Leonora Carrington

Das Haus der Angst

Cover: Das Haus der Angst
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2008
ISBN 9783518224274
Gebunden, 243 Seiten, 16,80 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen und Englischen von Heribert Becker und Edmund Jacoby. Nachwort von Christiane Meyer-Thoss. "Wo kommen auf einmal diese beiden sonderbaren Gestalten her, die langsam die Straße entlanggehen, gefolgt von tausend Zwergen? Ist das der Mann, den man wegen seiner sanften und grimmigen Gemütsart Loplop, den obersten der Vögel, nennt? ... Und die Frau, um deren Oberarm sich eine dünne Blutspur windet - sollte das etwas die Windsbraut sein?" So fragt Max Ernst in seiner Einleitung zur Titelgeschichte dieses 1988 von der "Windsbraut" zusammengestellten Bandes, der fünf weitere Erzählungen und zwei Romane ("Der kleine Francis" und "Unten") enthält. Leonora Carrington (geboren 1917) entfloh früh dem großbürgerlichen Milieu, um mit Max Ernst, "Loplop", nach Paris und dann weiter nach Südfrankreich zu ziehen. Ihr Schlüsselroman "Der kleine Francis" (hier zum ersten Mal auf deutsch) schildert, phantastisch verkleidet, die Erlebnisse des Sommers 1937 im provenzalischen Saint-Martin-d Ardeche. Max Ernst wurde nach Ausbruch des Krieges interniert. Als Carringtons Befreiungsbemühungen fehlschlugen, floh sie nach Spanien. Unterwegs wurde sie wahnsinnig. "Unten", ihr berühmter Bericht, beschreibt den Abstieg in das Reich des Wahns und wie sie ihm unter Aufbietung aller Willenskräfte entkam - und endet mit einem Postskriptum aus dem Jahr 1987. Da wohnte Leonora Carrington, die Malerin, Autorin, Surrealistin, schon seit vielen Jahren, hochberühmt und kaum erreichbar, in Mexiko.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.07.2008

Zumindest den frühen hier abgedruckten Erzählungen fehlt die Hälfte, merkt Rezensent Werner von Koppenfels an, denn ihre Phantastik war ursprünglich noch von Zeichnungen Max Ernsts kontrapunktiert, die der "Bilderscheu der Bibliothek Suhrkamp" zum Opfer fielen. Selbst das im Band abgedruckte Foto ist nur halb, denn es handelte sich um ein Doppelporträt - und die Seite mit Max Ernst ist weggeschnitten! Aber die Erzählungen faszinieren den Rezensenten auch so. Sehr schön legt er dar, wie der Zug zum Grotesken zusammenhängt mit Carringtons trauriger Kindheit in wohlhabend protestantischem Hause, die nur durch die Märchen der irisch-katholischen Nanny aufgelockert wurde. Carringtons Ausbruch aus der düsteren Atmosphäre der Kindheit dürfte den Erzählungen, wenn man Koppenfels glaubt, ihren Drive geben. Als zentrales Stück im Band empfiehlt er die Erzählung "Francis", die die Liebesaffäre mit Max Ernst surrealistisch sublimiert. Von Koppenfels bezeichnet die Übersetzung als zuweilen glättend. Er empfiehlt das dem Band beigegebene Interview mit der Autorin, die heute hochbetagt in Mexiko lebt, und lobt das Nachwort von Christiane Meyer-Thoss als instruktiv.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.05.2008

Renate Wiggershaus nutzt ihre Kritik des Bands "Das Haus der Angst" mit Texten von Leonora Carrington, um die Schriftstellerin und Künstlerin vorzustellen. Die Tochter einer englischen Industriellenfamilie lernte 1936 den Surrealisten Max Ernst kennen und zog mit ihm in ein Haus an der Ardeche, wo sie bis zu seiner Verhaftung zusammen lebten und arbeiteten, erklärt die Rezensentin. Neben dem Prosatext "Das Haus der Angst" versammelt der Band den jetzt erstmals auf Deutsch erscheinenden Roman "Der kleine Francis", weitere Erzählungen, ein Interview mit der Autorin von 1990 und einen Bericht über ihren Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt. "Der kleine Francis", der von einer Onkel-Neffen-Liebe erzählt, beeindruckt Wiggershaus durch seine Brüche, denn in die mit absurden Erzählelementen durchwirkte Geschichte bricht immer wieder die verfremdete, doch umso bedrohlichere Wirklichkeit der späten dreißiger Jahre ein, wie die Rezensentin feststellt. Abschließend kann Wiggershaus noch berichten, dass Carrington bis heute - sie ist mittlerweile über 90 Jahre alt - künstlerisch und schriftstellerisch in Mexiko tätig ist.