Erhard Schüttpelz

Die Moderne im Spiegel des Primitiven

Weltliteratur und Ethnologie 1870-1960
Cover: Die Moderne im Spiegel des Primitiven
Wilhelm Fink Verlag, München 2005
ISBN 9783770540860
Kartoniert, 452 Seiten, 59,00 EUR

Klappentext

Die Auslegung der Moderne bleibt ein abgekartetes Spiel, solange sie sich nicht ihrem globalen Komplement zuwendet: der Auslegung dessen, was die Kategorie des sogenannten Primitiven für die Moderne bedeutete. Statt den Primitivismus der Moderne allein als Faktum einer illusionären Aneignung und realen Unterwerfung des außereuropäischen Fremden zu behandeln und imagologisch einzufrieren, gilt es dabei, die Praktiken und Fremderfahrungen der Moderne nachzuzeichnen, die aus der kolonialen Mobilität von Personen, Zeichen und Dingen im ersten großen Globalisierungsschub entstanden waren und in der Entgegensetzung von Modernem und Primitivem verhandelt wurden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren weltweit proportional mehr Menschen unterwegs als heute, und in der Folge entstanden die heute noch erfolgreichsten künstlerischen und musikalischen Synkretismen. Auch der Begriff der Weltliteratur stand zwischen 1870 und 1960 zur Disposition. Was ist aus den weltliterarischen Erwartungen der Moderne geworden, die im Namen des Primitiven formuliert wurden?

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.03.2006

Ein Plädoyer für die "Erweiterung des Literaturbegriffs" hält Erhard Schüttpelz mit seiner Habilitationsschrift "Die Moderne im Spiegel des Primitiven". Kritik als Rettung der ethnologischen Moderne - so definiert Carlo Caduff das Ziel des wissenschaftlichen Unternehmens. Es muss darum gehen, so Caduff, den Austausch deutlich zu machen, der zwischen den oralen und den alphabetisierten Kulturen stattfindet, anstatt die Hegemonie der Schrift zu unterstreichen. Der Rezensent glaubt, dieses Anliegen besonders deutlich in einem "konzisen" Kapitel über Aby Warburgs Beschäftigung mit dem Schlangenritual der Hopi identifizieren zu können. Bei diesem Ritual tanzte ein Hopi mit einer Giftschlange im Mund. Bei den modernistischen Touristen im amerikanischen Südwesten stand es deswegen als Fotosujet bald hoch im Kurs. Schüttpelz stellt nun dar, wie dieser von Zivilisationsmüdigkeit motivierte Zuspruch die Hopi bestimmt hat, sich mit ihren vorgeblich primitiv-ritualistischen Gewohnheiten den Erwartungen der Zuschauer anzupassen. Sie reagierten mit "zahlreichen Travestien", in denen die Moderne sich "wie in einem verzerrten Spiegel wiedererkennen" lässt.