Durs Grünbein

Äquidistanz

Gedichte
Cover: Äquidistanz
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518430989
Gebunden, 183 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Durch Geschichte und Gegenwart verfolgt Durs Grünbein in diesem neuen, seinem zwölften Gedichtband seinen Kurs des Poetisch-historischen Gedichts. Als Spurensicherung, Ortsbestimmung versteht der Dichter seine Streifzüge durch Zeiten und Räume, in denen er nicht nur Deutschland, sondern auch dem Gegenpol vieler Deutscher, Italien, und in beiden Ländern sich selbst begegnet.Immer, hier wie dort, kreuzt Vergangenheit den Weg des Wanderers. Durch Mörderreviere führen seine Verse ebenso wie über Lichtungen, zu Tauchgängen im Mittelmeer wie auf gesamtdeutsche Sandpfade und betonierte Magistralen, zwischen Kiesgruben und Flakbunkern, entlang der Ost-West-Achse des unruhigen, wieder mit Kriegen konfrontierten Kontinents. Dass bei solchen Eindrücken der europäische Gedanke ins Spiel kommt - als Realität und Utopie -, wird niemanden wundern, der Grünbein auf seinen Wegen gefolgt ist. "Für alle Fälle kann Dichtung auch das sein: ein Gerät zum Einfangen der Zukunft."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.09.2022

Rezensent Nils Kahlefendt scheint überrascht von einer gewissen Leichtigkeit in den neuen Gedichten von Durs Grünbein. Zwar wird diese erkauft mit allerhand Flachem, banalen Erkenntnissen, dürren Bildern, so Kahlefendt, doch immer wieder verblüfft ihn der Dichter auch, etwa mit klugen Kompositionen oder reflektierten Versen über die eigene Kindheit. Als Poeta doctus erscheint ihm Grünbein, wenn er als Spaziergänger in Rom oder Berlin ("Das Antennenfeld wird nicht mehr bestellt") die Geschichte der Städte Revue passieren lässt. Wasserleichen, Judentransporte, Revolutionen und Kriege tauchen auf und werden vom "Assoziations-Generator" des Autors verarbeitet, erklärt der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 01.08.2022

Beate Tröger feiert Durs Grünbeins neuen Gedichtband als klug, fein und offen. Den Dichter hält sie für gut gealtert, milder geworden, melancholischer, aber weiterhin beseelt von aufklärerischer Idee und romantischem Kern. Im Vergleich mit seinen Anfängen kommt Grünbein bei Tröger gut weg als zweifelnder Träumer, der nah an den Dingen dichtet und auf Balance und auf eine der Welt zugewandte Haltung aus ist. Dass Grünbein weiterhin den poeta doctus gibt, indem er Anklänge an Benjamin, Kracauer und Celan in seine Texte einbaut, stört Tröger ganz und gar nicht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.07.2022

Rezensentin Lea Schneider ist geteilter Meinung über Durs Grünbeins neue Gedichte. Einerseits trifft sie auf Texte im "Modus des Erkennens", die in ihrer Zuspitzung schlaglichtartig Dinge und Zusammenhänge erkennbar machen, etwa wenn Grünbein Postkarten aus den dreißiger Jahren "bearbeitet". Andererseits stören sie Grünbeins "staatstragender" Ton, Allgemeinplätze, Kalauer und eine "unheimliche", bildungsbürgerlich anmutende Weltvergessenheit, wenn der Dichter vor dem Hintergrund der Weltlage Klassiker rezitiert oder wortreich unter Mückenstichen leidet.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.07.2022

Dem Rezensenten Roman Bucheli gefallen die neue Gedichte von Durs Grünbein am besten dann, wenn der Autor das Poem nicht als "prognostisches Instrument" versteht, sondern als Verbindung zwischen den Toten, dem Vergangenen und der Gegenwart. Dann empfängt der Dichter und mit ihm der Leser laut Bucheli Signale der Seelen. Für Bucheli eine gewünschte Abwechslung von den "tosenden Datenströmen". Gelesen als "Autobiografie in Versen" bietet der Band für den Rezensenten auch gelungene Momente, in denen der Autor seine eigenen Topografien von Dresden über Berlin bis Rom miteinander in Beziehung setzt. Nicht immer gelingt das auf eindringliche Weise, räumt der Rezensent ein, und manches im Band wirkt sogar etwas beliebig, aber dann kommt wieder ein gewinnbringendes Gedicht.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 19.07.2022

Mit seinen neuen Gedichten begegnet Durs Grünbein dem Rezensenten Björn Hayer auf neuen Schaffenshöhen. Dass der Autor das strenge Komponieren zugunsten freier Verse und klarer Sprache verlässt, findet Hayer aufregend. Zumal Grünbein weiter eine große Bandbreite sprachlich verdichteter Erfahrung mit dem Leser teilt und poetisch Möglichkeitsräume eröffnet, wie der Rezensent staunt. Gegen das geschichtliche Vergessen unternimmt er laut Hayer Zeitreisen in die gewaltvolle jüngere Vergangenheit, analysiert das Heute und schafft Hör- und Sichtbares, wo nichts war - und das in "bestechender Bildlichkeit", so Hayer recht begeistert.