Hans Magnus Enzensberger

Eine Handvoll Anekdoten

auch Opus incertum
Cover: Eine Handvoll Anekdoten
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
ISBN 9783518428214
Gebunden, 239 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Mit 122 Abbildungen. "Das eigene Geburtsdatum ist schwer loszuwerden. Auch M. schleppt es mit sich herum." Die ersten zwanzig Jahre sind ein Gepäck, das ein Mensch nie wieder los wird. Aber die Erinnerung ist ein fragmentarischer und unzuverlässiger Ratgeber. Deshalb nimmt sich der Autor die Freiheit der Regie und der Collage, fügt Motive, Bilder und Anekdoten zu einem Opus incertum zusammen. So nannten die alten Römer eine spezielle Art ihres Mauerbaus: ein "ungesichertes Werk".
In Impressionen, Sprüngen und Exkursen folgen wir also den Geschichten des M., den Abenteuern eines, der sich den Zumutungen der Geschichte zu entziehen wusste: Familien-Bande und erste Liebe, frühe Lektürelust und Mediensucht, jede Art von Ausweichmanöver vor falscher Autorität, ein missglückter Sprengstoffversuch, Fahnenflucht, Schwarzhandel und dann das Glück akademischer Freiheit im Studium - noch jenseits von Pisa und Bologna: Ob es um jesuitisch geprägte Marx-Exerzitien oder, unter Vortäuschung von Altgriechisch-Kenntnissen, um ein "Mokka-Seminar" im professoralen Salon ging, um ein bisschen Linguistik oder Psychiatrie - hier ließ man ihn in Ruhe.
Aber ist es nur das Buch eines Subjekts namens M.? Der Autor selbst bewahrt uns, mit Blaise Pascal, vor dem Irrtum: "Manche Autoren sagen, wenn sie von ihren Werken sprechen: Mein Buch, mein Kommentar, meine Geschichte. Besser wäre es, sie sagten: Unser Buch, unser Kommentar, unsere Geschichte - weil gewöhnlich mehr Gutes von anderen als von ihnen darin steht."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.11.2018

Rezensentin Insa Wilke pirscht sich mit Hab-Acht-Haltung an Hans Magnus Enzensbergers Erinnerungen heran. Die Selbsterfindungsgabe des Autors, sein Faible für Eulenspiegeleien im Hinterkopf liest sie über Kindheit und Jugend Enzensbergers, über Kinderstreiche, Krieg und HJ. Schon die Fotos im Band machen sie skeptisch, wenn als Quelle eine Nürnberger Werbeagentur angegeben wird. Dass sich der Autor gewitzt vor dem Eigentlichen drücke, diese Vermutung möchte Wilke allerdings nicht gelten lassen. Für sie handeln die Anekdoten im Band genau davon, wenngleich verkappt. Das vermeintlich Ungenaue an Enzensbergers politischen Analysen entdeckt sie auch hier, nämlich sobald der Autor von sich auf andere schließt. Vielsagend aber ist eben das, meint Wilke, ein Maskenspiel, hinter dem nur gelegentlich die Person hinter der Figur HME hervorschaut. Amüsant und warmherzig ist es für Wilke außerdem.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.10.2018

Weniges liegt Hans Magnus Enzensberger ferner als literarische Nabelschau und "feuchtlippige Privatissima", weiß Rezensentin Iris Radisch. Abgesehen von einem schmalen Büchlein über seine zweite Ehe und einige Auslandsaufenthalte, gab es bisher kaum Autobiografisches des Dichters zu lesen. Umso mehr überrascht Radisch diese "Handvoll Anekdoten", in denen der Enzensberger bereitwillig von seiner behüteten Kindheit in bürgerlichem Elternhaus erzählt sowie dem Aufwachsen im Dritten Reich und danach - jener Zeit, in der "die wichtigen Männer plötzlich nicht mehr wichtig waren" - eine Erfahrung die den angehenden Autor bzw. sein Schreiben und Denken prägte, denkt sich Radisch. Doch auch mit dieser Sammlung unterhaltsamer und aufschlussreicher Anekdoten bricht sich der König der Unberührbarkeit keinen Zacken aus der Krone, spottet sie milde, denn seine Erzählungen bestätigen doch nur das bekannte Bild vom literarischen Genie und hochbegabten Intellektuellen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.10.2018

Rezensent Dirk von Petersdorff scheint überrascht, ein ganzes autobiografisches Buch von Hans Magnus Enzensberger vor sich zu haben. Über Enzenbergers Familie, Kindheit, Kriegs- und Vorkriegserlebnisse wusste er bisher wenig. Umso mehr freut er sich, in diesem Buch keinen strahlenden Helden vorzufinden, sondern einen menschlich sympathischen, durchaus zu Untaten fähigen jungen Mann, der viel Glück hatte im Leben und schonungslos sich selbst besieht, aber auch andere (wie Günter Grass). Vergnügliche, anregende, mit Fotos und Abbildungen schön gestaltete Lektüre, so Petersdorff.
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