Dorothee Elmiger

Aus der Zuckerfabrik

Cover: Aus der Zuckerfabrik
Carl Hanser Verlag, München 2020
ISBN 9783446267503
Gebunden, 272 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

"My skills never end" steht auf dem T-Shirt eines Arbeiters, der gerade seinen Lohn ausbezahlt bekommt. Am Strand einer karibischen Insel steht der erste Lottomillionär der Schweiz und blickt aufs Meer hinaus. Nachts drängen sich Ziegen am Bett der Autorin. Dorothee Elmiger folgt den Spuren des Geldes und des Verlangens durch die Jahrhunderte und die Weltgegenden. Sie entwirft Biografien von Mystikerinnen, Unersättlichen, Spielern, Orgiastinnen und Kolonialisten, protokolliert Träume und Fälle von Ekstase und Wahnsinn. "Aus der Zuckerfabrik" ist die Geschichte einer Recherche, ein Journal voller Beobachtungen, Befragungen und Ermittlungen. Ein Text, der den Blick öffnet für die Komplexität dieser Welt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.10.2020

Jan Wiele verneigt sich tief vor der jungen Schweizer Schriftstellerin Dorothee Elmiger, die den Literaturbetrieb laut Kritiker so aufwirbelt wie es zuletzt höchstens Peter Handke in den Sechzigern gelang. Denn Elmiger crasht die marktkonforme "Agenturprosa", reflektiert die Entstehungsbedingungen ihres Textes mit, verzichtet auf Handlung und greift dafür weit aus: Von abgestiegenen Lottokönigen und psychiatrischen Fällen des frühen 20. Jahrhunderts liest der Rezensent hier ebenso wie von Sklaverei und Kolonialismus. Als verbindendes Element des zwischen Traum, Aphorismen, Zitaten, Lektüren und Essay mäandernden Textes macht Wiele immerhin den Zucker aus. Dieser grandiose "Angriff" auf den Literaturbetrieb steht zurecht auf der Shortlist, schließt der Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 23.09.2020

Rezensentin Marlen Hobrack folgt fasziniert den Spuren, die Dorothe Elminger in ihrem Essay auslegt und die von den Zuckerrohrplantagen über Kolonialismustheorien bis zum Nachdenken über den weiblichen Körper führen. Wie bei einer "guten Verschwörungstheorie" hänge bei Elminger alles mit allem zusammen, erkennt Hobrak. Und auch wenn die Autorin dem Erzählen misstraue, eher dem Prinzip Wunderkammer folge und mit Texten und Motiven spiele, versichert Hobrack, dass Elminger mit ihrem Essay nicht nur Germanisten bediene: "Er ist eine Feier des schwelgenden Lesens."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.09.2020

Sehr gut gefallen hat Judith von Sternburg dieses Buch, das ihrer Meinung nach glücklich an allen möglichen Genrebezeichnungen vorbeischrammt. Es ist einerseits einen veritable "Materialsammlung" zum Thema Zucker beziehungsweise Sehnsucht, zum anderen eine Erzählung über das Sammeln von Material. Am Ende taucht gar der eigene Körper der Erzählerin auf, eine Verliebtheit macht sich breit und eine Birne wird zum Anbeißen gereicht. Man wüsste nicht recht, wie das neben Adam Smith und Karl Marx zu deuten wäre, aber die Kritikerin nimmt es als passenden Schlussstein für dieses Werk, das aus vielerlei Lektüre zusammengesammelt sei, selbst Peter Kurzeck wurde gelesen und verarbeitet - was die Kritikerin besonders freut.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.09.2020

Insa Wilke erkennt in der "instabilen Konstruktion" des Romans von Dorothee Elmiger den Realismus unserer Zeit. Wie die Autorin über das Motiv des Zuckers, das laut Wilke für das Begehren steht, Lektüre, Denkbilder, Dialoge und Zeitreisen vereint, Geschichten über den Lotto-König Bruni, Kleist, Nijinsky, Ellen West und die Sklaverei, findet Wilke höchst anregend. Konkret, wenngleich nicht logisch, mit Humor entstehen so "Sternbilder", Figurationen, die im Auge des Betrachters sichtbar werden, erklärt Wilke begeistert.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 17.09.2020

Rezensent Jörg Magenau setzt sich dem Textkörper von Dorothee Elminger aus und gewinnt Einsichten. Dass die Autorin von Narration offensichtlich nichts hält, stellt Magenau seiner Besprechung als Warnung voraus. Der im Flattersatz gedruckte, zwischen Lyrik, Essay, Prosa changierende Text wirkt auf ihn wie der Blick in ein Notizbuch mit Eindrücken, Lesefrüchten, Gedanken und Beobachtungen über Filme, Orte, Themen wie Sklaverei, Max Frisch, die Kaschnitz, Hunger, Liebe, Körper und Lektüren. Wenn die Autorin diese Stränge der Geschichte aufeinanderprallen lässt, entstehen für Magenau "Erkenntnisblitze". Wer nicht Klärung sucht, sondern ein Mehr an Verwirrung, der ist hier richtig, meint er.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.08.2020

Ein enges und verworrenes Dickicht aus Tagebuchnotizen, Gedächtnisschnipseln, gesuchten oder gefundenen Erzählungen, Fiktionen und historischen Fakten webt Dorothee Elmiger in ihren Romanessay "Aus der Zuckerfabrik", erklärt Rezensent Björn Hayer, der zunächst nur mit Mühe einen Weg durch dieses schöne und spannende Gestrüpp findet. Doch mit jedem Schritt oder jeder Krauchbewegung wird die tieferliegende Ordnung der Dinge etwas deutlicher oder besser: rekonstruierbarer, versichert er. So verbindet die sehr verschiedenen Figuren in diesem Roman eine grundsätzliche Sehnsucht nach "Ekstase oder Erlösung", schreibt der Rezensent, sowie das alles verknüpfende Sujet - der koloniale Kapitalismus. Elmigers ehrgeiziger Versuch ist also nicht nur "postmodernes Diskursgewirbel" ohne festen Boden, betont der hingerissene Rezensent, sondern auch literarischer Ausdruck einer drängenden, leidenschaftlichen Recherche nach Verbindungen im Gebüsch der Geschichte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.08.2020

Paul Jandl hält Dorothee Elmigers zwischen Roman und Essay changierendes Buch für einen Rausch. Wie die Autorin die Themen Hoffnung, Begehren und Ekstase angeht, originell, argumentierend, zugleich erzählend, psychologisch und weitschweifig, findet Jandl stark. Das Kaleidoskopartige der kurzen Textabschnitte begeistert Jandl, weil sie einander beständig gegenseitig befruchten und bereichern. Historisches, Soziologisches, Theologisches, Privates ergänzen und überlagern sich, ohne etwas zu behaupten, erklärt er. Eine gelungene Aktualisierung des Themas Ekstase, so Jandl.