Eleonore Frey

Aus Übersee

Ein Bericht
Cover: Aus Übersee
Droschl Verlag, Graz/Wien 2001
ISBN 9783854205562
Gebunden, 174 Seiten, 19,43 EUR

Klappentext

Die Malerin Dora Blum ist ausgewandert und lebt in den Vereinigten Staaten. Sie hat aufgehört zu malen, nachdem drüben, in ihrer Heimatstadt, etwas vorgefallen ist. "Aus Übersee" ist der "Bericht" der Erzählerin von dem, was sich ereignet hat: Kindheit, Jugend, Freundschaft und Liebe, Verletzungen, Katastrophen und Zusammenbrüche, die sich der Erinnerung und dem Aufschreiben entziehen. Wie in Max Frischs Stiller wird "Übersee" zu dem Ort, an dem sich eine Identität im Erzählen erst wieder bilden kann. "? es sei vielleicht doch nicht alles so gewesen, wie ich es hier beschrieben habe", scheint es der Erzählerin Dora bei der Revision ihrer Erinnerungen. Aber dennoch setzt sich langsam, vorsichtig ? und auch mit der gebührenden Ironie ? das Lebensbild einer Frau zusammen, die soweit zerbrochen ist, dass sie sich schließlich in der Psychiatrie wiederfindet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.10.2001

Bruno Steiger lobt an Eleonore Freys Erzählung "Aus Übersee" die "gleichsam schwebende Präzision", mit der die Autorin das Dilemma der Hauptfigur Dora B. zum Ausdruck bringt. Die Erzählung schreibt Steiger ist die "Geschichte einer knapp, sehr knapp Davongekommenen", einer Malerin, die sich nach mehreren Schicksalsschlägen auf die Suche nach ihrem eigenen Ich begibt, indem sie ihre Lebensgeschichte schreibend rekonstruiert. Das Erzählen, das schließlich zum "schlüssigen Eigenbild" führt, begreift die Protagonistin als Verkörperung einer "seltsamen, von einem ins andere fließenden Welt". Steiger ist von der tiefgreifenden Darstellung des Prozesses einer Selbstfindung sehr angetan, von den Bildern und Beobachtungen, die nicht nur dem Bericht der Figur Dora B., sondern auch dem der Schriftstellerin Eleonore Frey die "Authentizität" eines wahren Kunstwerks verleihen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.08.2001

An einen Roman von solcher Komplexität habe sich die Zürcher Autorin Eleonore Frey bisher noch nicht gewagt, konstatiert Beatrice von Matt, doch das Ergebnis findet sie fast ohne Einschränkung überzeugend. Die Rezensentin nennt die Protagonistin des Romans, Dora B., eine Hinausgeworfene , denn im Alter von zwölf Jahren muss sie den glücklichen Ort ihrer Kindheit verlassen. Ein ihr verschwiegenes Familienunglück und eine verdrängte Lebenskatastrophe tragen dazu bei, aus ihr einen Menschen zu machen, der sich nur an "Unorten" wohlfühlt, erklärt von Matt. Die Rezensentin bewundert die Fähigkeit der Autorin, Seelenzustände anhand unklarer Eindrücke und rätselhafter, sinnenstarker Erfahrungen zu eruieren. Der Weg des Schreibens sei deshalb krumm, erklärt sie. Immer wieder setzten sich neue Fetzen der verlorenen Biografie zusammen und bildeten schließlich ein düster farbiges Patchwork.. Bewundernswert findet die Rezensentin auch, wie die vermeintliche Innensicht sich als hochdramatische Handlung, ja als ein "überaus spannender und figurenreicher Roman" entpuppt. Auch wenn, wie sie meint, der Verzicht auf das ein oder andere Geheimnis nicht geschadet hätte und eine gewisse Überlastung mit Symbolen nicht zu leugnen sei, zerstreue die exzellente Komposition des Ganzen alle Bedenken.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.08.2001

Symptomatisch für den Literaturbetrieb, der sich nur auf junge Debütanten stürzt, findet es Richard Kämmerlings, dass die Schweizer Autorin Eleonore Frey außerhalb der Landesgrenzen bislang unbeachtet geblieben ist, obwohl sie bereits ein kleines und feines Oeuvre vorlegen kann. Bestimmte Erfahrungen lassen sich eben erst aus der Distanz und mit dem Alter in Sprache "kondensieren", meint der Rezensent und charakterisiert damit das literarische Unterfangen von Frey, Jahrgang 1939, in einer "Poetologie der kleinen Schritte" schmerzhafte Erfahrungen und Verdrängungsprozesse ihrer Protagonistin offenzulegen. Wenn es etwas an dem Buch auszusetzen gebe, meint Kämmerlings, dann sei es seine etwas zu offensichtliche psychoanalytische Anlage. Die poetische Qualität von Freys präziser bildhafter Sprache lässt ihn jedoch über diesen kleinen Makel schnell hinweggucken.
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