Elsa Dorlin

Selbstverteidigung

Eine Philosophie der Gewalt
Cover: Selbstverteidigung
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518587560
Gebunden, 315 Seiten, 32,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Andrea Hemminger. Nicht alle Leben zählen gleich! Sklaven oder Indigenen im Kolonialismus war streng untersagt, sich zu bewaffnen oder zu verteidigen, was Sklavenhaltern und Kolonialherren selbstverständlich gestattet war: Woher rührt diese historische Kluft zwischen "verteidigungswürdigen" und wehrlosen Körpern, diese organisierte "Entwaffnung" der Unterworfenen, die bei jedem Befreiungsstreben die Frage der Gewalt aufruft? Vom Sklavenwiderstand bis zum Jiu-Jitsu der Suffragetten, vom Aufstand im Warschauer Ghetto bis zu den Black Panthers und den Queer-Patrouillen zeichnet Elsa Dorlin in ihrem preisgekrönten Buch eine Genealogie der politischen Selbstverteidigung nach.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.09.2021

Aurelie von Blazekovic entdeckt hinter der schwierigen Syntax im Buch der Philosophieprofessorin Elsa Dorlin allerhand Spannendes, einen unkonventionellen Blick auf die Macht und die Ambivalenzen der Selbstverteidigung etwa. Auch wenn Dorlin nicht unbedingt den klarsten Stil schreibt, vermittelt sie der Rezensentin historisch Interessantes über die Entwaffnung der Sklaven und die Selbstermächtigung der Suffragetten, die den Polizisten die Hosenträger durchschnitten. Über die "Ethik des Aufstandes", die Frage, wann Gewalt für wen opportun ist, denkt die Autorin laut Blazekovic am Beispiel der Französischen Revolution und des Frauenkörpers im Krimi nach. Einfache Antworten liefert sie nicht, warnt die Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.01.2021

Das Bild einer bewaffneten Black-Power-Aktivistin auf dem Cover täuscht, erklärt Rezensent Jens Kastner: Dieses Buch ist ihm zufolge keineswegs eine "Feier revolutionärer Gegengewalt, sondern vielmehr deren Problematisierung." Wie die feministische französische Philosophin mit ihrer Geschichte der politischen Selbstverteidigung nachweist, führt die zu Wehrzwecken ausnahmsweise gestattete Gewalt nicht selten zum Angriff und Selbstverteidigung neigt nicht selten dazu, Opferrollen mit ihrer Symbolik festschreiben, so Kastner. Legitim sind für Elsa Dorlin nur antistaatliche und antirepräsentationale Formen, wie sie etwa die Suffragetten für sich gefunden haben, fasst der Kritiker zusammen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 24.11.2020

Rezensent Günter Kaindlstorfer liest Elsa Dorlins Schrift "Selbstverteidigung" zuammen mit Judith Butlers "Die Macht der Gewaltlosigkeit". Während die amerikanische Philosophin für unbedingte Gewaltfreiheit plädiert, sieht die französische Poststrukturalistin Dorlin Militanz als legitimes Mittel im Kampf gegen Unterdrückung, erklärt der Rezensent. Dorlins historischen Ausführungen folgt Kaindlstorfer mit großem Interesse, wenn sie ihre coolen Beispiele präsentiert: jüdische Widerstandsgruppen im Warschauer Ghetto, Black Panthers, Amazonenbataillone der Jakobinerin Théroigne de Méricourt oder Jiu-Jitsu-Schulen der Sufragetten. Das liest Kaindlstorfer gern, aber wenn sich Dorlin am Ende in Foucault-Lektüren, Diskursanalysen und Queer Theory eingräbt, steigt er aus.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.10.2020

Rezensent Florian Meinel erwartet von der Philosophin Elsa Dorlin Antworten auf Frage, wem welche Gewalt zu welchem Zweck zugestanden wird. Wenn Dorlin die Idee, Selbsterhaltung und Selbstverteidigung gleichzusetzen auf Hobbes zurückführt und die "individuelle Waffe" als gesellschaftskonstituierendes Element auf Adam Smith, hört Meinel interessiert zu. Dass Versammlung und Bewaffnung für die liberale Tradition dasselbe sein soll, wie er bei Dorlin liest, hält er aber für eine "verwegene Behauptung", die er im Text nicht belegt sieht. Dorlin betreibt keine Geschichtsschreibung, folgert er.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 12.10.2020

Andrea Roedig zeigt sich angeregt, aber auch etwas alleingelassen mit der Lektüre des Buches von Elsa Dorlin. Eine Philosophie der Gewalt bietet der Band für sie nicht, weil die Autorin zwar spannende Beispiele für "Selbstverteidigungskonstellationen" liefert und in Ansätzen auch das Jäger-Beute-Schema untersucht, aber im Ganzen zu keinem klaren Bild gelangt. Das liegt für Roedig zum einen an Dorlins inflationärem Gebrauch eines "wilden Theoriejargons", zum anderen an ihrer bis zuletzt ambivalenten Position aus Sympathie mit den Kämpfen der Unterdrückten einerseits, einer kritischen Sicht auf den so weiter befeuerten Gewaltzirkel andererseits.