler autobiographischer Herzensergießungen" fehlt. Er lobt die Bildhaftigkeit des "phantastischen Realismus" von Charyns Prosa, die Anleihen beim Kino und der Comicsprache nehme und die "traumwandlerische Balance". In diesem Zusammenhang lobt Körte auch die Übersetzungsleistung von Eike Schönfeld, der "für Charyns Sound eine eigene Melodie gefunden hat".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.08.2000

Jerome Charyn, so der Rezensent Robert Brack, ist "einer der außergewöhnlichsten Krimi-Autoren" der USA. Er liebe die Karikatur und die Groteske, seine Romane bewegten sich in der Nähe zu Comics. In einer Doppelrezension werden von Brack Charyns neuester Roman und der autobiografische Text "Die dunkle Schöne aus Weißrussland" besprochen.
1) "Der Tod des Tango-Königs" (Unionsverlag/Metro)
Charyns neuer Roman spielt nicht, wie üblich, in New York, sondern in der kolumbianischen Stadt Medellin - und damit ist der Drogenmafia-Hintergrund bereits vorgegeben. Die Heldin Yolanda gerät in ein Gewirr von Machtkämpfen, Verschwörungen und Terror, wie der Leser erfährt. Charyn mixt aus diesen Zutaten eine "hyperreale" Wirklichkeit, in der sich "der gesamte irrationale Wahnsinn des globalen Zeitalters" entdecken lässt, so Brack.
2) "Die dunkle Schöne aus Weißrussland" (Alexander Fest Verlag)
Nur etwas weniger hyperreal als die Welt seiner Romane ist die Welt der Bronx, in der der Autor in den 40er-Jahren aufwuchs, merkt Brack an. Charyns hier geschildertes eigenes Leben zwischen den verschiedensten Subkulturen sei alles andere als ereignislos gewesen. Tatsächlich handelt es sich auch bei den Erinnerungen beinahe um einen "Roman noir" mit jeder Menge Intrigen und Komplotten, so der Rezensent.