Ivan Olbracht

Die traurigen Augen

Drei Novellen
Cover: Die traurigen Augen
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), Stuttgart 2001
ISBN 9783421055699
Gebunden, 330 Seiten, 20,35 EUR

Klappentext

Aus dem Tschechischen von Gustav Just, August Scholtis und Markus Wirtz. Mit einem Nachwort von Ludger Udolph. Ein Fuhrmann, der nicht mehr ein noch aus weiß und der sich und seine Mähre Julca am Ende an zwei Gojim verdingen muß; ein Schneider, der sich seinen ehelichen Pflichten zu entziehen sucht, weil er sich insgeheim für einen der 36 Gerechten hält; und schließlich Hanas wunderschöne Mandelaugen, Abgründe für Männerseelen, die ihr aber auch nicht dabei helfen, ihren Geliebten als Ehemann durchzusetzen. Die Novellen Ivan Olbrachts sind Glanzstücke tschechischen Erzählens und geben Zeugnis einer Welt, die es längst nicht mehr gibt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.09.2002

Mit vielen Informationen vollgepackt hat Jörg Plath seine Besprechung: wir erfahren einiges über den böhmischen Schriftsteller, sein Leben und seine Zeit, die Editions- und auch einen Teil der Rezeptionsgeschichte seines Werkes; einiges davon hat er dem von ihm gelobten Nachwort von Ludger Udolph entnommen. Die hier neu übersetzt vorgelegten Geschichten sind angesiedelt im ruthenischen Schtetl des östlichen Tschechien, in dem Ivan Olbracht in den dreißiger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts seine Protagonisten fand: arme jüdische Handwerker, Bauern und Fuhrleute. Die drei in diesem Band vereinten Novellen, so Plath, beziehen ihre Komik aus dem Kontrast von "Profanem und Erhabenem" und erwecken mit schnell wechselnden Erzählperspektiven und "burleskem Schmunzeln" eine zerstörte Welt wieder zum Leben. Kein schlechter Einstieg für die "Tschechische Bibliothek", die von der Robert-Bosch-Stiftung in der DVA gefördert wird, meint der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.01.2002

Auf eine kleine feine Reihe weist uns Katharina Granzin hin: die Tschechische Bibliothek, die seit 1999 bei DVA erscheint - mit Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung. Die Reihe mit ihren drei bis vier Bänden pro Jahr hat sich der tschechischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts verschrieben und präsentiert mit Olbracht einen Schriftsteller, der Eingeweihten als Ikone des sozialistischen Realismus bekannt ist. Olbracht wurde erst später ein "Betonkopf", wie Granzin schreibt, seine früheren Bücher verdienten es, gelesen zu werden. Sie begrüßt ausdrücklich die Wahl der Herausgeber, diese drei Novellen aus Olbrachts "kleinkarpatischer Phase" herausgepickt zu haben: Sie führen in eine gottverlassene Gegend am Rande der Slowakei, der Karpato-Ukraine, in die Welt des orthodoxen Judentums, die selbst vom Geist des traditionellen jüdischen "Schtetl" bewusstseinsmäßig noch "Lichtjahre entfernt" war, wie Granzin schreibt. Alle drei Erzählungen seien im übrigen hervorragend übersetzt, titelgebend sei die letzte der drei Novellen, die nicht umsonst als eine der schönsten Liebesgeschichten der tschechischen Literatur gelte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.12.2001

Mit großem Nachdruck legt Karl-Markus Gauß den Lesern diesen Band mit drei Novellen ans Herz, die 1937 zum ersten Mal veröffentlicht wurden und die er als "unbekannte Meisterwerke" preist. Die Novellen, die in der damals tschechischen Karpato-Ukraine spielen und Einblick in ein fiktives jüdisches Dorf bieten, teilen sich Figuren und Thematik, wie der Rezensent betont. Ihn haben alle drei Geschichten beeindruckt, doch preist er besonders die dritte Novelle, in der ein Mädchen an den religiösen Überzeugungen der Dorfgemeinschaft zerbricht, weil sie einen Ungläubigen liebt. Gauß schwärmt von der "atmosphärisch dichten Erzählung", die sowohl genaue "ethnographische Studie" wie "herzergreifende Liebesgeschichte" seit, und er findet es besonders gelungen, dass sich der tschechische Autor jeder Parteinahme enthält und statt dessen sehr genau die Widersprüche zwischen chassidischer Orthodoxie und davon abweichenden Lebensentwürfen beschreibt.