Jamil Ahmad

Der Weg des Falken

Cover: Der Weg des Falken
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2013
ISBN 9783455403947
Gebunden, 187 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Giovanni und Ditte Bandini. Auf den Spuren des Jungen Tor Baz - des schwarzen Falken - führt Jamil Ahmad den Leser durch eine archaische Welt. Er erzählt aus der Grenzregion zwischen Pakistan, Afghanistan und Iran, von berückenden Landschaften, von Stammesriten und dem Kampf ums Überleben, aber auch von Weisheit, Mitgefühl und Liebe. Das Schicksal von Tor Baz steht unter einem schlechten Stern. Seine Eltern haben die Stammesregeln verletzt, waren jahrelang auf der Flucht und werden schließlich doch von ihren Angehörigen aufgespürt und erbarmungslos hingerichtet. Den Sohn lässt man allein in der Wüste zurück. Zwar überlebt Tor Baz, doch sein Leben entpuppt sich als einzige Odyssee. Mal steht er unter der Obhut eines Soldaten, dann ist er Begleiter und Lehrling eines wandernden Mullahs, schließlich Ersatzsohn eines Paares, dessen eigener Sohn auf zweifelhafte Weise zu Tode kam. Tor Baz erlebt Stammeszwiste und Mädchenhandel, er begegnet Rebellen und Militärs, aber auch ganz normalen Männern und Frauen, die alles geben würden, um ihre traditionelle Lebensweise zu bewahren. Die jedoch beginnt sich vor ihren eigenen Augen aufzulösen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.05.2013

Bei aller gebotenen Skepsis gegenüber literarischen Hype-Phänomenen: Rundum nachvollziehbar findet Katharina Granzin die gegenwärtige Euphorie über den späten Debütanten Jamil Ahmad, der erst jetzt, im Alter von 81 Jahren, seine Manuskripte, in denen er seine Erfahrungen als Beamter an der Grenze zwischen Pakistan, Afghanistan und Iran (allerdings schon vor 40 Jahren) niedergeschrieben hatte, mit diesem Buch der Öffentlichkeit zugänglich macht. Wobei sie, bei aller eingestandenen Ehrfurcht, nicht alles in diesen, die Nähe zu ihrem Gegenstand unbedingt suchenden Erzählungen über die Nomadenvölker und die im Zuge rigoroser Grenzziehungen immer stärker regulierten Landschaften, die diese einst frei durchquerten, für bare Münze nimmt: Doch "Literatur kennt eine eigene Realität", schreibt Granzin und singt ein Loblied auf Ahmads sprachliche Brillanz, die ganz für sich eine rein literarische Landschaft bildet - und in dieser hält sich Granzin offenkundig mit größter Wonne auf.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.05.2013

Wenn man Jamil Ahmads "Der Weg des Falken" in den Händen hält, sieht es aus wie jedes andere Buch - aber das ist es nicht, stellt Roger Willemsen klar. Schon seine Entstehungsgeschichte ist äußerst ungewöhnlich, meint der Rezensent: gesammelt und aufgezeichnet wurden die Erzählungen vor rund vierzig Jahren, als Ahmad Regierungsbeauftragter in Belutschistan und Botschafter in Kabul war. Das Buch, als das sie nun endlich erscheinen, ist nicht Roman, nicht Erzählungsband, sondern in erster Linie "ein Dokument kulturellen Wissens", so Willemsen, eines Wissens, das hauptsächlich in mündlicher Überlieferung innerhalb von Nomadenstämmen weitergegeben wird. Und so dringt nun dieses bedrohte Wissen in unsere Ignoranz wie die Poesie des Erzählens in die karge Landschaft Afghanistans, meint Willemsen: "Farbe verdrängt das Monochrome."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.03.2013

