Gerhard Roth

Über den Menschen

Cover: Über den Menschen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783518587669
Gebunden, 368 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Kaum ein Forschungsgebiet hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten so stürmisch entwickelt wie die Neurowissenschaften. Sie sind aber auch zum Gegenstand heftiger interdisziplinärer Debatten geworden, die sich vor allem um eine Frage drehen: Zwingen uns die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse zu einer Revision unseres etablierten Menschenbildes? Entschieden verneint wird das vor allem von Philosophen, die den Neurowissenschaften mitunter sogar die Berechtigung absprechen, Aussagen über die geistig-kulturelle Welt des Menschen zu treffen. Sinnhaftes Verstehen, Geschichtlichkeit, Lebensweltlichkeit, Willensfreiheit sowie Sprache als Grundlage von Soziabilität können, so ihr Argument, prinzipiell nicht mit naturwissenschaftlichem Besteck untersucht werden. Gerhard Roth zeigt in seinem neuen Buch, dass diese Auffassung den neurowissenschaftlichen Einsichten über die Beziehung zwischen Gehirn und Geist, Anlage und Umwelt sowie über die Bedingungen von Entscheiden und Handeln nicht gerecht wird. In Anknüpfung an seinen Bestseller Aus Sicht des Gehirns entwirft er auf zugängliche und elegante Weise ein Bild des Menschen als geistig-soziales, auf Erfassung des Sinnes seiner selbst und seiner Lebenswelt ausgerichtetes Wesen. Der Mensch in seiner Komplexität, so sein Fazit, ist weder allein von den Neurowissenschaften noch allein von den Geistes- und Sozialwissenschaften erfassbar - und fügt sich dennoch ein in die Einheit der Natur.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.09.2021

Mit einer gewissen Erleichterung schaut Rezensent Burkhard Müller drei Größen ihres Faches, den Neurobiologen Gerhard Roth und Antonio Damasio, und dem Kognitionswissenschaftler Wolfgang Prinz beim "Scheitern" zu. Mit knapp achtzig Jahren präsentieren alle drei Autoren unabhängig voneinander die Ergebnisse ihres Lebenswerks zur Frage nach der Funktion des menschlichen Bewusstseins. Roth setzt dabei, schon im Buchtitel auf Descartes verweisend, beim Versuch einer Auflösung der Trennung von Gehirn und Geist ein, übersieht dabei aber eine laut Müller "kategoriale Kluft": Die Korrelation, nicht aber den endgültigen Zusammenhang zwischen Stimmungslage und neuronaler Aktivität kann ihm Roth erläutern. Vielmehr liest der Kritiker hier, wie das Gehirn den Menschen mitunter zum "Haustier eines unbekannten Willens" macht. Und dass es sich bei "Ich" und "Wir" beide Male um die erste Person handelt, gibt der Rezensent dem Autor angesichts einer Überschrift wie "Wozu brauchen wir das Ich?" auch mit auf den Weg.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 28.07.2021

Es bleibt nicht viel übrig vom Ich im jüngsten Buch des fast 80-jährigen Philosophen Gerhard Roth. Nicht nur, dass es mehrere Ichs gibt, ein großer Teil seiner (ihrer) Handlungen wird von unbewussten Gehirnprozessen ausgelöst. Hier setzt die Kritik von Rezensent Volkart Wildermuth an: Neurowissenschaften schön und gut, aber Roth bringt ihm wenig neurowissenschaftliche Belege für seine These. Immerhin: zum Weiterdenken regt es den Rezensenten an.