Henning Ahrens

Mitgift

Roman
Cover: Mitgift
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2021
ISBN 9783608984149
Gebunden, 352 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Seit sieben Generationen in Folge bewirtschaften die Leebs ihren Hof in der niedersächsischen Provinz. Schließlich gilt es, das Familienerbe zu wahren - allen historischen Umbrüchen zum Trotz. Doch über die Opfer, die jeder Einzelne erbringen muss, wird geschwiegen. Henning Ahrens erzählt den Roman einer Familie und entwirft ein Panorama der ländlich-bäuerlichen Welt des 20. Jahrhunderts.  Gerda Derking kennt sich aus mit dem Sterben. Seit Jahren richtet sie die Toten des Dorfes her, doch in jenem August 1962 würde sie die Tür am liebsten gleich wieder schließen. Denn vor ihr steht Wilhelm Leeb - ausgerechnet er, der Gerda vor so vielen Jahren sitzen ließ, um sich die Tochter von Bauer Kruse mit der hohen Mitgift zu sichern. Wilhelm, der als überzeugter Nazi in den Krieg zog und erst nach Jahren der Kriegsgefangenschaft aus Polen zurückkehrte. Der gegen Frau und Kinder hart wurde, obwohl sie jahrelang geschuftet hatten, um Hof und Leben zu verteidigen. Doch nun zeichnet sich auf seinem Gesicht ein Schmerz ab, der über das Erträgliche hinausgeht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.11.2021

Henning Ahrens neues Buch "Mitgift" lässt Rezensentin Cornelia Geißler verwirrter zurück als ihrer Meinung nach nötig gewesen wäre. Der 1964 geborene Autor und Übersetzer erzählt darin von einer seit 300 Jahren auf einem Hof in Niedersachsen verwurzelte Familie - vom vermeintlich entnazifizierten, tyrannischen Vater Wilhelm, dessen Frau, seinen ältesten Sohn der traditionellerweise ebenfalls Wilhelm heißt und dessen Geschwister -, als auch von einer kontrastierenden Totenfrau, die diese Familie, in die sie aufgrund ihres mangelnden Mitgifts nicht eingeheiratet werden kann, von außen beschreibt, erklärt Geißler. Die Wilhelm-Charaktere sind aufgrund der gleichen Namen und der wahllos einsetzenden Rückblicke nicht nur etwas verwirrend, sondern auch ein wenig unnahbar, findet die Rezensentin. Doch mit seiner plastischen Sprache und dem beschriebenen, eindrucksvoll erzählten Vater-Sohn-Konflikt kann der Autor sie dennoch überzeugen. Sogar der wirklich unsympathische Vater wird mit menschlichen Erfahrungen konfrontiert - das spreche für die Erzählart des Autors, resümiert die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.11.2021

Für Rezensent Tilman Spreckelsen legt Henning Ahrens mit seinem ab 1962 retrospektiv erzählten Familienroman aus der Provinz bei Peine viel mehr als einen traditionellen Dorfroman vor. Zur autobiografischen Grundierung kommen laut Rezensent Figuren mit Eigenleben und Themen wie Erbe, Obrigkeit, Militär, die der Autor auf vielerlei Weise "durchspielt". Erzählt wird das Ganze laut Spreckelsen sachlich und weitgehend ohne Erklärungsversuche. Die dem Text inhärenten Fragen weiten das Geschehen auf die ganze Bundesrepublik und über die erzählte Zeit hinaus, findet Spreckelsen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.08.2021

Henning Ahrens' literarische Idee, wie man eine Familiengeschichte auch anders erzählen kann, findet Rezensent Dirk Knipphals spannend. Denn weder mit Versöhnungen noch mit Schlussstrichen habe dieser Roman etwas zu tun: Sehr sachlich und für Ahrens untypisch realistisch, so Knipphals, wird über mehrere Generationen hinweg die eigene Geschichte einer niedersächsischen Bauernfamilie erzählt. Dabei gehe Ahrens sehr ausführlich und historisch genau vor, versuche sich aber nicht an Stellungnahmen oder "Aufarbeitung", was der Rezensent gut findet - dass der Großvater eindeutig nationalsozialistisch dachte, werde so stehen gelassen. Interessanter noch scheint dem Kritiker aber Ahrens' Blick auf die Beziehung zum Vater, dessen Suizid im Roman vor die Geburt des Autors verlegt wird, wie er aus dem Nachwort erfährt. Ein "Erinnerungsstück" an den Vater sei dieses Buch, das den Kritiker ganz für den Autor einzunehmen vermag.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 24.08.2021

Rezensentin Gisa Funck ahnt, dass Themen wie Kriegsschuld und -traumata noch nicht auserzählt sind. Bei Henning Ahrens bekommt die Erkundung deutscher Hybris eine familiäre Note, erklärt uns die Rezensentin, wenn der Autor von einem großkotzigen niedersächsischen Bauern und Nazi erzählt, der ohne Not an die Front zieht und nach seiner Rückkehr Frau und Sohn tyrannisiert. Immer wieder kommen der Rezensentin beim Lesen Vergleiche zu heutigen Narzissten und Erfolgsmenschen in den Sinn. Ahrens' Figurenensemble und die von ihm für die Geschichte gewählte Form der dialogisch geprägten Short-Cuts-Collage findet Funck überzeugend.