Hans Fallada

Die RAD-Briefe aus dem besetzten Frankreich 1943

Cover: Die RAD-Briefe aus dem besetzten Frankreich 1943
Verlag Das kulturelle Gedächtnis, Berlin 2022
ISBN 9783946990680
Gebunden, 200 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Carsten Gansel. Nachdem Hans Fallada mit "Kleiner Mann - was nun?" einen Welterfolg erlangt hat, kommen die Nationalsozialisten an die Macht. Eine Emigration schließt er zu diesem Zeitpunkt aus - wie andere auch verkennt er, in welcher politischen Lage Deutschland sich zu diesem Zeitpunkt bereits befindet. Die Angriffe in der Presse des Dritten Reichen gegen ihn nehmen zu und Fallada muss erkennen, dass er unter diesen Verhältnissen nicht mehr von Menschen erzählen kann, denen man es anmerkt, dass sie einmal am "Abgrund gelegen" und die das "Zusammenstürzen ihrer ganzen Vergangenheiten erlebt haben". Obwohl er ein unerwünschter Autor wird, können seine Romane weiter erscheinen, allerdings bringen die Verhältnisse ihn wiederholt in krisenhaften Situationen. Auf Vermittlung einer Bekannten erreicht ihn 1943 das Angebot, als Reichsarbeitsdienst-Sonderführer für sechs Monate im Rahmen der kulturellen Truppenbetreuung in das besetzte Frankreich aufzubrechen. Der Weg führt ihn von Paris, wo er auf dem Schwarzmarkt einkauft, über Bordeaux bis an die spanische Grenze. Wie Fallada den Reichsarbeitsdienst, das besetzte Frankreich und die Stimmung in Land erlebt, darüber geben die bislang unveröffentlichten Briefe Auskunft. Fallada schreibt die Briefe zwischen Mai und September 1943 an seine Frau Suse, die ihm sporadisch antwortet und aus dem heimischen Carwitz über Fliegerangriffe und erste Entbehrungen berichtet. Mit dieser Edition wird eine der letzten Lücken in Hans Falladas spannungsreicher Biografie geschlossen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.12.2022

Herausgeber Carsten Gansel hat sich die Mühe gemacht, mit diesem neuen Briefband Falladas ein wenig Licht in die letzten Dunkelstellen der Biografie des Schriftstellers zu bringen, verrät Rezensentin Nicola Behrmann. Als Opportunisten charakterisiert sie den Dichter nicht erst nach der Lektüre der Briefe, hier nun werde deutlich, was er in seiner Zeit im Dienste der Nazis beim Reichsarbeitsdienst erlebt und gesehen hat. Fallada hatte denAuftrag erhalten, ein halbes Jahr lang in Frankreich die Aktivitäten ebenjenes RADs berichterstattend zu begleiten. Doch für Behrmann bleiben die Briefe über das Erlebte seltsam blass, Fallada sei "mit politischer Blindheit geschlagen" gewesen, meint sie. Seiner Frau schreibt er lieber über Stierkämpfe und schicke Abendessen. Gansel macht im Nachwort dafür die nationalsozialistische Zensur verantwortlich, doch die Rezensentin hat Zweifel. Wirklich spannend findet sie es, Falladas Briefe von der Reise neben seine autobiografischen Texte zu legen, die er nur ein Jahr später als schwer Drogenabhängiger in der Nervenheilanstalt schrieb. Dann sieht man, wie Kompliziert, widersprüchlich und verstrickt Fallada war, und wie sehr er bis zum Schluss versuchte, Schriftsteller zu bleiben, so die Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 17.12.2022

Auch die Briefe an seine Frau Anna Ditzen zeugen von der Furchtsamkeit und Verletzlichkeit Hans Falladas und sind unbedingt lesenswert, findet Elke Schlinsog. Erneut kreist der Band um das halbe Jahr, dass Fallada für den nationalsozialistischen Reichsarbeitsdienst in Frankreich verbrachte. Damals war er einerseits bereits Beststeller-Autor, andererseits war er denunziert worden und hatte einen Gefängnisaufenthalt hinter sich. Die ersten Briefe ins mecklenburgische Carwitz, so die Rezensentin, klingen als sei der Krieg für Fallada nur Anlass für eine luxuriöse Sause nach Paris und der Mann, der "Heil Hitler" ruft nicht er selbst. In Südfrankreich angekommen, schreibt Fallada von den "Elendsgestalten", was sich für Schlinsog naiv bis ignorant liest, müsste nicht in Betracht gezogen werden, dass Fallada die Briefzensur fürchtete. Bei allem Stirnrunzeln macht die Publikation für die Rezensentin aber deutlich, dass auch Fallada nur einer von Millionen Deutschen war, die sich von den Nazis indoktrinieren ließen. Fallada zumindest schrieb sich ein Jahr später mit "Der Trinker" das Anbiedernde von der Seele.