Jacob Mikanowski

Adieu, Osteuropa

Kulturgeschichte einer verschwundenen Welt
Cover: Adieu, Osteuropa
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783737101394
Gebunden, 512 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Von der Oder bis Sibirien, von der Krim bis zum Baltikum - zum ersten Mal wird der osteuropäische Kulturraum insgesamt ins Auge gefasst, ja nachgerade neu entdeckt: Jacob Mikanowski entwirft das Panorama einer ungemein reichen Welt, die dem Westen stets fremd war und zugleich starke Impulse gab - sei es in Musik und Kunst um 1900, in der Erfindung des Nationalismus oder im jüdischen Leben. In weiten Bögen schildert er die Fährnisse von großen wie unbekannten Volksgruppen, Reichen, Religionen. Imperien wie Österreich-Ungarn oder Russland, auch der Islam werden im Gesamtbild neu begreiflich. Entlegenes beschreibt Mikanowski romanhaft spannend: die jüdische Kriegersekte der Karäer, nomadische Räuberdynastien oder Werwolf-Familien; er porträtiert illustre Figuren wie den "Guru" Jakob Frank, der Goethe erstaunte, den türkischen Dandy und Reiseautor Evliyâ Çelebi, der ab 1630 halb Europa und Afrika erkundete, oder die kaiserliche Augenärztin Salomea Pilsztyn. Jacob Mikanowski lässt eine ganze Welt lebendig werden, die in ihrer Vielfalt an Sprachen, Ethnien, Künstlern, Spielern und Herrschern verblüffend modern war, lange bestand und die erst im Kapitalismus des späten 20. Jahrhunderts untergeht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.09.2023

Ein glatter Verriss. Jacob Mikanowskis Buch über Osteuropas missfällt dem hier rezensierenden Historiker Jens Oliver Schmitt gründlich. Zunächst mal schreibe Mikanowski gar nicht über Osteuropa, sondern über die ostmitteleuropäischen sowie die Balkan-Staaten. Hinzu kommt die laut Kritiker karikaturhafte Beschreibung der Habsburgermonarchie sowie seine undifferenzierte Ablehnung der Nationalbewegungen. Und dann wird das ganze noch vermischt mit der Familiengeschichte Mikanowskis. Schmitt schüttelt den Kopf über diesen "Unfug", der seiner Meinung nach einfach nur die Sympathien und Antipathien eines Autors widerspiegelt, der die "Vielsprachigkeit der Region beschwört" und sich dann größtenteils auf englischsprachige Literatur stützt. Ein "ebenso unnötig wie verlegerisch missglücktes" Buch, urteilt der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.05.2023

Osteuropa gibt es nicht mehr, lernt Rezensent Florian Keisinger aus dieser Kulturgeschichte von Jacob Mikanowski. Zumindest nicht mehr in seiner alten Form, als eine Region, die gerade durch das Nebeneinanderexistieren einer Vielfalt an Sprachen, Religionen und Ethnien verbunden war, so der Kritiker. In der ersten Hälfte seines Buches beschäftigt sich Mikanowski mit der Entwicklung des östlichen Europas seit dem Beginn der Neuzeit, lesen wir, in der sich der Kulturraum mit einem "bunten Wandteppich" vergleichen lässt, wie der Rezensent zitiert. In der zweiten Hälfte, die der Kritiker als deutlich politischer wahrnimmt, wird die Zeit bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion behandelt, in der die "mehrsprachige und multikonfessionelle Prägung" immer weiter abnimmt, lesen wir. Mikanowskis Buch ist in jedem Fall ein "starkes Plädoyer" dafür, die Vielfältigkeit dieses spezifischen Kulturraumes zu wieder neu zu entdecken und zu bewahren, schließt Keisinger.

Buch in der Debatte

9punkt 27.12.2023
Die unter dem Titel "Adieu, Osteuropa" bereits im Frühjahr erschienene "Kulturgeschichte einer verschwundenen Welt" des Historikers Jacob Mikanowski wurde recht kontrovers besprochen. "Seit 1989 hat der Begriff Osteuropa einen negativen Beigeschmack, Länder haben ihn abgelegt, um sich vom Sozialismus und der Phase des Ostblocks abzugrenzen", sagt er im SpOn-Interview mit Nadia Pantel, in dem er Unterschiede zwischen West- und Osteuropa zu analysieren versucht. Unser Resümee