Gerd Koenen

Im Widerschein des Krieges

Nachdenken über Russland
Cover: Im Widerschein des Krieges
C.H. Beck Verlag, München 2023
ISBN 9783406800733
Kartoniert, 317 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Kaum jemand hat in den vergangenen Jahrzehnten das deutsch-russische Geflecht aus historischen Erfahrungen, machtpolitischen Interessen und ideologischen Fieberträumen intensiver erforscht als Gerd Koenen. Im Widerschein des neuen Krieges, der viele alte Fragen wieder aufwirft, begibt er sich auf eine Spurensuche, die uns von der zynischen Partnerschaft in der Zeit des Hitler-Stalin-Paktes bis zur Freund-Feind-Propaganda unserer Tage und von den Gründern von "Memorial" bis zu den Spin Doctors Putins führt.Was hat Putin und die um ihn gescharte oligarchische Machtelite dazu getrieben, einen ebenso mörderischen wie selbstzerstörerischen Angriffskrieg zu beginnen? Welche langfristigen Ziele verfolgt Russland? Und warum hat sich zwischen ihm und seinen westlichen Nachbarn erneut ein tödliches Spannungsfeld aufgebaut, das ganz Europa in eine Gefahrenzone verwandelt? In seinem neuen Buch bündelt Gerd Koenen sein jahrzehntelanges Nachdenken über Russland zu einer ebenso differenzierten wie schonungslosen Bilanz.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.08.2023

Mit seinem Buch "Die Deutschen und der Osten" hat Gerd Koenen 2005 laut Rezensentin Franziska Davies zwar ein wichtiges Buch über den Blick der deutschen Öffentlichkeit auf Russland geschrieben; sein neuer, im Licht des russischen Angriffs auf die Ukraine zusammengestellter Band überzeugt sie jedoch nicht. Insbesondere ist sie irritiert davon, dass es sich nicht ausschließlich um neues Material handelt, sondern um eine Kompilation diverser Aufsätze, die auch jahrzehntealte Arbeiten umfasst. Teile des Buchs liest Davies dennoch gern, wie etwa Passagen, die sich Boris Jelzin widmen, dessen politisches Selbstverständnis sich deutlich von dem Wladimir Putins abhebt. Diejenigen, die unter Russlands Machthunger litten und leiden kommen in dem Buch jedoch nicht vor, moniert Davies. Daran anschließend kritisiert sie außerdem die Transkription der ukrainischen Hauptstadt (Kiew statt Kyjiw) sowie die Autorenpolitik von C.H. Beck, wo viele Bücher von alten Männern verlegt werden, aber wenige von Frauen oder auch Osteuropäern.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.07.2023

Rezensent Christian Thomas scheint großen Respekt zu haben vor Gerd Koenens Auseinandersetzung mit Russland, seiner Geschichte und dem Angriffskrieg auf die Ukraine. Denn Koenens Ausführungen bewegen sich fernab von "konventionellen Konfliktanalysen" und setzen bewusst den "bescheidenen" Untertitel "Nachdenken über Russland", so Thomas, der stattdessen auf "historisch informierte Essays" trifft, auf Reflexionen in langen Sätzen, gespickt mit "blitzartigen Erhellungen", die zum Teil eher poetisch anmuten - "Der Schatten einer nordkoreanischen Finsternis legt sich über die Szene", zitiert er den Autor etwa. Wie Koenen in dieser ungewöhnlichen Form äußerst tiefgreifende und komplexe Überlegungen zur ambivalenten Beziehung zwischen Deutschland und Russland, zur ideologisch zurückführbaren Selbstisolation der Machthaber Putin und Xi und zur "historischen Mythologie" und Realitätsabsage hinter dem Krieg gegen die Ukraine anführt, scheint dem Kritiker schwer zu imponieren. Ein Buch von profundem historischem Verständnis, lobt Thomas, für das Koenen "endlich" einen Preis verdient hätte, schließt er.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.04.2023

Rezensent Andreas Fanizadeh liest mit dieser Textsammlung, die Schriften der letzten 25 Jahre des Osteuropa-Experten Gerd Koenen umfasst, eine kompetente Analyse der russischen Radikalisierung und gleichzeitig eine kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Politik. Koenen beleuchtet, wie deutsche Politiker von CDU und SPD auch nach der Annexion der Krim 2014 die Gefahr ignorierten und sich aus ökonomischem Kalkül heraus neutral verhielten. So verschloss man die Augen vor der zunehmenden Totalisierung des russischen Staates durch Putin und seine Propagandisten, deren Verlauf Koenen in seinem Buch detailliert nachzeichnet, lesen wir. Das Buch lädt auch dazu ein, die Geschichte der Linken und deren Verhältnis zum Kommunismus kritisch aufzuarbeiten, so der Kritiker, der wie Koenen hofft, dass "Humanität und Nahbarkeit" am Ende über die "stumpfe Rohheit der Invasoren" siegt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.03.2023

Rezensent Stefan Plaggenborg sieht im neuen Buch von Gerd Koenen, in dem der Historiker die letzten dreißig Jahre der deutsch-russischen Beziehungen aufarbeitet, weniger eine geschichtliche Analyse, als ein "mit kunstvollen Pinselstrichen" entworfenens "Tableau". Interessiert verweilt der Rezensent bei der Passage über die "deutsche Putin-Blindheit", ein paar wichtige Punkte (Merkels Russlandpolitik!) lässt Koenen Plaggenborg zu Folge aber aus. Der Rezensent wird mitgerissen vom aufklärerischen "Furor", mit dem Koenen das wahnsinnige System Putins auseinandernimmt . Dennoch räumt er ein, dass Koenen einigen wichtige Fragen aus dem Weg geht: Koenen geht davon aus, dass sich Putins Russland durch den Ukraine-Krieg selbst ruinieren wird. Aber: Wie soll verhindert werden, dass das politisch instabile Land sofort in die nächste Autokratie rutscht? Welche Rolle muss die russische Gesellschaft spielen? Den ernüchternden Fakt, dass ein Großteil der Gesellschaft heute hinter Putin steht, berücksichtigt Koenen zu wenig, so der Rezensent. So liest Plaggenborg das Buch ein wenig wie "ein Gebet": Eine Hoffnung auf bessere Zeiten wider besseres Wissen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.03.2023

Rezensent Alexander Cammann liest Gerd Koenen Essays über Russland mit Spannung. Den Autor schätzt er als einen der besten Kenner der kommunistischen Bewegung. Koenens Vorstellung, die russische gewaltsame Expansionspolitik habe mit der schieren Größe und Unüberschaubarkeit des Landes zu tun, findet Cammann hörenswert. Dass die Tendenz zum Autokratischen aus der Angst vor einer Infiltration herrührt, kann Cammann offenbar nachvollziehen. Dazu bietet der Autor schöne Zitate aus der Historie und eine optimistische Perspektive, erklärt der Rezensent: Was, wenn einer russischen Niederlage, wie so oft in der Geschichte, Reformen folgten?