Ernst Jünger

Politische Publizistik 1919-1933

Cover: Politische Publizistik 1919-1933
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2001
ISBN 9783608935509
Gebunden, 850 Seiten, 50,11 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Sven Olaf Berggötz. Der Band vereinigt erstmals in chronologischer Folge alle 145 zwischen Dezember 1919 und Juli 1933 entstandenen Beiträge Jüngers in Zeitschriften und Sammelbänden, darunter mehrere bislang unbekannte Texte und Rezensionen. Die vierzehn Jahre der Weimarer Republik sind eine prägende Phase für die Entwicklung Ernst Jüngers (1895?1998). In provokativen Essays geißelt der junge Publizist schonungslos die Missstände in Politik und Gesellschaft und entwickelt dabei die radikale Alternative eines "nationalen, sozialen, wehrhaften und autoritativ gegliederten Staates". Schon bald gilt Jünger als geistiger Kopf des "neuen Nationalismus" und nimmt eine führende Stellung innerhalb des Kreises der sogenannten Konservativen Revolution ein.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.02.2002

Stefan Breuer bespricht die politische Publizistik Ernst Jüngers, die den meisten seiner Leser relativ unbekannt sein dürfte. Der Rezensent zeigt sich voll des Lobes für die "sorgfältige Edition", das "informative Nachwort sowie einen reichhaltigen ... Kommentar." Diese Sammlung sei insofern nützlich, als sie die gedanklichen Wege Jüngers hin zum und weg vom Nationalsozialismus zeige. Das Motiv für die Hinwendung zu den Nazis macht Breuer in der Sehnsucht nach einem neuen Nationalismus aus, der sich aus seinen "alten, bürgerlichen Form befreit". Diese Sehnsucht ist aber auch der - für Breuer ganz unakzeptable - Grund, warum sich Jünger später von den Nationalsozialisten wieder distanzierte: sie waren ihm immer noch zu bürgerlich, gingen ihm in der Zerstörung der bürgerlichen Ordnung nicht weit genug. So erschreckend Breuer diese Artikel auch findet, sie gebe seiner Ansicht nach einen guten Einblick in die Motive von Nicht-Parteimitgliedern wie Jünger, die dennoch den Nationalsozialismus, den Antisemitismus und ähnliche Undenkbarkeiten befürworteten. Und auch auf ein Paradox weist er hin: Gerade sein Ultraradikalismus habe Jünger davor bewahrt, sich zu tief zu verstricken. Er habe Jünger in eine Isolation getrieben, in der er seine Positionen überdenken konnte: "Ernst Jünger hat das Glück gehabt, dass es anderen vorbehalten blieb, aus seinen Irrtümern Fehler zu machen, während er selbst die Chance bekam, sich von ihnen zu lösen."

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.01.2002

Dass Ernst Jünger nicht mehr war als ein Seismograph der rechten Bewegung der Weimarer Republik, lässt sich für Claus Leggewie nach Herausgabe von Jüngers gesammelten politischen Schriften aus jener Zeit beim besten Willen nicht mehr aufrechterhalten: Jünger war ein Kriegstreiber und Antisemit, sagt Leggewie, der seine Worte nicht metaphorisch gebrauchte, sondern wörtlich meinte. 144 Beiträge sind in dem von Berggötz herausgegebenen Band enthalten, vor allem jene Artikel, die Jünger selbst in seine "Gesammelten Werke" nicht aufnehmen wollte und die größtenteils in der "Standarte. Beiträge zu geistigen Vertiefung des Frontgedanken" und später im "Arminius" erschienen sind. Nach Lektüre der bislang verstreuten Schriften ist es Leggewie nicht mehr möglich, "den Literaten vom Pamphletisten zu trennen" und insofern widerspricht er vehement Herausgeber Berggötz, der jene Trennung nach wie vor aufrechterhalte und Jünger als "zornigen jungen Wilden" beschreibe. Da ist Leggewie die etwas pauschalisierende Haltung von Reimann lieber, der bereits vor ein paar Jahren eine Kompilation von Jüngers politischen Schriften betreut hat, die nun passenderweise eine Neuauflage erfährt. Im übrigen habe Berggötz Reimanns Buch überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, moniert Leggewie.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.12.2001