Tobias Matern lobt das Erstlingswerk des pakistanischen Autors Jamil Ahmad als "eine saubere Recherche, literarisch veredelt". Schon 1973 verfasst, erscheint es erst jetzt, da der Spielort Belutschistan, heutiges Rückzugsgebiet der Taliban, neue Aktualität bekommen hat, wie der Rezensent vermutet. Den 82jährigen Autor verbindet eine besondere Beziehung mit dem Gebiet, weil er dort mehr als zwanzig Jahre als 'political agent' des pakistanischen Staates stationiert war. "Nie kitschig, immer empathisch" erzähle der Autor von dem Alltag der Nomadenstämme der Region, findet der Rezensent. Der Junge Tor Baz (schwarzer Falke) verliert seine Eltern durch Rache des Clans, weil seine Mutter schon verheiratet war, und ist seitdem auf sich gestellt. Beeindruckend findet Matern, dass Ahmad den Verfall der Nomadenstämme bedauert, obwohl er als Beamter selbst ein Teil des Staates war, der diesen verantwortet.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.03.2013

Mit 80 Jahren hat sich der Autor noch in der Literatur Südostasiens verewigt, und das eher zufällig. Denn das Manuskript hat 35 Jahre in der Schublade gelegen, wie Angela Schader berichtet. 2011, als das Buch in England erschien, erhielt Jamil Ahmed dafür allerhand Preise. Schader staunt nun, wie gut Ahmeds rhythmische, poetische Sätze auch in der deutschen Version von Giovanni und Ditte Bandini ihren Sog entfalten und den Leser mitnehmen in die unwirtliche Gegend zwischen Afghanistan, Pakistan und Iran. Landschaft und archaische Stammesbräuche aus dem paschtunischen Ehrenkodex, Opium, Bären - all das weiß Schader zu schätzen, wenn der Autor auch, wie sie feststellt, keinen Funken Glück oder Schönheit in uns vertrauten Formen zeigt. Eine fremde Welt wird eröffnet, für Schader ist genau das große Literatur.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.03.2013

Bereits vor vierzig Jahren verfasste Jamil Ahmad die nun unter dem Titel "Der Weg des Falken" erschienenen Geschichten, berichtet Rezensent Stefan Weidner und betont, dass es kaum einen besseren Zeitpunkt für die Veröffentlichung hätte geben können. Denn hier erlebt der Kritiker die afghanisch-pakistanische Grenzregion, die inzwischen zum Rückzugsgebiet von Taliban und Al Qaida geworden ist und erfährt, wie die Menschen dort einmal lebten und liebten. Insbesondere bewundert Weidner, wie es dem Autor gelingt, stets die notwendige, wertfreie Distanz einzuhalten und dennoch zu verdeutlichen, wie sich die heutigen Auseinandersetzungen entwickelten. Darüber hinaus liest der Rezensent in den teils sehr berührenden Geschichten, die ihn bisweilen an die Erzählungen Juan Rulfos erinnern, vom rauen Leben der Nomaden und erstmals auch vom Ethnozid am Volk der Belutschen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 23.02.2013

Schon von der Entstehungsgeschichte dieses Erzählbands ist Sabine Vogel völlig hingerissen: 40 Jahre schlummerte es in der Schublade des heute 81-jährigen pakistanischen Autors in Islamabad bis es schließlich von dessen deutscher Ehefrau abgetippt wurde. Und was für ein Schatz da aus dem pakistanischen Grenzland zu Iran und Afghanistan gehoben wurde, jubelt die Rezensentin, die ganz und gar eintaucht in die traditionell-archaische Welt der Nomaden. Ahmad gelingt es mit seinen lose verbundenen, in "erdiger Poesie" gefassten Geschichten, etwas von den heute auch wegen rigider Grenzziehungen und den Maßnahmen zur Terrorbekämpfung weitgehend verschwundenen nomadischen Kulturwelten literarisch zu bewahren, schwärmt Vogel, nicht ohne am Ende noch ein wenig in etwas exotistischen Träumen von "kamelreitenden Krummdolchträgern" und "räuberischen Frauenverkäufern" zu schwelgen.