Gao Xingjian

Der Berg der Seele

Roman
Cover: Der Berg der Seele
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783100245038
Gebunden, 548 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Aus dem Chinesischen übersetzt von Helmut Forster-Latsch, Marie-Luise Latsch und Gisela Schneckmann. "Der Berg der Seele" ist der große autobiografische Roman des chinesischen Nobelpreisträgers Gao Xingjian. 1983 beschließt er, der sich abzeichnenden politischen Repression in der Hauptstadt zu entfliehen. Er begibt sich auf eine Reise, die ihn den Fluss Yangtze hinab von der Quelle bis ans Meer führt, in das Herz eines unbekannten China...

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.02.2002

Hätte der Autor nicht im Jahr 2000 den Literatur-Nobelpreis erhalten, so glaubt Angelika Ohland, dann hätte sie den Roman von Gao Xingjian unbefangener lesen können, zum Beispiel als Reiseroman durch Chinas südliche Provinzen, in die der reisende Protagonist, ein Schriftsteller, als Sammler von Sitten und Geschichten eintaucht. Die 81 Kapitel bedeuteten 81 in sich geschlossene Geschichten, die ein ländliches, sehr spirituelles, auch gewalttätiges China beschreiben, erklärt Ohland. Mit Folklorismus habe der Roman nicht im entferntesten etwas gemein. Trotzdem ist Ohland nicht richtig überzeugt von dem Roman und kann am Ende die Frage im Hinterkopf, hat er den Nobelpreis nun verdient oder nicht, nur mit einem Jein beantworten. Xinjiang habe seinen Episodenroman einem strengen, recht exaltierten Formwillen unterzogen, der für westliche Lesegewohnheiten andererseits nichts Aufregendes oder Neues darstelle. Aber darf man einen chinesischen Roman nach westlichen Kriterien beurteilen, fragt Ohland. Doch nach welchen sonst, fragt sie weiter. Also: Der "Berg der Seele" ist ein herausragender Reiseroman, soviel lässt sich zumindest sagen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.01.2002

Gao Xingjian hat mit diesem Roman, an dem er in den Jahren 1982 bis 1989 in Peking und Paris geschrieben hat, ein Opus magnum vorgelegt, schreibt Manfred Papst, das sich zwar nicht mit Meisterwerken der europäischen Literatur messen lässt, aber "solide gebaut" zahlreiche Episoden erzählt. Von den Menschen in China, von ihren Freuden und ihren Leiden, ihren Schicksalen und ihren Erlebnissen. Entstanden ist, denkt der Rezensent, ein "figurenreiches Panorama", eine "Fundgrube Hunderter merkwürdiger Geschichten", wundersam und eindrücklich. Einzig da, wo der Autor versuche, symbolische Verdichtungen herzustellen und das Innenleben seiner Figuren auszuleuchten, hat der Rezensent Schwachstellen entdeckt. Die "hinreißenden" Geschichten kann Papst trotzdem nur empfehlen, auch wenn die Übertragung ins Deutsche von drei Übersetzern doch eher die Spuren einer Werkstattarbeit denn die eines Meisters hinterlassen haben, moniert Papst.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.12.2001

Den "Berg der Seele" umkreist eine sehr umfangreiche Besprechung von Karl Markus Gauß. Schier unerschöpflich nennt unser Rezensent das Buch allerdings auch. Voller Stimmen, die der Autor "mit neutraler Genauigkeit" gleichberechtigt nebeneinander führt. Für Gauß ist das "monumentale epische Werk" die Gelegenheit, einmal zu überprüfen, was dran ist an der Entscheidung des Nobelkomitees, das den Autor im vergangenen Jahr auszeichnete. Allerdings, so rät Gauß auch, müsse man davon Abstand nehmen, das Buch als "chinesisches Echo" auf die moderne Romankunst des Westens sehen zu wollen. Das Buch sei eben kein europäischer Entwicklungsroman in chinesischer Sprache, sondern "die überwältigende Sichtung und Sammlung des unterdrückten, widerständigen, unbekannten, provinziellen, abseitigen China". Als solche aber erscheint der Roman dem Rezensenten als "wahre Fund- und Schatzkiste" voller befremdlicher Geschichten und unvertrauter Gestalten, episodisch untergebracht und zusammengehalten nur durch einen autobiografisch zu nennenden Erzähler und seine Wanderung durch die vorkommunistischen chinesischen Provinzen. Eine Wanderung, die im übrigen zu einem Ich führt, das dem westlichen Leser laut Gauß "oft schematisch, floskelhaft, abstrakt" erscheinen muss. Zu berücksichtigen aber sei, dass es das westliche Ideal vom Individuum im konfuzianischen Osten auch vor dem Kommunismus nicht gegeben habe.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.11.2001

Hugo Dittberner begegnet diesem Roman voller Hochachtung und preist ihn als "grandiosen, souverän und scharfsinnig geschriebenen Bericht". Dem chinesischen Schriftsteller, der letztes Jahr zum Ärger seines Heimatlandes den Literaturnobelpreis erhielt, sei ein "vielfältiges Erzählbuch" um eine an sich einfache Geschichte gelungen, lobt der Rezensent, der besonders den erzählerischen Kniff, mit dem der Autor die Erzählperspektive entwickelt hat, rühmt. An das "Du" dieses Romans, dem später auch ein "ich", ein "er" und schließlich eine "sie" folgt, gewöhne man sich nämlich während des 500-Seiten-Romans nicht, und dies verleihe ihm "Spannung und Legitimation", so der Rezensent begeistert. Er sieht die wechselvolle Geschichte Chinas der 70er und 80er Jahre rekapituliert und vergleicht den Protagonisten mit einem "Ethnografen", der sich kritisch mit seinem Land, dieser "Mischwelt aus Sozialismus und Folklore" auseinandersetze.