Eine merkwürdige Rezension: Erst einmal räumt Gregor Eisenhauer all die unappetitlichen Ansichten, die Ernst Jünger in seinen politischen Texten verbreitet, auf den Tisch. Das Ergebnis, nicht sehr überraschend: "Ernst Jünger war Antisemit" und "ein früher Parteigänger Hitlers". Er war antidemokratisch und alles Bürgerliche hat ihn in blinde Wut getrieben. Bei der Rezension von Jaroslav Haseks Schwejk hat er, so Eisenhauer, "Schaum vor dem Mund". Mitten im Rezensieren jedoch gerät Gregor Eisenhauer plötzlich selbst ins Predigen. Unserer Gegenwart stellt er die Diagnose: "Der metaphysische Mangel ist allgegenwärtig" und abzuhelfen wäre ihm gerade nicht (so versucht er die Kurve zum eigentlichen Gegenstand zu kriegen) à la Jünger, sondern, wenngleich das sehr unklar bleibt, durch demokratisches "Pathos". Botho Strauß wird nebenbei als Nachfolger der nationalkonservativen Seite Jüngers abgewatscht und es endet der Rezensent mit der Forderung, es müssten Antworten her, die "das Herz als Wahrheit erkennt".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.2001

Die knapp 900 Seiten des Buches referiert uns der Rezensent Iring Fetscher gekonnt. Wir erfahren über Jüngers Einstellung zur NSDAP vor 1933 (zu westlerisch, zu friedliebend), zum Marxismus, zum Faschismus (Indiz für Fortschritt) und zur Assimilation der Juden. Schließlich verrät uns Fetscher sogar, was er am Nachwort des Herausgebers so "informativ" findet: Wie dieser "eine gewisse Entwicklung" zu verdeutlichen vermag, die Jünger zwischen 1919 und 1933 "vom revolutionären Nationalisten und Publizisten zum subtil beobachtenden Literaten" durchmachte. An der Tatsache, dass Jünger noch 1932 an den Zukunftsstaat und die "totale Mobilmachung" glaubte, ändert dies für Fetscher freilich nichts.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.10.2001

Die Sachbuchkritiken der SZ-Buchmessenbeilage leitet Gustav Seibt mit einer ausführlichen Besprechung von Ernst Jüngers politischen Schriften der Jahre 1918 bis 1933 ein. Die von Sven Olaf Berggötz herausgegebene und kommentierte Edition umfasst erstmals Jüngers gesammelte politische Publizistik während der Weimarer Republik. Seibt führt Jüngers Weltbild auf die Erfahrungen der Materialschlachten im Ersten Weltkrieg zurück: In ihnen entstand ein neuartiger, soldatisch geprägter Menschentyp, der Protagonist einer kriegerischen und autoritär verfassten Gesellschaft. Seibt findet in Jüngers "furchtbaren politischen Schriften" viele Parallelen zu zeitgenössischen totalitären Denkbildern, verweist aber auch auf die Sonderstellung von Jüngers Reflexionsniveau in der damaligen intellektuellen rechten Szene. Die Eigentümlichkeit von Jüngers Gedankenwelt sieht Seibt in einer Kompromisslosigkeit, die etwa Attentate auf demokratische Einrichtungen als "Klopfsignale" verstand. Hier holt den Rezensenten dann die Gegenwart ein: die "Love-Parade". Doch sie ist für Seibt keine Renaissance von Jüngers Ruf nach gesteigertem Leben, sondern vielmehr ein Indiz für das Fortleben von Jüngers Gedankenwelt als eine "humane Widerlegung" faschistischer Kollektivvorstellungen.
Seibt würdigt in seiner Besprechung - jedoch ohne näher darauf einzugehen - ferner eine neue Ernst-Jünger-Monografie von Steffen Martus, die Jüngers Werk in den publizistischen Kontext der Weimarer Republik einordne und Verbindungslinien zum Nationalsozialismus aufweise. Die Abgrenzung von Jüngers Gedankenwelt zu den zeitgenössischen antidemokratischen und völkischen Strömungen der deutschen Rechten findet Seibt schließlich hervorragend geleistet von Stefan Breuers Studie "Ordnungen der Ungleichheit - die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen 1871-1945".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

Kurt Sontheimer stellt Jüngers politische Publizistik aus den Jahren 1919-1933 vor, die nun als separater Band die Jünger'sche Gesamtausgabe vervollständigt. Zu Lebzeiten des Autors durften die insgesamt 145 Beiträge nicht in die Gesamtausgabe aufgenommen werden. Aus wissenschaftlicher Sicht findet Sontheimer die Beiträge wichtig und interessant. Auch hat sie der Politikwissenschaftler Sven Olaf Berggötz (Bonn) "durch einen sachlich gehaltenen Kommentar in den historischen Kontext eingefügt". Bei der Lektüre der Artikel selbst hat es Sontheimer aber eher geschüttelt: Jüngers politische Publizistik findet er "schwer zu entschuldigen". Sprachgewalt, Stil und ideologische Besessenheit, die ihresgleichen suchten, hätten die damaligen Leser auf die gewalttätige, kriegerische Politik der Nazis eingestimmt. Dennoch lohne sich die Lektüre: Denn Jüngers Gesamtwerk eröffnet uns den Geist, "von dem die Nazis bei ihrem Zerstörungswerk profitierten", erklärt der Rezensent.