Jeffrey Eugenides

Die Liebeshandlung

Roman
Cover: Die Liebeshandlung
Rowohlt Verlag, Hamburg 2011
ISBN 9783498016746
Gebunden, 623 Seiten, 26,95 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Uli Aumüller und Grete Osterwald. Rhode Island, 1982. Eine junge Frau und zwei Männer schließen gerade das College ab. Madeleine liebt Leonard, und Leonard und Mitchell lieben Madeleine. Alle drei stehen an der Schwelle zum Erwachsensein und haben ein kompliziertes Verhältnis zu Bindungen und Glück. Leonard ist manisch-depressiv, Madeleine kümmert sich um ihn, und Mitchell bereist mit einem Rucksack voller Bücher über Religion die Welt. Als Madeleine und Leonard immer dichter zusammenrücken, scheint die Sache entschieden. Aber nach einem unerwarteten Treffen der drei werden die Karten neu gemischt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.02.2012

Als Versuch, Jane Austen und Henry James kongenial zu memorieren, ist der Roman für Michael Schmitt schon mal gescheitert. Dazu fehlt es dem Autor offenbar am nötigen Tiefblick in die Seelen seiner Figuren, wie auch am Herz und der Geduld, die Dialoge über das bloß Skizzenhafte, Perspektivlose zu erheben. Schmitt findet das schade, ist doch die Idee eines Abgleichs von Tradition (Liebesroman des 19. Jahrhunderts) und Moderne (80er Jahre College-Milieu) mittels einer Dreiecksbeziehung eigentlich ein hübscher Einfall, der Spannung verspricht. Allerdings weiß Jeffrey Eugenides das Potential der Story nicht zu nutzen, wenn wir Schmitt da richtig verstehen. Außer den oben genannten Gründen dafür, dass die Liebesgeschichte nicht funktioniert, scheint ihm der Autor nicht locker genug, um das Ganze als Satire zu handhaben. Er nimmt also die Geschichte zu ernst, doch nicht ernst genug. Bleibt nur die Deutung als Erinnerungsbuch. Da immerhin ergeben sich für den Rezensenten schöne Reminiszenzen: an die Anti-Atomkraft-Bewegung, Mutter Teresa und den Libanon.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.10.2011

Ein glatter Verriss. Ulrich Greiner hat schon nicht besonders viel von Jeffrey Eugenides' Roman "Middlesex" gehalten, dem neuen Werk "Liebeshandlung" aber spricht er sogar den literarischen rang ab. Denn Literatur habe schließlich etwas "mit Form und Sprache" zu tun, und beides lasse Eugenides hier sträflich vermissen. Greiner führt eine Reihe von belanglosen Füllseln an, von Banalitäten über Paris und flauer Ironie, um seinen Eindruck zu belegen,  und fragt sich, ob Eugenides wirkliches Interesse für seine Figuren aufbringt, wenn er so freudlos über sie schreibt wie ihr Therapeut und selbst der liebeskranke Mitchell über seine Angebetete Madeleine nur feststellt: "Ihre Oberschenkel waren etwas voller, als er erwartet hatte." Nein, meint Greiner, "das ist wirklich kein guter Roman".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.10.2011

Als anspruchsvolles Lesevergnügen schätzt Rezensent Lothar Müller den neuen Roman von Jeffrey Eugenides. "Die Liebeshandlung" - im Mittelpunkt steht eine Studentin, die eine literaturwissenschaftliche Arbeit über den "marriage plot" bei Jane Austen und im viktorianischen Roman schreibt und sich zwischen zwei Männern entscheiden muss - aktualisiert für ihn die alte Frage, wer wen heiraten wird. Das Ganze scheint ihm aufgezogen als Campus-Roman, der Elemente der Satire mit einem durchaus ernsten Loblied auf die Lust an der Theorie vereint. Die Werke von Eco, Derrida und Barthes, die die Avantgarde der Studenten studieren, werden seines Erachtens auf "kühne Weise" als "Gemeinwissen" vorausgesetzt. Müller hebt hervor, dass Eugenides in vorliegendem Roman zum ersten Mal mit einem klassischen Erzähler in der dritten Person experimentiert. Dabei bleiben für ihn Zweifel, ob die Prosa wirklich immer ganz zum Plot passt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.10.2011

Seinen neuen Roman "Die Liebeshandlung" hat Jeffrey Eugenides ganz nach den Grundsätzen des viktorianischen Romans aufgebaut und damit eine große Herausforderung angenommen, meint Rezensentin Katharina Granzin. In der Liebesgeschichte um die bildschöne Madeleine, die sich zwischen dem christlichen, sensiblen Mitchell und dem "brillanten", aber manisch-depressiven Leonard entscheiden muss, liest die Kritikerin die typisch viktorianische Dreieckskonstellation, allerdings angereichert mit zahlreichen Sexszenen und Elementen aus dem amerikanischen Collegeroman. Mit Bedauern muss Granzin aber feststellen, dass Eugenides seine drei Protagonisten psychologisch derart ausleuchte, dass man schnell übersättigt sei. Und wenn sie den männlichen Helden auch noch einiges abgewinnen kann, erscheint ihr die Figur der Madeleine so langweilig, dass sie einen 600-Seiten-Roman kaum tragen kann.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.10.2011

Zuerst beeindruckt Jens Balzer das lesende Mädchen als eine romantische Traumfigur, geschaffen von Jeffrey Eugenides in seinem neuen, 1982 spielenden Historien-Roman. Doch die Campus-Idylle bekommt Risse, als zwei Männer um das Mädchen buhlen, und Balzer erkennt, dass es in dieser kammerspielartigen Dreiecksgeschichte um mehr geht. Um Charaktere und ihre Karikaturen, um Perspektiven-Montage und symbolische Ebenen und Sinnsysteme im steten Wechsel. Für Balzer so farbig und faszinierend, dass die Frage, ob Schlüsselroman oder nicht, die sich die US-Kritik aufgrund von Ähnlichkeiten einer Figur mit David Foster Wallace stellt, für ihn gar nicht so interessant ist. Wichtiger erscheint ihm zum Beispiel, wie der Autor die Depression der betreffenden Figur darzustellen vermag. Das ist literarischer Realismus at its best, findet er.