Jochen Hörisch

Theorie-Apotheke

Eine Handreichung zu den humanwissenschaftlichen Theorien der letzten fünfzig Jahre, einschließlich ihrer Risiken und Nebenwirkungen
Cover: Theorie-Apotheke
Die Andere Bibliothek/Eichborn, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783821845302
Gebunden, 318 Seiten, 28,50 EUR

Klappentext

Analytische Philosophie, Dekonstruktion, Strukturalismus, Iconic turn, System-, Diskurs- und Simulationstheorie: Ja, wer heute die Tempel oder die Rostlauben der früher so genannten Geisteswissenschaften betritt, der hat es nicht leicht. Ein verwirrendes Angebot von Ansätzen, Methoden, Theorie-Designs, Trends und Moden stellt ihm die Freiheit, aber auch die Qual der Wahl in Aussicht. Theorien sind dazu da, die Wahrheit zu sagen. Aber nicht allein im Deutschen ist "Wahrheit" ein Wort, das sich nur widerstrebend in den Plural setzen lässt. Theorien gibt es hingegen nicht im Singular. Das macht ihren Vertretern schwer zu schaffen, schon weil sie dazu neigen, ihre Theorien allzu ernst zu nehmen.
Jochen Hörisch geht von der Erkenntnis aus, dass an die Stelle der großen konkurrierenden Erzählungen viele kleinere getreten sind. Er stellt in diesem Buch die Grundbausteine der einflussreichsten Theorien vor, rekonstruiert ihre Baupläne und testet sie auf ihre Brauchbarkeit hin. Auf welche Probleme sprechen sie an? Mit welchen Risiken, Nebenwirkungen, Kontraindikationen und Verfallsdaten muss rechnen, wer sich ihnen anvertraut? Einer solchen Handreichung liegt ein apothekarischer Wahrheitsbegriff zugrunde. Wahr sind ihm zufolge Theoreme, die uns mit neuen Kräften versehen, uns helfen und erfrischen, und Theorien, die es eher auf Heilung als auf das Heil der Letztbegründung abgesehen haben.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.01.2005

Johan Schloemann ist nicht sonderlich begeistert von dem neuen Buch des Medienwissenschaftlers Jochen Hörisch. Zwar sei es lobenswert, dass Hörisch bei seinem Versuch, "haltbare Grundgedanken" wie "Analytische Philosophie" oder "Zivilistationstheorie" in alphabetischer Reihenfolge als eine "Theorie-Apotheke" zu präsentieren, der Versuchung widerstanden hat, seine Notizen durch pharmakologische Metaphern aufzupeppen. Auch macht die Grundidee der schlichten Auflistung nüchterner Texte für den Rezensenten durchaus Sinn. So werden störende Querbezüge eliminiert, die eine chronologische oder systematische Ordnung mit sich brächten. Die Grundzüge einer Theorie können klar und deutlich hervortreten. Leider verfolgt Hörisch die Strategie, seine lobenswert klaren Definitionen durch metaphernreiche, "aktualitätsbeflissene" Ausführungen aufzubrezeln, die mit lästiger Sprachakrobatik protzen. Und die Theorien, die Hörisch nicht mag, werden nur verkürzt dargestellt. Nur für die "Privatpatienten" des Autors geeignet, resümiert Schloemann enttäuscht.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.12.2004

Der Heilung nahe fühlt sich der "rox" zeichnende Rezensent nach der Lektüre von Jochen Hörischs "Theorie-Apotheke". Hörischs Ausführungen, so der Rezensent, gründen auf der Beobachtung, dass die Menschen seit jeher und aus einer Art Erlösungsphantasie heraus eine Schwäche für "große Theorien" haben und ihre Liebe zu diesen Theorien sich nur  langsam in "geistige Abkühlung" wandelt. Gewappnet mit Wittgensteins Diktum, die Philosophie habe die Methode, "sich wahnsinnig zu machen, und dann den Wahnsinn wieder zu heilen", rolle Hörisch vornehmlich die letzten fünfzig Jahre Theoriegeschichte mit allen ihren Stars (etwa Dekonstruktion, Diskurstheorie, Existenzialismus, Feminismus, Interdisziplinarität) auf und warne "erbaulich und mit hintergründigem Witz vor den großtheoretischen Risiken und Nebenwirkungen". Solch eine klarsichtige Pille schluckt der Rezensent nach eigenen Angaben sehr gerne.
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