Alice Zeniter

Die Kunst zu verlieren

Roman
Cover: Die Kunst zu verlieren
Berlin Verlag, Berlin 2019
ISBN 9783827013736
Gebunden, 560 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Hainer Kober.  Naïma hat es lange nichts bedeutet, dass ihre Familie aus Algerien stammt. Wie soll ihre Verbindung zu einer Familiengeschichte, die sie nicht kennt, denn auch aussehen? War ihr Großvater wirklich ein "Harki", ein Verräter? Vielleicht könnte die Großmutter es ihr erzählen, aber nur in einer Sprache, die Naima nicht versteht. Und ihr Vater, der 1962 nach Frankreich kam, in eines jener damals hastig errichteten Auffanglager, wo man die Algerienflüchtlinge versteckte, redet nicht über das Land seiner Kindheit. Um mehr zu erfahren, tritt Naïma eine weite Reise an.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.05.2019

Im Großen und Ganzen sehr angetan ist Rezensent Joseph Hanimann von diesem Roman, den er als "literarisches Pionierwerk" der Entkolonisationsliteratur lobt. Eine besondere Familiengeschichte der Migration von Algerien nach Frankreich wird hier über drei Generationen erzählt, erfahren wir. Eine Frau, die laut Hanimann in vielem der Autorin ähnelt, erkundet ihre Familiengeschichte und stößt auf die Geschichte des Großvaters, der es in seinem kabylischen Bergdorf mehr mit den Franzosen hielt als mit den arabischen Aufständischen. Aus Furcht vor der Rache der Sieger verließ er mit der Familie das Land seiner Geburt - nur um in einer tristen Sozialwohnung in der Normandie ein geducktes Leben zu führen, während sein Sohn als studentenbewegter Student und durch die Heirat mit einer Französin den Aufstieg schafft. Episoden aus dem Liebesleben der Enkelin findet Joseph Haniman "überflüssig" und ist auch mit den zu vielen Diskussionen nicht zufrieden. Aber "das gesamte Spektrum zwischen Verlegenheit, Schweigen, Opportunismus, Selbsttäuschung" sei in diesem Roman durch seine Figuren feinfühlig dargestellt. Haniman lobt auch den Übersetzer Hainer Kober, der den Text wunderbar ins Deutsche zu bringen verstanden habe.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 26.03.2019

Den Titel ihres Romans hat Alice Zetiner einem Gedicht Elizabeth Bishops entnommen, informiert Rezensentin Sigrid Brinkmann, und "Die Kunst zu verlieren" bezieht sich für die junge Naima auf das Herkunftsland ihrer Familie. Der Roman erzählt von einer Harki-Familie, die wie so viele andere Hilfskräfte der französischen Armee Algerien nach der Unabhängigkeit verlassen musste. Brinkmann erinnert an die Scham und das Schweigen, mit denen die Harkis über Jahrzehnte hinweg klarkommen mussten, von den Algeriern als Kollaborateure verachtet, von den Franzosen als Algerier. Die 1986 geborene Autorin Alice Zeliter entstammt selbst einer Harki-Familie, sie erzählt über drei Generationen hinweg von dem allmählichen, schmerzlichen Prozess, in Frankreich einen Platz zu bekommen und ihn zu behaupten und mit Algerien Frieden zu machen. Wie konzentriert Zeliter schreibt, mit historischer Tiefenschärfe und unsentimental, das beeindruckt und berührt die Rezensentin nachhaltig.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.03.2019

Die französische Autorin Alice Zeniter erzählt in ihrem halb autobiografischen Roman "Die Kunst zu verlieren" am Beispiel ihres Großvaters die Geschichte der algerischen Harkis, die 1962 aus dem unabhängigen Algerien nach Frankreich fliehen mussten, weil sie im Bürgerkrieg auf der falschen Seite, der Seite der Franzosen, gekämpf hatten. Anerkannt wurde das auch in Frankreich nie so recht, erzählt Rezensentin Judith Heitkamp. Ob ihr der Roman wirklich gefallen hat, wird nicht so recht klar - die Autorin schwankt zwischen Fakten, Fiktion und Kitsch, schreibt sie - aber empfehlenswert findet sie ihn dennoch: Denn endlich einmal wird diese Geschichte aus der Perspektive von Algeriern erzählt. Die Franzosen bleiben Statisten im Hintergrund, notiert Heitkamp zufrieden.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 25.02.2019

Dirk Fuhrig kann Alice Zeniter ein bisschen Kitsch verzeihen, wenn die Autorin die Erzählerin ihres autobiografischen Romans auf die Spurensuche nach ihren algerischen Wurzeln schickt. Wie Zeniter das Schicksal algerischer "Harkis" (also Algerier, die auf der Seite der Kolonialmacht gestanden hatten) in der französischen Diaspora schildert, dicht, fesselnd, nüchtern und sachlich, gemahnt Fuhrig an einen vergessenen Teil der Geschichte Frankreichs. Dass es Zeniter gelingt, ihre persönliche Familiengeschichte und Zeitgeschichte in einem vom algerischen Unabhängigkeitskrieg bis in die Gegenwart reichenden Erzählbogen miteinander zu verbinden, findet Fuhrig bemerkenswert.