Karl-Heinz Ott

Wintzenried

Roman
Cover: Wintzenried
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2011
ISBN 9783455403114
Gebunden, 205 Seiten, 18,99 EUR

Klappentext

Der Philosoph Rousseau kommt zeitlebens nicht über ein Trauma hinweg: dass der Friseur Wintzenried den Platz im Bett seiner dreizehn Jahre älteren Geliebten eingenommen hat. Gäbe es Wintzenried nicht, würde Rousseau glücklich sein, müsste nicht gegen die Welt toben und zum Wegbereiter der Französischen Revolution werden. Ohne Wintzenried wäre alles gut, glaubt er. Wahnsinn und Wahrheit, das Tragische und Bizarre sind im Leben des Jean-Jacques Rousseau nicht auseinanderzuhalten. Dass Verfolgungs- und Größenwahn zusammengehören, lässt sich nirgends besser sehen als an diesem epochemachenden Philosophen, der die ganze verrottete Menschheit auf die Anklagebank setzt. Für alle, mit denen er befreundet ist, entpuppt er sich früher oder später als Monster. Was nicht nur daran liegt, dass er seine fünf Kinder ins Waisenhaus steckt und zugleich eine Erziehungslehre schreibt, die zur Bibel jeder fortschrittlichen Pädagogik wird. Mit leiser Komik beleuchtet Karl-Heinz Ott in diesem Roman ein Leben, das für seinen Protagonisten überhaupt nicht zum Lachen ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 23.12.2011

Dass ein Sonderling wie Jean-Jacques Rousseau ganz nach Karl-Heinz Otts Geschmack ist, das kann sich Martin Halter gut vorstellen. In seinen bisherigen Romanen hat Ott schön verschrobene Figuren entworfen, in seinem Roman "Wintzenried" zeichnet er den irrlichternden Rousseau als "überspannten Hochstapler", narzisstischen Hypochonder und galanten Schwindler, und zwar zur Freude des Rezensenten mit einem wunderbaren Gespür für Skurrilitäten und unauflösbare Widersprüche, aber niemals an den biografischen Fakten vorbei. So einen "Erzieher des Menschengeschlechts" lässt sich auch der Rezensent gern gefallen, dem überdies auffällt, dass Ott diesmal seinem Hang zu verschwurbelten Perioden nicht nachgibt und statt dessen kurze, präzise Sätze verwendet. Wie etwa den allerersten, mit dem er Halter eigentlich schon gefangen hat: "Er liegt im Bett, onaniert und stellt sich Mama dabei vor."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.12.2011

Rezensent Joseph Hanimann ist sich nach der Lektüre von Karl-Heinz Otts viertem Buch "Wintzenried" nicht ganz sicher, ob er einen Roman oder die Biografie des realen Jean-Jacques Rousseau gelesen hat. Im Grunde genommen ist ihm das aber auch egal, denn viel zu gern hat Hanimann die zahlreichen, "gut erzählten" Anekdoten aus dem Leben des französischen Philosophen verfolgt. Ausgehend von der Frage, ob aus Rousseau nicht dieser "größenwahnsinnige, heulselige und jähzornige" Mann geworden wäre, wenn er nicht seine geliebte, "Mama" genannte Gönnerin Madame de Warens mit dem Perückenmacher Wintzenried beim Liebesspiel erwischt hätte, erzähle Ott viele Episoden aus dem Alltagsleben seines Helden und erstelle ein schlüssiges, psychologisches Profil. Und so liest der Kritiker mit größtem Vergnügen, wie Rousseau die Pariser Akademiker, die sein neues Musiknotensystem kritisieren, als "Vollidioten" beschimpft, oder wie er seine Frau Therese nach einem Seitensprung heulend bittet, ihn zu schlagen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 12.11.2011

"Er liegt im Bett, onaniert und stellt sich Mama dabei vor." lautet der erste Satz von Karl-Heinz Otts Rousseau-Roman "Wintzenried" und für Rezensent Jörg Magenau hält er, was er verspricht. Denn hier darf man nicht mit einer diskreten Biografie über den französischen Philosophen rechnen, warnt der Kritiker, vielmehr mit einem hinreißend komischen, psychologischen Roman über eine narzisstische Kränkung. Diese, so Magenau, beginnt bereits, als Rousseaus dreizehn Jahre ältere, "Mama" genannte Geliebte ihn mit dem Friseur "Wintzenried" betrügt und begründet nicht nur seine paranoide Weltsicht, sondern auch seine Sehnsucht nach unsterblichem Ruhm und den Wunsch, Voltaire und Diderot hinter sich zu lassen. Im Hinblick darauf führe Ott in seinem leidenschaftlichen Rousseau-Porträt alle theoretischen und bedeutenden Aussagen seines Helden, der eine Art Popstar seiner Zeit war, immer wieder ins "Triebhaft-Animalische" zurück. Für den Kritiker ist dieser Roman, der zeige, dass jedes Denken im Persönlichen wurzele, nicht zuletzt eine Form der "Dekonstruktion von Philosophie".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.10.2011

Mit "Wintzenried" hat Rezensent Michael Braun nicht nur einen herausragenden biografischen Roman über das Leben Jean-Jacques Rousseaus gelesen, sondern auch die "bittere" Tragikomödie über den Aufstieg eines Universalphilosophen, der hier von Karl-Heinz Ott als narzisstischer Jüngling beschrieben wird, der sich "in onanistischer Selbsterhitzung ein Programm der Weltbeglückung" ausgedacht habe. Aus der Innenperspektive seines größenwahnsinnigen Helden erzähle Ott, wie ein pubertäres Trauma - Rousseau findet seine sehnsüchtig begehrte Ziehmutter im Bett mit dem Perückenmacher "Wintzenried" - diesen zu einer "manischen Formulierungsmaschine" werden lasse, die schließlich die ganze Welt verbessern wolle. Ob der Autor das Scheitern seines megalomanischen Protagonisten als Dirigent boshaft-komisch schildert oder dessen antiaufklärerisches Pamphlet schließlich Diderot zuschreibt, immer hat sich der Rezensent bestens amüsiert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.10.2011

Mit größtem Vergnügen hat Oliver Jungen Karl-Heinz Otts Lebensgeschichte über Jean-Jacques Rousseau gelesen, den schon Nietzsche als "Missgeburt, die sich an die Schwelle der neuen Zeit gelagert hat" bezeichnet habe. "Wintzenried", so der Rezensent, sei keineswegs eine Biografie, das verrate bereits der Titel, der auf einen Perückenmacher anspiele, der Rousseau einst eine Geliebte ausspannte. Vielmehr liest Jungen hier eine wunderbar ironische Geschichte über den Aufstieg eines Mannes, der bei aller Feindseligkeit der Welt gegenüber von den Philanthropen gefeiert wurde und trotz "talibanhafter" Frauenansichten von diesen geliebt wurde. Entgegen der von Kritikern und Bewunderern gleichermaßen pathetischen Rezeption Rousseaus beschreibe Ott den "Popstar der (Anti-) Aufklärung" nicht nur als sozial inkompetenten, an sich selbst leidenden und bei aller Eitelkeit bemitleidenswerten Angeber, der mit selbstgeklöppelten Spitzenbändern Mädchen nachstellte, sondern verfasse ganz nebenbei auch einen "dekonstruktiven" Kommentar zur Antiwissenschaft und zum Starkult der Moderne. Bei so vielem boshaftem Humor sieht der Rezensent gern darüber hinweg, dass der Autor Rousseaus intellektuellen Nachlass vielleicht nicht immer ganz differenziert betrachte.
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