J. M. G. Le Clezio

Revolutionen

Roman
Cover: Revolutionen
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2006
ISBN 9783462036800
Gebunden, 555 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Nizza in den 1950er Jahren. Der fünfzehnjährige Jean Marro besucht oft seine blinde alte Tante Catherine, die ihm Geschichten von der Insel Mauritius erzählt, dem verlorenen Paradies der Marros. Tante Catherine ist für Jean der Schlüssel zu einer lebendigen Vergangenheit, die Verbindung zu dem Bretonen Jean Eudes Marro, der nach der Französischen Revolution an der Kanonade von Valmy teilnahm und später nach Mauritius auswanderte. Jeans Gegenwart ist geprägt vom Algerienkrieg, der Frankreich erschüttert. Er flüchtet nach London, um Medizin zu studieren, zieht ruhelos weiter nach Mexiko, wo er 1968 die Niederschlagung des Volksaufstands erlebt. Politische Revolutionen und private Revolten prägen sein Leben; jede Phase steht im Zeichen einer intensiven Liebesbeziehung. Ruhe findet er erst bei der Algerierin Mariam, mit der er nach Mauritius fährt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.09.2006

Nicht ganz glücklich ist Rezensent Thomas Laux mit J. M. G. Le Clezios neuem Roman geworden. Allzu halbherzig findet er den französischen Romancier darin mit seinem Thema umgehen: die große Geschichte und die Flucht vor ihr. Laux zufolge wird der Roman auf zwei Ebenen erzählt: einmal geht es um einen jungen Mann in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, der wohl autobiografische Züge hat; zum anderen um einen Vorfahren im 18. Jahrhundert, der mit seiner Frau nach Mauritius auswandert. Es gebe zahlreiche Ortswechsel, diverse Liebesgeschichten und "Peripetien vor dem Hintergrund der einen, nämlich großen Historie" - die titelgebenden Revolutionen eben, diverse Kriege und mehr. Da aber der Roman dem Rezensenten die Haltung nahe legte, dass Geschichte etwas sei, aus dem man sich eher heraushalten solle, gerät in der Konsequenz leider auch die "Profilierung der Helden" für seinen Geschmack etwas blass. Die Beschreibung der Insel Mauritius, die als Paradies als das Gegenbild zu dieser Historie bemüht werde, hat für seinen Geschmack zuviel vom Flair eines Reiseromans und funktioniert deshalb auch nicht so richtig.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.08.2006

Jean Marie Gustave Le Clezio hat mit "Revolutionen" der Zivilisationskritik mehr oder wenig abgeschworen, wundert sich Thomas Laux. Mit seiner Geschichte einer französischen Familie, die Ende des 18. Jahrhunderts wie ein Teil von Le Clezios bretonischen Vorfahren nach Mauritius auswandert, beabsichtige Le Clezio offenbar im Gegensatz zu seinen früheren Werken, die Laux als Abenteuer - und Reiseromane auffasst, keinerlei Bewertung der Geschichte, ja in den Augen des Rezensenten betreibt Le Clezio hier sogar eine "Relativierung der politischen Prozesse", was fast "eskapistisch" anmute. Zwei Jahrhunderte trennen Jean Eudes Marro, der nach der Französischen Revolution mit seiner Frau nach Mauritius umgezogen war und Jean, der um 1950 die Geschichte seiner Familie von seiner blinden Tante hören will und dessen Nachforschungen ihn schließlich über London und Mexiko ans Grab seiner Vorfahren auf Mauritius führen. Die für Le Clezio typischen Themen, die Laux aber leider zu erwähnen vergisst, werden nach Ansicht des Rezensenten auch nur mehr "indirekt" angesprochen, was er als Versuch des Autors begreift, eine "Mythisierung" der eigenen ebenfalls mit Mauritius verwobenen Geschichte zu betreiben.