Hanya Yanagihara

Das Volk der Bäume

Roman
Cover: Das Volk der Bäume
Hanser Berlin, Berlin 2019
ISBN 9783446262027
Gebunden, 480 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Stephan Kleiner. Der junge Arzt Norton Perina kehrt mit einer unfassbaren Entdeckung von der Insel Ivu'ivu zurück: Hat er wirklich ein Mittel gegen die Sterblichkeit gefunden? Eine uralte Schildkrötenart soll die Formel des ewigen Lebens bergen. So kometenhaft er damit zur Spitze der Wissenschaft aufsteigt, so rasant vollzieht sich die Kolonisierung und Zerstörung der Insel. Mit gnadenloser Verführungskraft zieht Hanya Yanagihara uns hinein in den Forscherrausch im Urwald und lässt uns auch dann nicht entkommen, als Perina dort eine weitere Entdeckung macht: seine fatale Liebe zu Kindern. Wie betrachten wir eine Lebensleistung, wenn sich das Genie als Monster entpuppt?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.03.2019

Cornelia Geißler hält die Fragen um Missbrauch und Ethik des Wissenschaftlers, die Hanya Yanagihara in ihrem 2013 in den USA erschienenen Roman aufwirft, für relevant, die an eine reale Person angelehnte Erzählung um einen Naturwissenschaftler, der sich an seinen Adoptivkindern vergeht, plastisch geformt und verführerisch vermittelt. Zwar langweilen die genauen Beobachtungen des Wissenschaftlers auf einer Südseeinsel die Rezensentin mitunter, doch wie die Autorin seine Erinnerungen darbietet, lässt Geißler ins Staunen geraten darüber, dass sie selbst Sympathien für einen Mann und seine Arbeit zu entwickeln vermag, der von Anbeginn als Missbrauchs-Täter eingeführt wird.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.03.2019

Hanya Yanagiharas Onkel arbeitete am selben Institut wie der 1976 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete und 1997 wegen Kindesmissbrauchs verurteilte Mediziner und Virologe Daniel Carleton Gajdusek, weiß Rezensentin Angela Schader. Die Geschichte, die die amerikanische Autorin in ihrem bereits 2013 erschienenen Debütroman erzählt, nimmt den Fall Gajdusek aber nur als Ausgangspunkt, um ein faszinierendes "fiktionales Gebäude" um Genie und Versagen, Ausbeutung und Kindesmissbrauch zu entwickeln, fährt die Kritikerin fort, die sich von der überbordenden Fantasie der Autorin in den Bann hat ziehen lassen. Dass Yanagihara es ein wenig übertreibt, wenn sie ihren kalten, selbstgerechten Helden auf der fiktiven Tropeninsel Ivu'Ivu ein Mittel für Unsterblichkeit entdecken lässt, dessen Verdienste als Wissenschaftler aber zu kurz kommen lässt, kann Schader verzeihen. Sinnlichkeit, ein "Händchen fürs Fiese" und sparsam gestreute, umso effektvollere Motive reißen die Rezensentin mit.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.02.2019

"Das Volk der Bäume", im Original 2013 erschienen, ist der Vorgänger des Roman "Ein wenig Leben", der der Autorin einen Welterfog beschied. Eine packende Lektüre bietet auch er, berichtet Rezensent Christoph Bartmann, der selten einen so eindringlichen Roman über einen "mad scientist" gelesen hat. Angelehnt ist er an die ebenfalls recht irtre Geschichte des Medizinnobelpreisträgers Daniel Carleton Gajdusek, der nachweisen konnte, dass ein Inselvolk eine Creutzfeld-Jakob-ähnliche Krankheit bekam, weil man sich dort bei Stammesritualen mit der Hirnmasse der Ahnen einrieb. Die Geschichte des Romanhelden weist sehr viele Parallelen auf, inklusive des Kindesmissbrauchs, der Gajdusek vorgeworfen wurde, berichtet der Rezensent, der mit Bewunderung über das üppige Erzähltalent der Autorin schreibt, sich zugleich aber immer wieder fragt, was sie eigentlich damit beweisen will. Als Empfehlung lässt sich Bartmanns Kritik durchaus lesen, auch wenn er zugibt, etwas ratlos zurückzubleiben.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 19.02.2019

Christoph Vormweg rät dringend, sich das Vorwort zu Hanya Yanagiharas Roman bis zum Ende aufzusparen. Ansonsten verlören die Erinnerungen des Forschungsreisenden Perina einiges an Spannung. Was der Erzähler über seine Reise zu einem isolierten mikronesischen Volksstamm berichtet, scheint Vormweg darüber hinaus präzis und bildreich gefasst, detailliert in den Naturbeschreibungen und von atmosphärischer Dichte. Über die Kabale im Forschermilieu scheint ihm die Autorin besonders gut Bescheid zu wissen, die Kollision eines primitiven Wertesystems mit dem christlichen Weltbild schildert Yanagihara laut Rezensent mitreißend, mit Gespür für menschliche Abgründe und enstprechend desillusionierend.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 01.02.2019

Rezensentin Sigrid Löffler hält ihre Besprechung von Hanya Yanagiharas im amerikanischen Original bereits 2013 erschienenem Roman recht knapp. Die Geschichte um drei Ethnologen, die auf einer fiktiven mikronesischen Insel einen ebenfalls erfundenen Südsee-Volksstamm entdecken, dessen Unsterblichkeits-Rezept, den rituellen Verzehr von Schildkrötenfleisch, stehlen und den Stamm auslöschen, scheint die Kritikerin dennoch gern gelesen zu haben. Sie erfährt hier nicht nur einiges über Imperialismus, Machtmissbrauch und kulturelle Missverständnisse, sondern auch über den diskreditierten Nobelpreisträger Daniel Gajdusek, dem der pädophile Held des Romans, der Mediziner Norton Perina, nachempfunden wurde. "Barocker Detailreichtum" und "pseudo-wissenschaftliche Fußnoten" verleihen dem Thema "Unsterblichkeit" einen "dokumentarischen" Charakter, schließt die Rezensentin.